Michaela Brezovsky
Die 23-jährige Schlagzeugerin Michaela Brezovsky beherrscht alle Facetten ihres Instruments. Vor kurzem hat sie beim weltweiten Hit Like A Girl-Contest auf sich aufmerksam gemacht und wurde von der Jury aus 126 Teilnehmerinnen auf den zweiten Platz gewählt.
Du hast bereits in jungen Jahren zu deinem Instrument gefunden, wie darf man sich das vorstellen?
Da gibt es eigentlich zwei lustige Geschichten dazu. Die eine ist, dass ich als Sechsjährige mit meiner Familie bei einer Winnetou-Show, mit vielen Kulissen und Pferden und allem Drum und Dran, war. Dort hat es einen Stand für Kinder gegeben, an dem man Pfeil und Bogen kaufen konnte und eben auch Trommeln in bunten Farben mit Fellimitat. Ich habe mit beidem herumgespielt, aber besonders von meiner Trommel ließ ich nicht mehr ab und habe stundenlang darauf herumgeklopft, worauf meine Eltern mich gefragt haben, ob ich denn nicht Schlagzeug lernen möchte. Sie ließen mich viele verschiedene Instrumente ausprobieren, wie zum Beispiel eine Flöte, Klavier und auch eine Geige, welche jedoch schon beim Ausprobieren am Hals wehgetan hat. Das hat mich jedoch alles nicht so interessiert wie die Trommel – also musste es das Schlagzeug sein. Die andere Geschichte ist, dass meine Schwester und ich damals große Fans der Kelly Family waren und mich besonders der damals sehr junge Angelo Kelly, der Schlagzeug gespielt und auch gesungen hat, faszinierte.
Hat man dir dann gleich ein richtiges Set besorgt?
Ja, und zwar ein Pearl Export mit einer – für meine damalige Größe – sehr coolen, aber riesigen 22 Zoll Bassdrum. Ich habe sofort darauf gespielt und bald danach meinen ersten Privatunterricht bei zwei sehr tollen Lehrern, Thomas Schneider und Harald Ganglberger, bekommen. Danach hatte ich jahrelang klassischen Unterricht in der Musikschule, sprich kleine Trommel, Pauken, Xylophon bei Heinz Hartlieb. Er war mein erster Musikschullehrer und ist bis heute wie ein Onkel für mich, der mich auch immer in Schutz genommen hat, da ich damals oft das einzige Mädchen in den Schlagwerk-Ensembles war. Auch später im Musikgymnasium in der Neustiftgasse habe ich mich dann wieder mehr der Klassik gewidmet. Nach einiger Zeit habe ich bemerkt, dass es mich doch nicht so sehr interessiert, vor allem, weil man ständig unter Druck stand und es gab sehr viel Neid, der mich schon immer gestört hat. Das war oft schrecklich beim Vorspielen für eine Stelle im Schulorchester. Wenn es einer von zehn geschafft hat, waren neun beleidigt und haben geglaubt, dass man nur durch Beziehungen genommen wurde. Dabei hat man sich einfach voll reingehängt. Da habe ich mich eben ein bisschen distanziert von der Klassik. In meiner Teenager-Zeit war ich dann parallel bei Gerhard Bergauer, bei dem ich Unterricht am Drumset hatte. Mit der Zeit hat sich immer mehr mein Interesse zum Drumset durchgesetzt – obwohl ich klassische Musik liebe. Aber spielen wollte ich dann doch lieber am Set.
Und dann kam die Entscheidung, Schlagzeug zu studieren?
Genau – ich habe jedoch lange überlegt. Einerseits wusste ich, dass ich eine musikalische Gabe mitbekommen habe und diese nutzen sollte. Andererseits wurde mir über die Jahre, auch durch Erfahrungen meiner älteren Schwester, klar, dass es in der Musikszene beziehungsweise im Musikbusiness nicht nur Sonnenseiten gibt. Die Alternative wäre gewesen, dass ich Tierärztin werde, da ich Tiere liebe und auch seit vielen Jahren Vegetarierin bin und seit einiger Zeit sogar vegan lebe. Aber auch bei diesem Studium habe ich von einigen Schattenseiten gehört und mich schließlich doch für die Musik entschieden. Ich habe dann in Eisenstadt am Joseph-Haydn-Konservatorium bei Richard Filz und Martin Weninger studiert und sowohl Konzertfach als auch Instrumental- und Gesangspädagogik mit dem Hauptfach Jazz- und Popular-Schlagzeug mit Auszeichnung abgeschlossen. Derzeit mache ich noch meinen Bachelor am ipop der Musikuniversität in Wien. Durch das Studieren entsteht ja auch immer ein ziemlicher Druck und man wird dann mit der Zeit leider oft einfach recht verkopft. Da ist es sehr wichtig, viel live zu spielen und vor allem auch auf Sessions zu gehen. Durch das Musizieren mit oft auch fremden Leuten und durch das einfach-drauf-los-Spielen, wird man im Kopf wieder lockerer.
Du hast letztens mit deiner Lockerheit den zweiten Platz beim weltweiten Hit Like A Girl-Contest gewonnen. Wie hast du eigentlich von dem Contest erfahren?
Ich hatte in meinem Abschlussjahr am Konservatorium Martin Weninger als Lehrer. Ich wusste zuerst gar nichts von diesem Wettbewerb. Martin hat mir den Link zur Hit Like A Girl-Page geschickt und ich habe dann ein bisschen recherchiert, mir die Teilnehmerinnen vom letzten Jahr angesehen und war zuerst mal sprachlos – denn die hatten richtig was drauf.
Du spielst in deinem Beitragsvideo ja mehrere Parts und Songs. Wie bist du da bei der Auswahl vorgegangen?
Ich habe ganz lange überlegt und wollte mich nicht nur auf eine Stilistik konzentrieren, sondern verschiedene Seiten von mir zeigen. Mein Vater hat mir einen Tipp gegeben und zu mir gesagt: „Du musst solieren, unbedingt solieren!“ Ich bin eigentlich weniger „die Solistin“, aber die meisten anderen haben auch soliert. Es gehört eben einfach dazu. Ich habe dann auch mit meinem Freund darüber geredet und er kam dann auf die Idee, einen Vamp einzuspielen. Daraufhin habe ich mich zum Computer gesetzt und in Cubase an dem ersten Song ein bisschen herumgebastelt. Das nächste Stück war dann „Island Magic“ von Dave Weckl. Ein Song, den ich auch schon bei meiner Abschlussprüfung gespielt habe und welcher mich schon seit Jahren begeistert. Später habe ich sogar von jemandem das Feedback bekommen, dass mein Schlagzeugspielen ein bisschen einen Weckl-Touch hätte – das hat mich natürlich sehr gefreut.(lacht) Die dritte Nummer war dann „Caught Up“ von Usher, da ich auch ein riesen Aaron Spears-Fan bin und mich seine Licks mit den Dreiergruppierungen immer sehr fasziniert haben, wobei daran vor allem interessant ist, wie er diese, in seinem ganz eigenen Stil, am Set aufteilt. Für das letzte Lied habe ich mir gedacht, dass ich auch zeigen sollte, dass ich gern Schlagzeug spiele und gleichzeitig dazu singe. Da ist die Wahl dann recht kurzfristig auf „Another Day“ von Jamie Lidell gefallen, die ich vorher noch nie gesungen oder gespielt habe. Das war glaube ich einen Tag vor der Aufnahme und ich habe mich hauptsächlich darauf konzentriert, dass ich den Text gut kann. Beim Video habe ich dann dazu gespielt, ohne es im Vorhinein wirklich ausgecheckt zu haben.
Wie lief es dann mit den Aufnahmen ab, wo und wie hast du dein Video eingespielt?
Bei mir zu Hause. Meine Schwester studiert Tontechnik auf der SAE und hat mir dabei geholfen. Ich hab einfach drauf los gespielt, bis nach ein paar Mal einspielen eine recht gute Version dabei war, welche wir dann genommen haben. Ich habe mir einige Videos angesehen und gemerkt, dass manche Teilnehmerinnen großen Wert auf viele Kameraperspektiven gelegt haben. Ich habe mich auf zwei Perspektiven beschränkt und den einen gelungenen Take einfach genommen.
Hast du vonseiten der Jury Feedback bekommen zu deiner Performance?
Von der Jury selbst leider weniger. Ich habe die Preisverleihung via Livestream, mitten in der Nacht, verfolgt und bald darauf einen lieben Gratulations-Anruf vom Hit Like A Girl-Team aus Amerika bekommen. Jedoch habe ich sehr viel und sehr schönes Feedback in unzähligen Kommentaren und Nachrichten zu meinem Video bekommen. Das hat mich sehr gerührt. Vor allem das, dass mich auch sehr viele Außenstehende angeschrieben und gelobt haben.
Wer waren außer Dave Weckl und Aaron Spears noch große Einflüsse für dich?
Natürlich war in gewisser Weise Angelo Kelly ein großer Einfluss, da er gleichzeitig gespielt und gesungen hat. Ansonsten gibt es natürlich unzählige tolle Drummer, wie Peter Erskine, Steve Gadd, Horacio „El Negro“ Hernández, Dave Weckl, Tony Royster Jr., und viele mehr, die mich sehr inspirieren. Und dann gibt es auch sehr viele deutsche Schlagzeuger, wie Jost Nickel, Wolfgang Haffner oder Ralf Gustke. Einer, der mich besonders beeindruckt hat, war Claus Hessler, bei dem ich einmal einen Workshop besucht habe. Bei seiner Art zu solieren, mit dieser Vielzahl an Sounds und diesem wahnsinnig tollen Gefühl, welches er beim Spielen übermittelt, könnte man sagen, dass man fast in eine Art Traumwelt versinkt. Unter anderem bin ich ein riesen Fan von Cora Coleman-Dunham, über die ich auch gerade in meiner Bachelorarbeit schreibe. Von ihr gibt es ein ganz besonders cooles Video, „Mind In Seven“, in welchem mich besonders ihr lockeres Spielen über diesen ungeraden Song begeistert. Auch Emmanuelle Caplette ist ein Wahnsinn, vor allem ihre Freude und ihre Ausstrahlung beim Spielen. Aber auch die österreichische Szene hat großartige Musiker.
Wie würdest du deinen eigenen Zugang und Stil beschreiben?
Ich habe immer viel Wert darauf gelegt, dass mein Spiel zur Musik und zum Musikstil passt. Ich bleibe meistens lieber dezent und musikdienlich, als dass ich mich in den Vordergrund dränge, an einer unpassenden Stelle ausbreche und im schlimmsten Fall ein Kollege durch eine rhythmische Verschiebung irritiert wird. Natürlich darf man sich nicht nur zurückhalten, sonst geht man auch irgendwann unter. Aber ich bin eher keine brachiale Schlagzeugerin und habe mich auch nie auf einen bestimmten Stil festgelegt, sondern immer bewusst viel Verschiedenes ausprobiert und gespielt, was mich auch flexibel bleiben lässt. Ich höre gerne Korn und am nächsten Tag Buena Vista Social Club oder Edvard Grieg – da bin ich ziemlich offen. Im Umgang mit Mitmusikern bin ich auch eher der Kumpeltyp und nicht die Klischeetussi im Minirock, woran manche Leute leider denken, wenn sie Mädels am Schlagzeug sehen.
War das für dich oft ein Thema, dass es nach wie vor wenige weibliche Schlagzeuger gibt und sich das erst in letzter Zeit zu ändern scheint?
In den letzten Jahren hat sich viel geändert und es werden stetig mehr Frauen, die Schlagzeug spielen. Jedoch ist das Ganze nach wie vor noch ein bisschen zwiegespalten. Einerseits wirst du von manchen Leuten mit offenen Armen empfangen und sie hören dir zu, ohne sich dabei zu denken: „Boah, da sitzt jetzt ein Mädl am Set!“. Im Gegenzug habe ich auch schon oft genug erlebt, dass einige sichtlich ein Problem damit hatten, dass eine Frau den Takt angibt und die Verantwortung übernimmt, die man am Schlagzeug über das Tempo und über die gesamte Gruppe hat. Auf diese Klischees gehe ich gar nicht mehr ein, denn mir wurde noch nie etwas geschenkt – ich bin auch in schwierigen Zeiten dran geblieben und habe mir alles hart erarbeitet.
Was sind deine Pläne oder Ziele für die nächsten Jahre?
Ich werde jetzt meinen Bachelor fertig machen und dann wahrscheinlich noch das Masterstudium im Herbst dranhängen. Ich möchte sowohl viel spielen, als auch unterrichten. Der Weg dorthin, dass man hauptsächlich vom live Spielen leben kann, ist sehr schwer – und die meisten erfolgreichen Bands sind ja leider schon fix besetzt. (lacht) Aber vielleicht schaffe ich es ja mit einer meiner Bands nach oben, wer weiß. Aber ich würde mir wünschen, dass sich in dieser Richtung in Österreich etwas ändert, denn es gibt für die Pop- und Jazz-Szene kaum Plattformen für professionelle Musiker, durch die man von Hearings und Auditions etwas mitbekommt, um sich auch bewerben zu können. Mir macht das Unterrichten viel Spaß und ich habe glücklicherweise ganz liebe Eltern und eine tolle Schwester, die mich immer unterstützen und sich Zeit nehmen. Jetzt im Sommer stehen einige Aufnahmen mit meiner Band „Oh, I Taste The Queen“ und mit meiner Schwester „Christine Brezovsky“ und einige Gigs mit diesen Bands und auch mit meiner Big Band „JazzLaVie“, an.
Du warst von Anfang an fasziniert vom Trommeln, was macht für dich bis heute das Schlagzeug besonders?
Mich haben immer diese vielen Sounds, die Grooves und die vielen Instrumente, die zum Schlagzeug dazugehören, begeistert. Das Schlagzeug trägt sozusagen die Band. Es ist ein wichtiger Teil – das Fundament eines Songs. Man muss immer dranbleiben und ist der Timekeeper. Diese feinen Nuancen, wenn man laid back spielt, mal ordentlich anschiebt oder mit den Solisten interagiert, sind für mich besonders eindrucksvoll. Manchmal setzte ich mich einfach tagelang hinters Set um bestimmte Dinge auszuchecken. Es gibt immer viel zu tun und so viele schöne neue Sachen zu entdecken, anzuhören und zu verarbeiten – das ist wunderbar. Ich werde demnächst noch einige Videos aufnehmen und ins Netz stellen, denn dies ist in der heutigen Zeit besonders wichtig, wenn man auf sich aufmerksam machen will. Obwohl ich es ja eigentlich nicht gewohnt bin, im Mittelpunkt zu stehen. (lacht)
Interview: Moritz Nowak