Philipp Scheibl
Spätestens seit der Veröffentlichung ihrer zwei starken Alben „Mea Culpa“ und „Vernissage My Heart“ in nur drei Monaten, gelten Bilderbuch als eine der größten Popbands Österreichs. In wenigen Tagen spielen sie gleich zwei Konzerte vor der historischen Kulisse von Schloss Schönbrunn und sorgen damit vermutlich für ein Jahres-Highlight in der österreichischen Livemusik. Wir haben uns mit Philipp Scheibl, ihrem Schlagzeuger, getroffen und herausgefunden, was diese zwei großen Konzerte für ihn bedeuten, warum er keine Tour mehr auf einem elektronischen Schlagzeug spielen möchte und warum man manchmal kämpfen muss, um die Liebe zur Musik nicht zu verlieren.
von Mira Achter
Eure zwei großen Konzerte im Schloss Schönbrunn stehen kurz bevor. Ist das etwas Außergewöhnliches für dich?
Auf jeden Fall. Es ist natürlich crazy, wenn da insgesamt 30.000 Leute kommen. Wir haben aber nicht unser Leben lang auf den Schönbrunn-Gig hingearbeitet. Es war eine künstlerische Entscheidung. Wir hätten auch in die Stadthalle gehen und dort, wie so viele andere Bands vor uns auch schon, spielen können. So nehmen wir wieder ein Risiko auf uns und geben mehr für das Konzert aus. Wir schauen dabei nicht auf jeden Euro sondern denken uns: Das ist Showbusiness und da muss man den Leuten etwas bieten. Man muss einen extra Meter gehen und das versuchen wir oft zu machen. Wir sind noch jung, also wann wenn nicht jetzt.
Du hast auf der letzten Tour noch auf einem elektronischen Schlagzeug gespielt. Wie war das und warum spielst du auf der aktuellen Tour wieder ein akustisches Set?
Das war nicht geil! Ich kann mir nicht vorstellen, dass es je mit einem richtigen Schlagzeug mithalten kann. Die Dynamik ist zum Beispiel viel schlechter. Auf einem echten Set kannst du immer noch mehr draufhauen, wenn du im letzten Refrain noch mehr geben willst. Auf einem elektronischen Set stehst du bei der Strophe schon an. Auch die Becken waren frustrierend. Bei der Hi-Hat hat man eigentlich so unfassbar viele Abstufungen, aber bei den E-Drums gibt es nur offen oder geschlossen. Wir haben uns damals dafür entschieden, weil wir alles digital machen wollten. Digitale Gitarrenverstärker, Bassverstärker und eben auch Drums. Die Stimmen waren die einzigen analogen Signale. Im Nachhinein bin ich nicht traurig über die Erfahrung, aber ich hätte eine schönere Tour gehabt, wenn ich ein normales Set gespielt hätte.
Wie habt ihr das Schlagzeug zu euren aktuellen Alben aufgenommen?
Ein Album entsteht bei uns nicht in einem Raum. Die Entstehungsorte der Signale sind ein Fleckerlteppich und es kann auch mal passieren, dass auf eine Schlagzeugspur zurückgegriffen wird, die schon zwei Jahre zuvor recordet worden ist. Im Aufnahmeprozess stellt sich auch oft heraus, dass wir einfach nicht an die Demoaufnahmen oder den Beat, den wir für die Demos programmiert haben, hinkommen. Wenn er funktioniert, lassen wir dann den alten Beat, auch wenn er billig klingt. Oder bei dem neuen Song Checkpoint haben wir unglaublich viel herumgeschnitten, bis der Beat wirklich geil war. Das Ganze ist ein Basteln, aber das ist eben modernes Musikmachen. Es ist möglich in einem kleinen WG-Zimmer einen Welthit zu schreiben. Mit einem achtkanaligen Interface, einem MacBook und ein paar Mikrophonen kann man alles machen. Aber dafür muss man umso genauer wissen was man will.
Wie schafft ihr es die verschiedenen Drumsounds, die durch euer Gestückel zustande kommen, zu einem stimmigen Album zusammenzufügen?
Ich denke, Stimmung und Style, also wie man bei dem Album drauf war, verbindet die einzelnen Songs mehr, als wenn das Schlagzeug gleich klingt. Anders kann ich es mir selbst nicht erklären!Einen Teil macht auch der Sound der Stimme aus, der bügelt alles zusammen. Dadurch, dass wir alles im selben Studio gemischt haben, hat die Musik außerdem den speziellen Frequenzverlauf von dem Pult bekommen. Im Produktionsprozess behandeln wir aber eigentlich jeden Song für sich und versuchen nicht ein ganzes Album auf einmal zu machen.
Wie setzt ihr die verschiedenen Sounds dann Live um?
Früher, zu den Zeiten von Schick Schock und Magic Life, hatte ich immer Trigger auf der Bass Drum, Snare und Side Snare. Bei dieser Tour wollte ich ein einfaches Set haben. Wenn man einen Clap-Trigger auf der Snare hat und ein Fill spielt, klingt das schrecklich, weil man dann den Clapsound massiv laut dabei hat. Wenn ein bestimmter Sound besonders essentiell ist, gibt es ein Sample und ansonsten belassen wir es bei dem Live-Sound. Das Schlagzeug ist dadurch viel lebendiger, es hat eine viel bessere Dynamik und das Spielen macht zehn Mal so viel Spaß. Für die Tontechniker wäre es natürlich von Vorteil, wenn auf der Bühne kein akustisches Schlagzeug steht und es dadurch leise ist. Dann wären in den Gesangsmikros nicht 17kg Crashbecken drinnen.
Viele der Drummer, die wir interviewen sind nicht nur bei einer Band tätig bzw. müssen bei mehreren verschiedenen Projekten, in Musicals oder im Theater aktiv sein, um über die Runden zu kommen. Du bist ausschließlich bei Bilderbuch aktiv, oder?
Ich habe schon extrem viele verschiedene Sachen gemacht. Vom Kreuzfahrtschiff auf dem ich mehrere Monate in der Coverband gespielt habe, über Loungebands, mit denen ich auf Firmenfeiern gespielt habe, bis zu einer Hip-Hop Backingband und einer Rockband. Ich verfolge dabei keine Religion und sage, ich bin nur Banddrummer oder will nur im Studio arbeiten. Ich würde es nicht per se ausschließen, irgendwann Musicals zu spielen. Ich habe mich aber schon oft gefragt, wie lange mir Musik Spaß machen würde, wenn ich in 17 verschiedenen Projekten spiele? Ich höre gerne Musik, produziere, treffe Musikerfreunde und sehe mir andere Bands an. Das sollte man nicht verlieren und um das muss man kämpfen. Musik ist mir so wichtig, dass ich sie schützen muss und nicht alles annehme und spiele. Manchmal kann ich mir auch vorstellen, einen anderen Job zu haben und Musik als Hobby wirklich zu feiern.
Hattest du schon Phasen, in denen du gemerkt hast, jetzt ist es schwieriger dir andere Musik anzuhören oder auf Konzerte zu gehen?
Ja, wenn ich selbst lange an einem Album arbeite, kann ich das immer weniger. Am Ende interessiert einen überhaupt keine andere Musik mehr. Dann hört man sich das neue Album von Vampire Weekend oder Beyonce an und spürt einfach nichts dabei. Es kommt aber schnell wieder und dann hat man mehr Erfahrung vom eigenen Schaffen und sieht die Musik, die man hört wieder aus einer neuen Perspektive.
Kannst du beschreiben, was sich für dich in den letzten Jahren mit dem Erfolg von Bilderbuch verändert hat?
Alles und nichts. Es ist immer ein Auf und Ab, gerade das Jahr 2014 war etwas surreal. Überall wo wir hingefahren sind, wurden wir als die coole Band aus Wien gesehen. Aber dann kommt das Album danach, wo man ein halbes Jahr im Studio sitzt und überhaupt nichts auf die Reihe bringt. Zu viel Lob ist auch nicht gut, weil man dann das Gefühl hat dem nicht standhalten zu können. Ich denke, man wird reich an Erfahrungen, die viele Leute nicht machen und sich auch nicht vorstellen können. Das kann einem keiner nehmen, auch wenn man alles andere relativ schnell wieder verlieren kann. Ich habe dabei gelernt, dass es vor allem um das Musikmachen geht. Je mehr Spaß es einem macht kreativ zu sein, desto besser wird auch der Output. Es geht darum einen guten Song oder ein gutes Album zu machen, aber nicht nur auf Druck und um die eigene Existenz zu sichern. Die Momente, wenn das erste Mal ein geiler Gesang und ein Backingtrack da sind, ist das noch viel besser, als wenn man vor vielen Leuten auf der Bühne steht. Das ist dann wirklich etwas Neues, während man doch öfters Live spielt.
Wo möchtest du noch gerne hin mit Bilderbuch?
ch denke, die Musik müsste noch mehr am Punkt sein. Ich will mehr Musik machen, die Leute berührt. Das ist meiner Meinung nach die Königsdisziplin.
Fotos: Josef Beyer