Marthyn Jovanovic
Marthyn Jovanovic ist kein gewöhnlicher Schlagzeuglehrer. Als ehemaliger Drummer der Band Belphegor weiß er wie man eine unglaublich schnelle Doublebass spielt und seine Finger locker genug macht, um die schnellsten Single-Strokes rauszuhauen. Wir haben uns mit ihm getroffen und mit ihm über seine Drum-Technique-Academy und den Weg dort hin gesprochen.
von Adam Zehentner
Du hast ja bereits mit 10 Jahren deine erste Snare Drum bekommen und dementsprechend bei der Marschmusik deine ersten Erfahrungen gesammelt. Wann hast du dich den ans Schlagzeug gesetzt und wie kam es dazu, dass du als junger Schlagzeuger bei Belphegor eingestiegen bist?
Ja das stimmt, mit 10 bekam ich die erste kleine Trommel und ich glaube so mit 13 bekam ich mein erstes Drumkit. Aber als Jugendlicher da probt man noch nicht so bewusst. Ich habe immer wieder Unterricht gehabt sporadisch, das ist so nebenbei gelaufen. Bei meinem ersten Gig mit Belphegor war ich schon 22. Das Drummen richtig ernst zu nehmen, also als Karriereweg, den ich einschlagen will, das war erst mit 18.
Das ist aber schon beeindruckend, denn Belphegor ist technisch gesehen sehr anspruchsvoll, ultra-schnelle Blastbeats usw., da fällt schon einiges an Übungszeiten an, in den wenigen Jahren, in denen du beschlossen hast, ernsthaft Schlagzeuger zu werden. Wie bist du das angegangen, war das sehr intensiv?
Da muss ich ehrlich sagen nein, eigentlich nicht. Das war sehr gezieltes Üben für Belphegor. Es gibt ein Buch Talent ist überbewertet (Talent is overrated), dass das, was ich gemacht habe, sehr gut beschreibt. Also ich bin kein Ausnahmetalent, ich bin ein ganz normaler Typ aber in dem Buch geht es um die Besten der Besten und die werden analysiert. Also z.B. beim Golfen Tiger Woods, in der Musik Mozart und viele mehr. Es wird gezeigt, dass man ihren Erfolg auf etwas zurückführen und erklären kann. Einer der Hauptpunkte dabei ist der Punkt des „deliberate practice“. Das ist das Üben, bei dem man Sachen spielt, die einen fordern aber nicht komplett überfordern. Man befindet sich immer in dieser Grauzone, die nicht sehr viel Spaß macht. Normalerweise will man oft die Sachen wiederholen die man schon beherrscht. Beim „deliberate practice“ geht es aber nur um dieses unangenehme Üben, wo man scheitert und scheitert. Wenn man sich möglichst lang in diesem Bereich aufhält, dann ist die Entwicklung am schnellsten. Ich war zu der Zeit vor Belphegor Student und habe für Belphegor damals vor der Uni ein bis maximal eineinhalb Stunden geprobt und das fünfmal die Woche. Das war´s. Dieser Aufwand wirkt natürlich sehr gering, wenn man sich vorstellt, dass danach, mit 22 Jahren, gleich die erste Welttournee kam. Da habe ich natürlich auch sehr viel Glück gehabt. Man muss zur richtigen Zeit, wenn die Band einen Drummer sucht, die richtigen Skills haben. Ich hab da bewusst hin geprobt und ich muss sagen es war gar nicht so schlimm. Was ich damals gelernt habe in dieser Vorbereitung für Belphegor war, wie wichtig Übungspläne sind. Ich habe immer alles mitgeschrieben und das mach ich nach wie vor noch. Und diese Übungseinheiten von damals bildeten das Fundament für meine Online-Kurse.
Du sagtest, dass du während dieser Vorbereitung studiert hast. Dies war aber soweit ich weiß noch nicht dein Schlagzeugstudium. Dieses kam erst nach den ersten zwei Jahren mit Belphegor. Wie war es für dich, dass du zuerst professioneller Musiker warst und danach dein Instrument studiert hast?
Das war irre. Eigentlich war es perfekt, da es eine große Challenge für mich war. Ich habe als außerordentlicher Student angefangen, d.h. sie haben mich zuerst nicht einmal aufgenommen. In unserem Jahrgang waren wir elf Drummer, glaube ich und ich war mit Abstand der schlechteste am Jazz-Kit. Ich hatte einfach noch nie Jazz gespielt und auch bei Latin und Pop war am Anfang noch gar nichts da. Der Vorteil ist, wenn man der Schlechteste ist entwickelt man sich am schnellsten. Die anderen waren teilweise die Kings im Studium und dadurch gelangweilt. Ich selbst konnte aber von jedem was lernen, also auch von den anderen Studenten.
Du hast es bereits angeschnitten, dass du rein Musik-technisch ein wenig anders orientiert warst als die meisten deiner Kollegen dort. Wie war das Studium für dich als Metal-Musiker?
Für mich persönlich als Metaler muss ich sagen hat es mir sehr gut gefallen, weil die Leute dort sehr offen waren. Es war also nicht dieses Ding „ja Metal ist eh nur Sport und hat nichts mit Musik zu tun“. Jedoch war auch ganz klar, wenn ich dort abschließen will, muss ich auch die Standards können und diese sind eben Jazz, Pop, etc. Wie gesagt sie waren sehr offen und ich habe auch das Glück gehabt, einen großartigen Lehrer zu bekommen, den Jörg Mikula. Der hatte einen tollen Ansatz wie er aus einem Metal-Drummer, in kurzer Zeit, einen guten, sicheren Jazz-Drummer macht. Außerdem war der Konrad Schrenk lange Zeit Leiter in meinem Ensemble, der früher für Falco gespielt hat und selber auch ein Album mit Thomas Lang gemacht hat. Der ist da sehr offen und für den ist Doublebass auch kein Fremdwort. Bei meiner Abschlussprüfung habe ich dann sogar eine Metal-Nummer gespielt. Sie waren also schon sehr offen, es war aber, wie gesagt, immer klar, dass ich mich an die Uni anpassen muss und nicht sie sich an mich anpassen wird.
Und nachdem du viel gelernt und viel live gespielt hast wie kam es dazu, dass du dich komplett für das Unterrichten entschieden hast? Warst du immer schon Lehrer und das hat sich nach und nach so ergeben oder war das mehr ein bewusster Prozess?
Mir kommt es so vor als würde ich mein Leben alle zehn Jahre neu starten. Ich will auf keinen Fall, dass mir langweilig wird. In den Jugendjahren, wie bereits gesagt, ging es viel nur darum Schlagzeug zu lernen und sich vorzubereiten. Zwischen 20 und 30 war mein Ziel nur auf Tour zu sein und Alben aufzunehmen und das voll durchzuziehen. Als ich dann Ende zwanzig war, ist mir aufgefallen, dass ich in dieser Band, die es ja schon seit 1993 gab, wie ein Angestellter war. Es war nicht mein Projekt, ich hatte dort nur einen Job zu erfüllen. Ich wollte dann was Eigenes aufbauen und war auch ein wenig müde vom Touren. Ich bin dann in die Richtung unterrichten gegangen und hab das ganz bewusst sehr extrem gemacht. Noch vor meinem 30. Geburtstag habe ich meinen letzten live Gig gespielt und habe auch zu mir gesagt „das ist jetzt mein letzter Gig und danach bin ich zu 100 % Lehrer“.
Hast du zu dieser Zeit bereits unterrichtet oder hast du wirklich bei null angefangen?
Ich habe nebenbei schon ein wenig unterrichtet aber das waren diese klassischen Einzelstunden, die man kennt. Als ich das mit Ende zwanzig alles vorbereitete, wusste ich jedoch, dass diese ganzen Übungsplänen, die ich über die Jahre mitgeschrieben und verfeinert habe, etwas sind, das sinnvoll ist zu veröffentlichen. Ich wollte also nicht einfach als Schlagzeuglehrer an der Musikschule unterrichten, sondern wollte mein eigenes Ding durchziehen. Daraus wurde dann mein erster Online-Kurs „Single Stroke Mastery“.
Mittlerweile hast du verschiedene Formate und Lessons die du anbietest. Es geht aber grundsätzlich immer um Doublebass-Training und Single-Strokes, also mit einer Hand so schnell wie möglich spielen. Hast du da noch andere Sachen im Kopf, die du noch gerne machen oder anbieten würdest?
Das ist ein guter Punkt. Wie du gesagt hast, gibt es diese mehr-wöchigen Kurse zur Fuß- und Handtechnik. Dort ist es so, dass man über mehrere Wochen immer neue Videos freigeschalten bekommt, die natürlich immer schwerer werden. Das dritte Medium, das wir jetzt seit Beginn dieses Jahres haben, ist die Drum-Technique Academy. Diese baut nicht nur auf mir alleine auf. Das Ziel ist die Top Metal-Drummer der Welt zusammenzubringen zu interviewen und dieses Wissen in Videoform online zu stellen. Es gibt dabei einmal pro Woche eine Facebook live-lesson, wo einer der Lehrer unterrichtet und einmal pro Woche gibt es ein neues Technick-Tutorial. Da kann ich schon mal sagen, dass uns da das Material und die Fragen der Schüler nicht so schnell ausgehen wird. Was noch dazu kommt, ist der Coaching Aspekt. Neben den Tutorials, welche die Schüler von uns bekommen, analysieren wir einmal pro Woche Videos, die uns Schüler zusenden, um ihnen auch Feedback zu geben. Die meisten online Tutorials funktionieren eben nicht so gut, weil genau dieser Aspekt fehlt.
Wie wichtig ist für dich dieser Online-Aspekt, war das von Anfang an die Idee, weil du da eine Möglichkeit gesehen hast oder ist das eher zufällig so entstanden?
Für mich war das ganz klar, dass dieses Online-Thema riesig werden wird und deshalb wollte ich auch genau dort starten. Ich habe während der Zeit bei Belphegor bemerkt, dass ich die Leute bzw. Schlagzeuger, die ich auf Tour kennengelernt habe und die fragen an mich hatten, im echten Leben nie erreicht hätte. Ich sah also eine Möglichkeit auch diesen Leuten Wissen perfekt aufgearbeitet zur Verfügung stellen zu können. Was ich aber seit vorigem Jahr anbiete, ist auch ein One-on-One-Coaching bei mir im Drum-Technique-Academy Headquater. Das ist ein Tagescoaching mit mir, wo ich nur die Leute nehme, die ihre Ziele seit Jahren nicht erreichen. Das heißt, ich will nur Problemfälle. Diese Art zu unterrichten macht mich persönlich auch sehr happy. Da hab ich direkten Schülerkontakt und die Schüler sind aus aller Welt. Für dieses persönliche Coaching muss man sich aber bewerben. Da kann sich nicht jeder anmelden, sondern ich suche mir die Schüler aus und nehme entsprechend nur die, die meine Hilfe wirklich dringend benötigen.
Als Nächstes wäre interessant zu wissen, was für Gedanken du dir gemacht hast, als du dein Setup für die Videos ausgewählt hast. Man kann darin sehen, dass du beispielsweise ein Hybrid-Set verwendest.
Hier war eben die erste Frage, ob es ein akustisches Set oder eben ein Hybrid-Set sein soll. Ich habe mich bewusst gegen ein Akustik-Kit entschieden. Der Grund dafür ist, dass ich viele Drummer habe, die in den Videos etwas spielen aber auch nebenbei reden. Mit dem elektrischen Set habe ich die Möglichkeit, dass man einerseits den Sound der Trommel hört und andererseits auch der Lehrende dazu etwas sagen kann, während er spielt.
Wenn wir schon von dem elektronischen Aspekt reden, hätte ich noch eine Frage bzgl. Kick-Drum-Trigger. Es ist ja recht verbreitet bei Metal-Schlagzeuger, dass sie ihre Bass Drum triggern. Wie siehst du das bzw. ist das für dich sinnvoll?
Da muss ich sagen, dass ich beide Seiten, also Leute, die es verwenden und welche die es nicht verwenden, verstehen kann. Wenn es um das Praktikable geht, muss ich sagen, dass viele die bei dieser Diskussion mitreden, selber nicht über 250 BPM Double-Bass spielen. Ich kann dir aus Erfahrung sagen, dass ab einem gewissen Tempo, meistens schon bei 230–240 BPM, wenn du sechzehntel Noten auf einer 22“ Kick Drum spielst, du es nicht mehr schaffen wirst einen klaren Sound, mit einem ordentlichen Attack herauszubekommen. Es ist einfach zu matschig und verliert den Effekt. Ich selber würde es schade finden, wenn live dieser Effekt verloren ginge und finde es dementsprechend in Ordnung, wenn man in diesem Kontext einen Trigger verwendet. Ich kann aber auch die andere Seite verstehen, die sagt, dass es eigentlich eine Trommel ist und man den Sound dementsprechend auch akustisch erzeugen sollte. Ich sehe mich hier wohl in keiner der beiden Richtungen als Hardliner. Das Endprodukt zählt.
Du hast heuer im November deinen ersten physischen Workshop zusammen mit David Diepold und Kerim Lechner gegeben. Was darf man aus dieser Richtung noch erwarten?
Wir werden dort nächstes Jahr wieder weiter machen. Es wird wahrscheinlich zwei Workshops geben. Einer im Mai und der andere wahrscheinlich wieder so um November herum. Bevor wir den vergangenen Workshop gestartet haben, hatten wir uns besprochen und auch ein paar Prämissen festgelegt. Es geht sehr um den Community Gedanken und natürlich um den bestmöglichen Erfolg für die Schüler. Deswegen sind alle drei Lehrer zu jedem Unterrichtszeitpunkt immer da. Dabei gibt es einen Hauptlehrer, während die anderen beiden bei den Schülern sind, die Übungen mitmachen und ggf. eingreifen. Der Coaching-Aspekt ist also auch hier immer gegeben. Das hat sich als äußerst gut für die Schüler ergeben da die Lernergebnisse wirklich hervorragend waren. Außerdem wollten wir das Event auch einfach ein wenig anders gestalten und haben uns noch eine Stretchlimousine gemietet und sind eine Stunde mit allen Schülern durch Wien gefahren. Einen Abend haben wir gemeinsam in der Innenstadt verbracht. Das war großartig. So in der Richtung wollen wir auch die kommenden Workshops wieder gestalten.
DdM Steckbrief:
Lieblingsbeat: Doublebass Patern von MESHUGGAH – Bleed
Lieblingsteil: Das Doppelpedal, egal welches!