Wolfgang Luckner
Als erfahrener Schlagzeugprofi war Wolfgang Luckner am diesjährigen Drummer Camp im Einsatz. Im Interview spricht er nicht nur über seinen musikalischen Werdegang, sondern auch über genaue Vorbereitung und gutes Timing, welches er sowohl im Fernsehen beim Dancing Stars Orchester als auch auf großen Bühnen mit den Seern unter Beweis stellt.
Du hast gerade im Zuge des Drummer Camp ein Technik Workout geleitet. Welche Schwerpunkte hast du dabei gesetzt?
Ich wollte, dass alle Teilnehmenden ein paar Übungsanreize mit nachhause nehmen können und habe ihnen ziemlich geballt einige Techniksysteme vermittelt, die praktisch anwendbar sind. Jetzt gerade habe ich ihnen neben Paradiddles, Double Strokes und Akzenten, zum Beispiel den bâton mêlé näher gebracht. Das ist ein Handsatz, den eigentlich jeder spielt und von dem nur wenige wissen, dass der auch einen Namen hat.
Wie kann man diesen in Worten erklären?
Jeder kennt das klassische Motown-Pickup und spielt RLLRRLR. Genau damit lässt sich sehr viel machen. Das kann man variieren und anders zusammensetzen. Damit lässt sich dann sehr systematisch üben. Wobei ich auch sagen muss, dass es im Prinzip egal ist, ob man etwas mit System und Noten übt oder einfach nur spielt und es klingt gut. Das ist eine Frage der Herangehensweise, ob jemand eher ein systematischer Typ ist, der alles aus dem Buch übt oder jemand, der das nachspielt was er hört.
Welcher Übungs-Typ trifft da auf dich selbst zu?
Eigentlich gar keiner. (lacht) Ich habe schon immer ein bisschen Technik geübt, aber es nie gezielt auf die perfekte Technik angelegt, wie es viele andere vielleicht tun. Das meiste habe ich eigentlich beim Spielen gelernt.
Als jemand, der beide Seiten sehr gut kennt – also das Studieren am Konservatorium und auch das Musikbusiness – glaubst du, dass das Livespielen das Entscheidende ist?
Ja, unbedingt. Beim Üben kann man sich das Handwerk theoretisch und motorisch drauf schaffen, aber den Rundschliff bekommt das immer erst durchs Spielen. Man muss einfach live die Kilometer machen. Oder eben im Studio, wo man wirklich genau hören kann, was passt und was nicht. Das ist auch sehr hilfreich, gerade was Timing und Präzision betrifft.
Du hast bei Walter Grassmann studiert, später auch bei Jojo Mayer und Mark Schulman Unterricht genommen …
Genau. Grundsätzlich habe ich bei Walter Grassmann studiert. Das hat mir extrem viel gebracht und davon zehre ich noch immer. Wobei da der Schwerpunkt auf Jazz und Bigband war. Ich bin immer wieder in die Situation gekommen, in Bigbands zu spielen – nicht zuletzt beim Dancing Stars Orchester. Dafür hat mir mein Studium natürlich immens geholfen. Die Stunden bei Jojo Mayer und Mark Schulman beschränken sich auf ein paar Einheiten. Interessant war natürlich, dass alle drei extrem verschiedene Schlagzeuger sind.
Stichwort Dancing Stars: Wie bist du zum Orchester gestoßen?
Im Dancing Stars Orchester spiele ich seit zehn Jahren und wechsle mich mit Florian Holoubek ab, über den ich auch zu dem Job gekommen bin. Dadurch dass er in Berlin lebt, hat er einen Substituten gesucht. Seither teilen wir uns jede Staffel auf. Die Arbeit dabei ist wirklich toll, weil es mir taugt, wenn etwas gut geprobt und auf den Punkt abgeliefert wird. Das ist in dem Fall einfach gegeben. Was mich nie befriedigt hat ist, wenn man mit irgendwelchen halben Proben ein Programm mehr schlecht als recht runterspielt.
Wie darf man sich den Arbeitsablauf für die Show konkret vorstellen?
Also spannend war es vor allem in den ersten beiden Staffeln, weil da alle Nummern neu waren. Die wurden für die 90-sekündigen Tänze zurechtarrangiert und einstudiert. Dabei war die Herausforderung, dass man aus irgendwelchen Nummern etwas bauen hat müssen, das nach Rumba, Chacha oder Samba klingt. Es wurden einfach viele Hits, die man kennt musikalisch dahingehend verbogen, dass sie als einer der Tänze wiedererkannt werden können. Dabei war eben die Frage, wie man das so spielt, dass es einerseits nach dem Tanzstil klingt und andererseits als die bekannte Nummer erkannt wird. Da muss man sich eben einiges einfallen lassen. Im Verlauf der Staffeln sind wir dabei natürlich immer routinierter geworden, beziehungsweise haben wir Nummern aus den ersten Staffeln einfach wieder übernommen. Mittlerweile sind wir ein sehr routinierter Haufen und der Probenaufwand ist natürlich dementsprechend geringer geworden.
Also hast du nicht von Anfang an alles fertig vorbereitet bekommen?
Doch, das Ganze war schon extrem gut vorbereitet und strukturiert von Thomas Rabitsch und seinem Team. Man hat sich die Nummern immer schon vor den Proben als Midi-Layouts auf dem Server anhören und sich die Noten herunterladen können. Außerdem waren die Originalnummern als MP3 dabei. So hat man sich alles gewissenhaft zurechtlegen können. Bei den meisten Standardtänzen gibt es ja auch ein vorgegebenes Geschwindigkeitsfenster, das nicht unter- oder überschritten werden sollte, weil es sonst eben kein stilechter Samba oder Rumba wäre. Von daher sind auch die BpM-Angaben festgelegt.
Mit den Seern feiert ihr dieses das 20-jährige Bandjubiläum. Wie lange bist du schon Teil der Band?
Ich bin seit über achtzehn Jahren dabei, also fast seit dem Anfang. Das hat sich eigentlich recht zufällig ergeben. Der erste Schlagzeuger war Hari Ganglberger, der mittlerweile in New York lebt. Mit ihm habe ich gemeinsam am Konservatorium studiert und eine Zeit lang ums Eck von ihm gewohnt. Er hat mir dann irgendwann erzählt, dass er in einer Band spielt, die zwar cool ist, aber nicht wirklich seine Musik, weil er sehr auf Jazz und Fusion fokussiert war. Die Seer waren am Anfang auch ein recht lustiger Haufen, wo es drunter und drüber gegangen ist. Da hat man sich entweder reinfinden können oder nicht. Mittlerweile sind wir eine hochprofessionelle Band und spielen circa sechzig Shows pro Jahr.
Hast du auch musikalisch erst reinfinden müssen nach deinem Jazzstudium?
Meine Vorliebe galt eigentlich seit Jugendtagen immer der Rockmusik. Hier hat mich besonders Mother’s Finest geprägt. Dieser laid-back Funkrock hat mir immer extrem getaugt. Das Studium war ursprünglich ja eher eine Art Notlösung, weil ich mit siebzehn die Schule abgebrochen habe und – nicht zuletzt meiner Eltern wegen – irgendetwas anfangen musste. Da ich durchaus schon ein bisschen Schlagzeug spielen konnte zu der Zeit, habe ich es einfach versucht und es hat geklappt. Es war aber nie mein fixer Plan, Profi zu werden. Vor meinem Studium habe ich von Jazz nicht wirklich viel Ahnung gehabt und war eher im Rock und Pop zuhause. Mir ist aber unabhängig vom Stil das Wichtigste, dass ich beim Livespielen Spaß habe, das gibt mir am meisten und bei den Seern ist das mit dieser wirklich guten Band absolut der Fall.
Wie hat dein musikalischer Werdegang ausgesehen bevor du siebzehn warst?
Als ich sechs war haben meine Eltern mich und meine ältere Schwester in die Musikschule geschickt. Dort habe ich zuerst Blockflöte, dann Klavier, später Trompete und Geige gespielt. Jeder kleine Bub will natürlich Schlagzeug spielen und so hat sich das neben der Trompete herauskristallisiert. Trompete habe ich bis vierzehn gespielt und von da weg war es nur noch das Schlagzeug. Von all diesen Instrumenten habe ich aber extrem profitiert, weil ich dadurch bereits in jungen Jahren perfekt Noten lesen konnte. Somit waren Noten und Blattlesen nie ein Hindernis für mich, das hat mir einiges erleichtert. Außerdem bekommt man harmonisch auch einiges mit und kann auch als Schlagzeuger heraushören, was eine erste, vierte oder fünfte Stufe ist.
Was erachtest du außerdem als besonders wichtig, um ein guter Schlagzeuger zu sein?
Das sagen zwar eh alle, aber das Allerwichtigste ist, dass man ein möglichst gutes Timing hat und nicht schneller oder langsamer wird. Es fühlt sich für eine Band immer gut an, wenn hinten ein Schlagzeuger sitzt, der einfach ein Bett legt, wo sich alle reinlegen können. Alles andere, also die ganze Technik und so weiter, bringt einem erst dann wirklich etwas, wenn die Time passt.
Wie arbeitet man daran am besten? Oder hat man eine gute Time einfach oder eben nicht?
Gesegnet die, die sie haben! Es gibt schon Naturtalente, die nicht viel tun müssen. Aber man kann mit viel Arbeit da schon einiges bewegen und sich antrainieren. Natürlich kann man zum Click spielen, aber das ist auch ein zweischneidiges Schwert. Wenn man immer zum Click übt, kann es passieren, dass man ziemlich in der Luft hängt, wenn einmal kein Click da ist. Ich kann nur die Methode von Mark Schulman empfehlen, der sich ein Metronom eingestellt und dazu geklatscht hat, um dann einfach klatschend zwei runden ums Haus zu gehen und zu schauen, ob sein Klatschen noch mit dem Click übereinstimmt. Das hat er so lange trainiert, bis er es nahezu perfekt beherrscht hat. Eigentlich total einfach, aber offenbar sehr wirksam.
Interview: Moritz Nowak