Safe & Sound: Mental Health im Musikbusiness – die Perspektive der Kunstschaffenden

Die heutige Ausgabe von Safe & Sound – unserer Kolumne zu Health Awareness im Musikbusiness – wird sich wieder mit der psychischen Gesundheit von Kunstschaffenden befassen. Wie steht es um die Psyche der Musikschaffenden in Österreich? Was heißt es überhaupt, Musiker*in zu sein? Welche Herausforderungen bringt der Beruf mit sich? Und wie kann man sich davor schützen? Antworten auf diese und weitere Fragen haben wir diesmal bei den Kunstschaffenden selbst gesucht und deshalb Xing und Holli zum Interview getroffen.
Von Clara Pacher

 

 

Mental Health als Thema ist ein sehr weitläufiges. Auch in Bezug auf das Berufsfeld des Musikschaffens gibt es etliche Themen zu beleuchten und Beiträge zu schreiben. Heute möchten wir uns dem Gegenstand aus der Perspektive der Künstler*innen selbst annähern.
Die Liste der Herausforderungen, die der Beruf für die Psyche mit sich bringt ist lange: mangelnde Routine im Alltag, keine geregelten Arbeitszeiten, finanzielle Unsicherheit, ein ständiges sich-verletzlich-Machen, ganz zu schweigen vom Alltag auf Tour. Doch was beschäftigt die von uns befragten Künstler*innen?
Xing spricht sofort das Thema der mangelnden Stabilität an. In ihrem Alltag erlebt sie immer wieder ein starkes Schwanken zwischen Hochs und Tiefs. Dabei spricht sie von Highs, wenn man beispielsweise gerade Konzerte spielt oder Kunst veröffentlicht. Die Lows kommen danach, etwa wenn man nach einer Tour wieder in die leere Wohnung zurückkehrt – vom Trubel in die Stille. Es gilt, eine Balance zu finden.

„Es ist ein bisschen wie mit den Jahreszeiten: auf einmal ist der Sommer vorbei.“
– Xing über die Highs & Lows ihres Berufsalltages

Auch Holli kann nur zustimmen. Er spricht außerdem einen weiteren Teil des Berufsfeldes an, der immer wieder Schwierigkeiten für die Psyche birgt – Social Media. Als kostenloses Marketingtool eigentlich recht nützlich, profitiert es doch am meisten von der psychischen Abhängigkeit seiner Konsument*innen von den dort erzeugten Belohnungsgefühlen. Was bedeutet es nun, wenn man Social Media berufsbedingt nutzen muss? Holli merkt, dass es ihm besser geht, wenn er keine oder kaum soziale Medien verwendet. Musikmachen ganz ohne Internetauftritt ist heute allerdings kaum denkbar.

„Man will ja schließlich auch gehört werden.“
– Holli über seine konflikthafte Beziehung zu sozialen Medien

 

Sowohl Xing als auch Holli beschäftigen sich in ihrer Musik mit den nicht gerade angenehmen Themen des Lebens. Auf ihrer vergangenen Freitag erschienenen EP Peace of Mind singt die Musikerin Songs über Familie, Freund*innenschften, Geldprobleme und Verluste. Intime Themen, die ihr keine Ruhe ließen, hat Xing also in Gefühlvolle Musikstücke verpackt.
Auch Holli, dessen Debütalbum Der erste gute Tag im Mai erscheinen wird, befindet sich mit seiner Musik stimmungsmäßig eher am melancholischen Ende des Spektrums. Das Album kreist um Themen wie das Älterwerden, Fehlermachen, gesellschaftlichen Druck und auch den Tod.
Muss es einem also schlecht gehen, um gute Musik schreiben zu können? Die Antwort beider Künstler*innen kommt sehr klar: Nein. Man kann zweifellos auch gute Musik schreiben, wenn es einem gut geht. Es sei eher eine Sache der Gewohnheit meint Holli, der doch immer wieder merkt, dass er weniger zu sagen hat, wenn es ihm gut geht. Daran könne man aber arbeiten.

„Für keinen Erfolg der Welt würde ich meine Gesundheit eintauschen, schon garnicht die psychische – das musste ich aber auch erst lernen.“ – Holli

 

„Das Ding ist auch, dass dieser Prozess nie abgeschlossen sein wird. Es gibt keinen ‚Key to Happiness‘.“ – Xing

Hier spricht Xing auch etwas sehr wichtiges an: Die Grundhaltung der wohl meisten Menschen, die psychische Gesundheit als Ziel und weniger als Prozess zu erachten. In Wahrheit ist Gesundheit nicht etwas, das man an einem bestimmten Punkt erreicht, sondern vielmehr etwas, das man immer wieder pflegen, beachten und nähren muss. Insofern erübrigt sich vielleicht auch die Sorge, nicht mehr kreativ sein zu können, wenn es einem besser geht, da einem das Leben doch immer wieder Herausforderungen bieten und somit Emotionen auslösen wird. Und diese sind immerhin Gegenstand und Ausgangslage des Schaffensprozesses.

 

 

„Mir hilft es, viel darüber zu reden – meine Gefühle auszusprechen, meine Wünsche auszusprechen.“ – Xing über ihren Umgang mit den Herausforderungen ihres Berufes

Am Ende steht natürlich auch die Frage, was man tun kann, um die eigene Psyche in diesem Beruf so gut es geht zu unterstützen. Xing findet ihre Kraft und Balance in alltäglichen Dingen, wie gutem Essen und ausreichend Schlaf. Aber auch sich Tätigkeiten zu widmen, die nichts mit ihrem Beruf zu tun haben und gelegentlich Auszeiten abzuhalten, erlebt sie als sehr wohltuend.
Auch Holli findet Pausen wichtig und spricht außerdem das Konzept eines Brotjobs an. Das Ausüben eines solchen ist oft notwendig, um die Fixkosten zu bezahlen, kann aber der Kreativität durchaus dienlich sein, indem er Struktur im Alltag und finanzielle Sicherheit bietet. So muss man seiner Kreativität nicht auch noch das Generieren eines stabilen Einkommens aufbürden.

Fotos:
Titelbild links: Tobias Paal
Titelbild rechts: Hanna Fasching