Special Edition
Schlagzeuger*in – dieser eine Begriff fasst, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so scheint, Personen mit sehr unterschiedlichen Perspektiven, Philosophien und Rollenverständnissen bezüglich des Schlagzeugspielens zusammen. Musik, Sound und Groove können auf verschiedene Arten verstanden werden – wodurch sich ein großer Raum eröffnet, in dem jede*r Schlagzeuger*in den eigenen Platz finden kann.
In unserer Serie „Drummer*in des Monats“ stellen wir euch üblicherweise eine Person, mit ihrer jeweils eigenen Art die Rolle auszufüllen, vor. Diesen Monat möchten wir euch aber die schöne Vielfalt der Schlagzeuger*innen vorstellen, indem wir euch zeigen, wie unterschiedlich, aber manchmal auch ähnlich die Perspektiven unterschiedlicher Drummer*innen, die wir in der Vergangenheit interviewt haben, sind.
von Mira Achter
Für viele Schlagzeuger*innen steht das „Grooven“ und songorientierte Spielen im Vordergrund.„Bei Lausch sind wir eher langsam unterwegs. Wenn man schnell spielt, ist es schwieriger zu grooven, weil es keine Pausen gibt, in denen das Ganze atmen kann. Insofern gefällt es mir grundsätzlich, wenn das alles Luft hat und nicht überladen ist“, erklärte uns Matthias Ledwinka von Lausch. „Für mich ist eigentlich immer das Wichtigste, das zu spielen, was ich für die jeweilige Musik relevant finde. Ich versuche wie ein Camäleon zu sein. Ich spiele auch nicht für die Schlagzeuger*innen im Publikum, sondern für alle. Mir ist es wichtiger, viele Leute zum Tanzen zu bringen, als dass eine Person denkt: „Wow, das Fill war jetzt aber oarg“, erzählte Frank Schachinger von LIAN über seinen Zugang.
Andere Schlagzeuger*innen sehen am Schlagzeug auch die Möglichkeit, Melodien zu spielen bzw. solche zu unterstützen. „Ich finde ein Schlagzeug hat sehr viel mehr Möglichkeiten zu bieten, als einen durchgängigen, straighten Beat. Das kann auch cool sein, aber ich finde es spannender damit zu spielen, die Erwartungen zu brechen, zu zeigen, dass ich auch Melodien spielen kann und zu schauen, was da eigentlich geht. Nur weil ich kein Saiteninstrument spiele, habe ich trotzdem die Möglichkeit eine Melodie zu erschaffen, eine Harmonie zu brechen oder zu unterstützen.“ erzählte Dora de Goederen von Dives und Schapka. Auch Aurora Hackl Timón von Petra und der Wolf interessiert sich weniger für’s Grooven: „Ich tue mir zum Beispiel schwer Bassdrum, Hi-Hat und Snare in einem 0815 Rhythmus über Minuten durchzuspielen. Es ist schon eine coole Fähigkeit grooven zu können. Aber es ist nicht das, was mich fordert oder womit ich glücklich bin.“ Stattdessen spielt sie lieber tomlastiger und nimmt sich mit dem Schlagzeug mehr Raum, als ausschließlich einen Groove zu spielen.
Schlagzeuger*in zu sein, kann nicht nur bedeuten, sich mit dem Schlagzeugspielen das Brot zu verdienen. Für viele ist es einer von mehreren Berufen und für andere ist es ausschließlich Hobby. Oft ist es auch gar nicht das Ziel, (ausschließlich) vom Schlagzeugspielen leben zu können. „Ich bin von Beruf Vermessungstechniker und sehe mich auch eher als Techniker. Damit ich die Musik zum Beruf hätte machen können, hätte ich in die Musikschule gehen und früher damit anfangen müssen. Ich spiele, weil es mir Spaß macht. Wenn ich wirklich Geld damit verdienen und deshalb Kommerz spielen müsste, würde mir das nicht so viel Spaß bereiten. Manchmal habe ich mir die Frage gestellt, aber eigentlich will ich es genauso wie es ist. Ich bin damit wirklich sehr glücklich“, erzählte uns Max Heller von Reverend Backflash.
Beliebt ist auch die Kombination von der Tätigkeit in einer eigenen Band, in den Formationen anderer Musiker*innen, als Schlagzeuglehrer*in und als Drumtech/Guitartech. Nur in wenigen Ausnahmen ist es möglich, ausschließlich bei einem Herzensprojekt zu spielen und darüber hinaus keine weiteren Jobs annehmen zu müssen. Dafür müsste es wohl für diese Band den großen Erfolg geben, wie das Beispiel von Philipp Scheibl, Schlagzeuger bei Bilderbuch zeigt.
Bei der Arbeit als Berufsschlagzeuger*in besteht jedoch auch die Gefahr, die Freude an der Musik zu verlieren: „Am Üben und Musikmachen habe ich nach wie vor viel Freude, aber ich merke, ich habe ein bisschen verloren, wie mich Musik berührt. Man wird immer anspruchsvoller und hat viele Dinge und Emotionen einfach schon erlebt. Wenn ich zwei Stunden übe, drei Stunden probe und drei Stunden unterrichte und danach nach Hause komme, bin ich froh, wenn im Radio wer ist, der mir etwas erzählt“, erzählte uns Sebastian Simsa von Simsa Fünf.
Viele bekannte Schlagzeuger*innen können über ihren jeweiligen individuellen Sound erkannt werden. Und so sind auch die Zugänge zu diesem großen Thema sehr divers. Während die einen immer weiter nach Möglichkeiten suchen, um den Live- und Studiosound des Schlagzeugs zu verbessern, lassen andere dieses Thema fast völlig außen vor. Christian Grobauer, zur Zeit des Interviews Schlagzeuger bei Schmieds Puls, erzählte uns etwa, wie er immer auf der Suche nach den passenden Mikrophonen, Snaredrums und Hi-Hats sowie deren Kombination ist. Bei Live-Konzerten ist sein Kredo Steve Smith’s Ausspruch „Play the room!“, was neben dem Anpassen des Spielens auch die Auswahl des richtigen Equipments, etwa aus den drei Hi-Hats, die er immer mit hat, bedeutet.
Am anderen Ende dieses Spektrums befinden sich Schlagzeuger*innen, die sich nur sehr selten überhaupt neues Equipment kaufen und vor allen mit Second Hand Material arbeiten, oder auch jene, die für alle Gigs dieselbe Grundausstattung und -stimmung verwenden. Manfred Herzog von Petrol Girls erzählte uns in seinem Interview etwa, dass es in seinem Umfeld weniger üblich und angesehen ist, sich viel mit Equipment auseinanderzusetzen: „Über die Snare rede ich sehr gerne, auch wenn ich jedes Mal, wenn ich meine Drum Watch zum Stimmen auspacke, belächelt werde. Ich versuche das immer still und heimlich, bevor ich auf der Bühne bin, zu erledigen.“ Auch bei der Auswahl seiner Becken geht er pragmatisch vor und verwendet für alle Live-Konzerte denselben leistbaren und haltbaren Beckensatz: „Ich spiele live ausschließlich die Masterwork Series. Im Studio merkt man einen Unterschied, aber für Live sind die richtig gut. Sie halten relativ lange und wenn dann mal eines reißt, dann kann ich mir zumindest ein neues leisten. Das letzte teure Becken, das ich hatte, habe ich bei einem Abverkauf bekommen und das war nach einem Monat kaputt. Auf Dauer wäre das unleistbar.“
Die Bottom Line, die fast alle Schlagzeuger*innen in den Interviews aufgebracht haben, ist aber: alles was gut klingt, funktioniert – egal wie billig, teuer, 0815 oder unkonventionell. Grenzen oder Regeln, was erlaubt ist und was nicht, wie viel Moongel man auf die Snare kleben darf oder wie laut man bei einer Rockshow spielen darf, gibt es nicht.
Viele der Schlagzeuger*innen, die wir interviewen, haben auch Erfahrung darin, mit einem anderen Instrument auf der Bühne zu stehen. Mit der Gitarre vorne auf der Bühne zu stehen und zu singen führt zu einem anderen Feeling, als hinterm Schlagzeug zu sitzen. „Irgendwie hatte ich das Bedürfnis auch einmal vorne zu stehen mit der Gitarre und zu singen. Manchmal gefällt es mir als Schlagzeuger in der zweiten Reihe zu sitzen und zu wissen, das Publikum achtet weniger auf mich. Aber manchmal habe ich auch etwas zu sagen und dann möchte ich vorne stehen und singen“, erzählte uns Matthias Ledwinka.
Aurora Hackl Timón sprach mit uns darüber, was es für sie bedeutet mit dem Saxophon vorne auf der Bühne zu stehen: „Das Saxophon ist ein klassisches Soloinstrument und ich fühle mich nicht wohl darin, vorne zu stehen, mir den Raum zu nehmen und alles zu dominieren. Ich bin aber auf jeden Fall ein dominanter Mensch, der gerne kontrolliert. Und das ist super beim Schlagzeug, weil du hinten sitzt und alles im Geheimen kontrollierst (lacht).“
Manche Formationen lassen es sich auch bandintern völlig offen, wer welches Instrument spielt oder öffnen in der Findungsphase Raum, um die Instrumente durchzutauschen. „Ich glaube, wir haben mit der Zeit so viel Vertrauen aufgebaut, dass wir uns das getraut und uns gegenseitig zugetraut haben [verschiedene Instrumente auszuprobieren; Anm.d.R]. Ich denke, wenn man eine Band gründet und am Anfang schon die Rollen fixiert sind, kommt es vielleicht gar nicht zu diesen großen Freiräumen. So hat es sich zum Beispiel ergeben, dass man spontan eine zweite Stimme zu singen ausprobiert, sich bei einem Song entscheidet mal Gitarre zu spielen oder einfach mal ins Mikro schreit, weil man gerade Bock darauf hat., erzählte Dora de Goederen von Dives und Schapka.
Die Bezeichnung Schlagzeuger*in beinhaltet, wie man sieht, unglaublich viel Vielfalt und Platz, diese Rolle individuell auszufüllen. Gemeinsam ist allen unseren Drummer*innen des Monats aber eine unverkennbare Leidenschaft für Musik und das Schlagzeugspielen.