Szenen. Nischen. Subkulturen. – Don’t worry, be Reggae?

Am jamaikanischen Strand, auf die Weite des Meeres blickend, scheint einem die Sonne ins Gesicht und es weht einem ein süßlicher Duft in die Nase. Aus den Boxen ertönt feinster Reggae-Tune und das Leben könnte gerade nicht entspannter sein. Doch was steckt eigentlich hinter dem Reggae-Genre? Ein Versuch der Bestandaufnahme.
Von Magdalena Zimmermann

Nun mal ganz von vorne, Reggae entstand in den 1960er Jahren – wo könnte es nicht anders sein – in Jamaika. Innerhalb der Szene gibt es keine eindeutige Definierung des Begriffs, einige stützen sich auf die lateinische Wortherkunft, da der Begriff „rex“ König bedeutet und somit Reggae die Musik des Königs sein soll. Andere Theorien leiten den Begriff vom jamaikanischen Slangwort „Streggae“ ab, dass so viel wie leichtes Mädchen bedeutet. Einigkeit gibt es hier auf jeden Fall nicht. Das was die musikalische Richtung des Reggaes grundlegend auszeichnet, ist die Offbeatbetonung. Also die Betonung des zweiten und vierten Schlages im Takt. Dazu kommt, dass die Songs nicht in „herkömmlichem“ Englisch, sondern in einer auf dem Englischen basierenden Kreolsprache gesungen werden. Diese wird Patois genannt und beinhaltet auch zahlreiche Wortneuschöpfungen, wie dass dort das „we“ zu „i and i“ wird. Darüber hinaus ist es gerade der legere und lässige Beat, der den Reggae maßgeblich auszeichnet. Doch das war jetzt genug Theorie.

„Get up, stand up, don’t give up the fight“

Einer der Gründerväter des Reggaes, dürfte wohl jedem ein Begriff sein. Zahlreiche Jugendzimmerwände sind geschmückt mit seinem Gesicht, seine Songs wahre Reggaehymnen und es ist glaub ich nicht weit hergeholt zu behaupten, dass wohl jed:r in der Schule jemanden in der Klasse hatte, der richtig auf ihn abgefahren ist. Wir sprechen hier natürlich von niemand geringerem als Bob Marley. Er war zunächst, gemeinsam mit seinen Kollegen Peter Tosh und Bernie Livingstone, Anfang der 1960er Jahre als „The Wailers“ aktiv. Marley ist und war in der Szene immer eine wichtige Identifikationsfigur. Seine kommerzielle Ausschlachtung trifft jedoch nicht immer nur auf Wohlwollen innerhalb der Reggaeszene. Doch ist Reggae denn mehr als sein Gründervater Bob Marley?

Um Reggae zu hören muss man nicht zwingend Dreadlocks auf dem Kopf haben und Gras rauchen. Doch wie jedes Genre, spielt auch der Reggae mit seinen Klischees und bedient diese auch. Der Stereotyp eine:r:s Reggaehörende:r:n stellt man sich eben nicht in Anzug und Krawatte, sondern mehr leger und locker vor. Moshpits werden auf Reggaekonzerten auch selten gestartet, was auch bei den vielen Barfüßigen zum Verhängnis werden könnte. Wenn man mal die Klischees bedienen will. Aber Reggae ist eben vielmehr als seine Klischees, die innerhalb der Gesellschaft bestehen. Denn Reggae ist vor allem vordergründig eines: Sozialkritik. Politische Inhalte, die Forderung von Gleichberechtigung und die Aufarbeitung von Themen, die die Gesellschaft maßgeblich betreffen. So ist auch der vielseits bekannte Song von Bob Marley „No Woman – No Cry“ im Mainstream immer wieder falsch interpretiert worden. Denn Marley meinte in seinem Song nicht, dass man keine Weinerei hat, wenn einem Frauen das Leben nicht erschweren. Sondern der Song beschreibt das Leben in jamaikanischen Slums und richtet seine Worte liebevoll an eine Frau, deren Tränen gestoppt werden soll. Reggae hat viel mehr Tiefgang, als die stereotypen Betrachtungen auf den ersten Blick zulassen mögen und hat musikalische Selbstermächtigung in den ärmlichen Verhältnissen Jamaikas erst möglich gemacht. Dabei spielt auch der Wunsch nach Frieden eine wichtige Rolle. Da die Musikrichtung auch für die Religion des Rastafaris maßgeblich ist, die damit ihren Gott Jah huldigen, wurde Reggae 2018 als immaterielles Kulturerbe ernannt. Also ist Reggae vielmehr als Kiffen und Good Vibes, sondern Sozialkritik gepackt in rhythmische und chillige Beats.

Reggae abseits der jamaikanischen Sonne

Reggae hat sich seit seinem Entstehen auf der ganzen Welt etabliert. Wie jede andere Musikrichtung auch, hat sie dabei unterschiedliche Wege eingeschlagen. Neben großen Namen wie Protoje und Chronixx, die Hip-Hop Tunes mit Reggae verbinden, hat auch das Genre des Dancehalls, nicht nur Einzug in die Clubkultur gefunden, sondern auch in den Mainstream. Jay-Z veröffentlichte beispielsweise gemeinsam mit Damian Marley die Dancehall Legende Bam Bam im Jahr 2018, die ursprünglich auf Sister Nancy zurückgeht. In Deutschland sind hier beispielsweise Gentleman und Patrice anzuführen. In Österreich gibt es daneben auch einige Bands, die immer wieder zwischen Englisch und dem österreichischen Dialekt hin und her wechseln. Eine von ihnen ist die Crew „Rebel Musig“ aus Tirol. Ihre Musik ist ein Mix aus Reggae, Hip-Hop und Funk, dabei sind ihre Texte auch eben nicht einfache Feelgood-Songs, sondern auch sie setzen sich mit Schwierigkeiten auseinandern. Denn das Leben in den Tiroler Bergen, ist bekanntlich ja nicht immer von Weitsichtigkeit gekennzeichnet. Wir haben ihnen ein paar kurze Fragen zur Reggaezene gestellt:

> Was ist Reggae für dich?
Neben Hip-Hop die Musikrichtung die mich am meisten geprägt hat, wobei für mich beides Teil vom gleichen Family Tree ist.

> Wie definiert sich die Reggaeszene?
Schwer zu beantworten, weil das ja von Ska über Rocksteady bis Dancehall, oder wie man heute sagt „Traphall“ alles und noch viel mehr beinhaltet und deswegen auf Dances auch alle Arten von Menschen vertreten sind.

> Wie grenzt sich Reggae von anderen Musikrichtungen ab?
Auch das ist schwer zu beantworten, die Genres dieses Family Trees haben es gemeinsam, alle Einflüsse (musikalisch, kulturell, zeitgeistig…) zu verarbeiten und in eigener Version wieder auszuspucken.

> Was muss jeder gute Reggaesong beinhalten?
Bass!

John Dizzy von „Rebel Musig Crew“