Mario Kofler
Vom Studio-Drummer bei Naked Lunch bis zur eigenen Schlagzeugschule. Mario Kofler, unser Drummer des Monats, erzählt uns von seinen ersten Begegnungen mit der Trommel und erklärt uns, wie wichtig das Fundament ist, um wirklich gut Schlagzeug zu spielen.
Von Patrick Tilg
Wie kam es zu deiner ersten Begegnung mit dem Schlagzeug? Hast du, wie man es sich vorstellt, schon als Kleinkind gerne auf sämtliche Gegenstände geklopft oder wie war da dein Zugang?
Wie es im Alpenraum üblich war hat schon mein Vater 20 Jahre bei der Blaskapelle Sellrain getrommelt und ich hab dann sozusagen seine Nachfolge angetreten. Vor allem auch deshalb, weil mir das Schlagzeug bzw. die Trommel immer schon cooler vorkam, als etwa das Tenorhorn. Die Trommel hatte einfach immer schon mehr für mich. Nach einigen Jahren in der Blasmusik war ich damals einer der ersten aus meinem Umfeld, der Schlagzeug Unterricht bei Josef Stiller in der Militärkapelle bekommen hat. Das militärische, marschmäßige ist mir dann aber mit 14 oder 15 Jahren schon ziemlich auf den Hammer gegangen. Viel mehr wollt ich wissen, wie man einen Groove spielt. Duff – Tasch - Duff - Tasch. Bisschen Rock n‘ Roll eben. Nach kurzem Aufenthalt in der Innsbrucker Musikschule, hab ich mich selbstständig weitergebildet indem ich eine Unmenge an Platten gehört hab und versucht hab diese nachzuspielen. Parallel dazu hab ich eine Lehre abgeschlossen, aber eigentlich wollte ich immer nur Musik machen. Kurz nach der Lehre, Anfang der 80er Jahre, bekam ich dann das erste Angebot von einer Profiband. Mit den Nightlights (Top 40 Coverband) hab ich mich dann drei Jahre lang quer durch Europa gespielt. Da gibt es auch noch ganz arge Fotos.
Klingt verdammt spannend! War die Coverband-Welt die deine oder wie ging es dann weiter?
Irgendwie dachte ich mir damals, ich komm einfach nicht weiter, weil ich wenig Zeit hatte für mich selbst zum Üben. Wir standen eben jeden Tag auf einer anderen Bühne. Ich hab mich dann aber doch als einer der wenigen in den 80ern in Tirol dafür entschieden, Jazz Schlagzeug bei Erich Bachträgl zu studieren. Bei einem Anruf meinte er nur: „Heast Oida, kum owa und moch a Aufnahmeprüfung“. Kurz darauf zog ich nach Klagenfurt, wo Erich damals die Jazz-Abteilung leitete und da hab ich dann für zwei Jahre bei ihm studiert. Hauptfach Jazzschlagzeug. Dann kam ein Angebot einer deutschen Band. Wonderland. Woraufhin ich das Studium, solange das Engagement bei der Band anhielt, pausierte. Wir spielten u.a. mit Rex Gildo, Harald Juhnke, oder Roy Black Costa Cordalis. Wir waren sozusagen die Begleitband der Schlagerstars, was tatsächlich schöner war, als es heute vielleicht klingen mag. Bin dann aber bald wieder zurück nach Kärnten, um das Studium abzuschließen. Dort angekommen, hab ich allerdings erstmal spontan einen neuen, ganz anderen Weg eingeschlagen und eine Studentenkneipe eröffnet. Im Windhund veranstaltete ich dann drei Jahre lang sehr viele Jazz Konzerte und versuchte die Jazz Szene in Klagenfurt etwas anzukurbeln. Das Schlagzeugen vermisste ich aber schon bald und nachdem der Windhund seine Türen wieder schloss, wurde ich von den Kärntner Jazzmusikern zum Glück wieder mit offenen Armen empfangen.
Dann war somit der Traum der einen Bar auch abgehackt und du warst dir komplett sicher, dass du Schlagzeug spielen willst. Was kam dann?
Ich bekam parallel zu meinen Jazz Gigs einen Lehrauftrag mit Menschen mit Behinderung zu arbeiten und unterrichtete in Ferlach an der Musikschule und auf einem Gymnasium in Klagenfurt. Nebenbei spielte ich regelmäßig mit Musikern wie Michael Erian, Wolfgang Puschnig, Richie Klammer oder etwa Karl Seier. Es gab durchaus eine wunderbare Jazz Szene, damals in Klagenfurt.
Würdest du dich selbst denn als den klassischen Jazz-Schlagzeuger bezeichnen?
Naja, eigentlich hab ich mich immer als Tanzmusik Schlagzeuger gesehen. Und das tu ich auch heute noch. Das war einerseits ein großer Vorteil, kann aber auch durchaus ein Nachteil sein, wenn man Musik macht. Denn ich bin immer sehr in die Breite gegangen, doch leider nie so sehr in die Tiefe. Ob in Funk-, Rock-, Latin-, Jazz- oder Indie- Bands, ich hab jeweils dort funktioniert, wo es gerade gepasst hat. Als Tanzmusik Schlagzeuger deckt man das im Grunde alles irgendwie ab. Aber meine absolute Leidenschaft liegt eigentlich schon im Jazz, weil er einfach rhythmisch am komplexesten ist.
Bist du dann mehr bei den Jazz Standards oder dem Free Jazz daheim?
Auch da war ich relativ breit gefächert. Aber in Wirklichkeit schon eher diese modern Jazz G’schicht - so ab Bepop. Hab aber auch Free Jazz Gigs gespielt, die ich einfach zugesagt hab. Das war dann aber nicht so meins. Vermutlich kann man Free Jazz nur wirklich gut spielen, wenn man den Fokus vollkommen darauf legt und noch dazu verdammt clever ist.
Nun zu einem ganz anderen Kapitel. Du hast etwas später auch als Studiomusiker bei den österreichischen Indie-Helden Naked Lunch gespielt, die ja seit den 1990ern nicht mehr aus der österreichischen Musiklandschaft wegzudenken sind. Wie kam es dazu?
Genau ja. Ich war sogar bei zwei oder drei Live Shows dabei. Auf dem Album »Songs for the Exhausted« hab ich 4 oder 5 Nummern eingespielt und auf dem Folgealbum auch noch zwei oder drei Nummern. 2005 oder 6 war das. Zirka zur gleichen Zeit hab ich auch mit Herwig Zabernik, besser bekannt als Fuzzman, dem Bassisten von Naked Lunch, zwei Alben eingespielt. Kennengelernt habe ich den Oliver und den Herwig in Klagenfurt. Die Stadt ist ja bekanntlich nicht die größte, da überschneidet sich die Jazz- und Indie-Szene schon mal.
Oh, sehr cool, den kennt man natürlich auch. Gab es dann noch weitere Indie bzw. Popmusik Projekte?
Ja, unter anderem auch für den deutschen Künstler Monta. Ein sehr lässiger Singer/Songwriter (Anm. d. Red.: u.a. Livemusiker von Thees Uhlmann, Clueso und Milky Chance). Seine Platte ist übrigens die, auf die ich am meisten stolz bin. Die Musik wurde unter anderem für den Film »In drei Tagen bist du tot« verwendet. Zum Beispiel läuft im ersten Teil, wo sie auf den Steg rausgeht, eine der Nummern. Ist ein sehr lustiges Gefühl sich in einem Spielfilm Schlagzeug spielen zu hören.
Was war da für dich anders, als du es vom Jazz her kanntest?
Wenn man es gewohnt ist in Big Bands oder Trios vom Blatt, also mit Noten, zu spielen, war es schon sehr spannend, wenn zum Beispiel Oliver Welter einfach mit Worten beschrieben hat wie die Stimmung des Songs sein soll. Da gab es nie Ansagen wie: „Spiel 16-tel auf der Hi-Hat.“ Die einzige Regel die es zu befolgen gab war, dass wenn wer zu mir sagte: „Kofi super!“, man davon ausgehen konnte, dass es nicht wirklich gut war. Bei der Nummer »God« von Naked Lunch beispielsweise hat mir der Oliver gesagt: „Spiel es so, als wärst du in New York City, 35 Grad minus, brennende Tonnen, Ratten laufen einer leeren Dose nach…“
Warum ging die Zeit mit Naked Lunch zu Ende?
Wir haben mit Naked Lunch im Rahmen des Donaufestivals in Korneuburg das Multimedia Projekt »Sperrstunde« gespielt. Inszeniert wurde das Multimedia Kurzfilm-Projekt von Thomas Woschitz, der im Übrigen auch die meisten Musikvideos von Naked Lunch umsetzte. Jedenfalls waren wir da ca. eine Woche in Wien und haben geprobt wie die Wilden. Dort hab ich dann erlebt, wie intensiv Naked Lunch proben. Hab dann auch ein Angebot bekommen, als fixer Drummer bei ihnen einzusteigen. Da mir das zu intensiv gewesen wäre, musste ich dann aber ablehnen, weil ich den Jazz- und die Tanzmusik doch nicht ganz an den Nagel hängen wollte.
Du wolltest also lieber der „Universal-Drummer“ bleiben. Und dann bist du wieder zurück nach Tirol?
Genau ja, hab meine Jugendliebe wiedergetroffen und bin zurück nach Innsbruck. Versuchte dann mich in der Innsbrucker Szene neu zu orientieren und hab bald darauf mit dem wunderbaren, leider schon verstorbenen, Drummer Louis Goldblum entschlossen, die Schlagzeugschule »Rhtyhm and More« zu gründen.
War die eigenen Schlagzeugschule immer ein Traum von dir oder eher ein glücklicher Zufall der sich so ergeben hat?
Naja, meine Lehraufträge in Kärnten musste ich natürlich aufgeben und da ich zwar das Jazz Diplom am Konservatorium gemacht hab, aber kein IGP Lehramt, war es in Innsbruck gar nicht so einfach in Musikschulen einen Platz zu finden. In Kärnten war das lustigerweise nie ein Problem. Aber in Tirol war das anscheinend ein bisschen strikter, was den jungen, studierten Instrumentalpädagogen natürlich zu Gute kam und auch gut so ist. Also entstand das ganze eher aus der Not heraus. Aber es schwang natürlich auch der Aspekt mit, dass man sich irgendwie von einem lang etablierten System löst und man dieses hierarchische Modell nicht benötigt um zu unterrichten.
Spielst du denn auch noch viele Live Gigs oder trifft man dich hauptsächlich in der Drum School?
Natürlich gab und gibt es noch immer die ein oder andere Jazzband bei der ich aushelfe. Da bin ich die sogenannte „Trommelfeuerwehr“ für Hotelgigs und Ähnliches. Dort wird dann ohne vorherige Probe das Standardrepertoire à la Bill Withers abgespielt. Die einzige Band bei der ich zurzeit fixer Bestandteil bin, ist Florian Bramböcks Solo-Projekt. Er ist für mich einer der Topmusiker in Österreich und hat mich eingeladen, ihn bei seinen Konzerten zu begleiten. Aber sonst liegt der Fokus schon bei der Schule. Ich habe dort rund 50 Schülerinnen im Monat.
Gibt es Künstler_innen, die dich ganz besonders geprägt haben?
Also in erster Linie war es wirklich dieser Erich Bachträgl bei dem ich dann studiert habe. Ende der 70er Jahre gab es eine Fernsehsendung mit der ORF-Big Band, wo er mitgespielt hat. Das war auf ORF 2 um 1 Uhr in der Früh. Er hat sich irgendwie abgehoben von der Blaskapelle aus dem Dorf. Aber dann gibt es heute natürlich schon auch viele Schlagzeuger die mich sehr faszinieren. Vor allem die, die relativ unspektakulär spielen. Einer meiner größten Vorbilder ist Steve Gadd. Er ist smart, stilsicher und ist in jedem Stil wirklich daheim. Seine Prämisse ist immer: Song first. Er hat verstanden, dass das Schlagzeug ein Begleitinstrument ist und der Song im Vordergrund stehen soll. Man sollte immer erst auf die Musik hören und einen Beitrag zum Song leisten. Was natürlich keinem immer gelingen kann, aber wenn man mit dieser Einstellung herangeht, schadet das sicher nicht. Es gibt bestimmt auch faszinierende Schlagzeug-Akrobaten, aber das war nie mein Anspruch.
Was sind für dich dann die Grundlagen des Schlagzeugspielens?
Da muss ich Jojo Mayer zitieren. Er wollte immer spielen wie der große Tony Williams, doch dann bemerkte er, dass ohne Fundament nichts geht. Wie der Turm zu Babel. Er hat das Schlagzeugspielen mit Architektur verglichen. Erst hat er das Fundament geübt, dann ist es wieder zusammengebrochen. Dann hat er das Fundament noch breiter geschaffen. Das ambivalente an dieser Sache ist halt, dass man – vor allem als Schlagzeuglehrer - ein Zwischending zwischen den Rudimentals und dem Erlernen von Grooves finden muss, damit die Freude am spielen – vor allem bei den Jüngeren – erhalten bleibt.
Das Fundament von dem du sprichst bringt mich zur nächsten Frage. Heute findet man auf Youtube ja für alles, so auch fürs Drummen, Tutorials ohne Ende. Also Anleitungen zum Schlagzeug spielen. Siehst du das, gerade wenn es darum geht die Grundlagen zu erlernen eher skeptisch oder freust du dich, dass dadurch ein viel breiteres Publikum die Möglichkeit hat verschiedenste Dinge zu erlernen?
Man muss dadurch vermutlich genauer wissen, was man will. Jüngere Musiker müssen einfach ein bisschen aufpassen und versuchen zu differenzieren, ob die vermittelte Technik sinnvoll erscheint. Beispielsweise gibt es Videos in denen es nur darum geht möglichst schnell zu spielen. Das ist sicher mal eine gute Übung, aber es sollte nicht das einzige Ziel sein, sich selbst mit den Drumsticks zu überholen. Ich selbst verwende das für mich sehr gerne. Gerade letztes Wochenende hab ich mir von Joe Porcaro, den Vater von Jeff Porcaro, etwas über simple Bewegungsabläufe angeschaut. Vielleicht sollte man sich also eher die alten Cats ansehen, die einem das Fundament mit auf den Weg geben können.
Wo du gerade davon sprichst, dass das übertrieben schnelle spielen nicht das Ziel sein sollte, komm ich zur Frage, was sollte überhaupt das Ziel sein. Sprich was sollte – etwas allgemeiner – Musik deiner Meinung nach bewirken?
Da möchte ich mich abermals auf Jojo Mayer berufen. Er hat mit seiner Band Nerve geschafft elektronische Beats mit einem live Drumset zu spielen. Das finde ich wirklich sehr spannend und man merkt dabei noch immer, dass er vom Jazz herkommt. Für mich ist es spannender die Älteren aufzuarbeiten, weil das eine Musik ist, die mich berührt. Das wäre vielleicht auch schon die Antwort auf die Frage. Musik soll Emotionen auslösen, soll berühren. Jeder kennt das Gefühl, wenn man beim Musikhören Gänsehaut bekommt. Das kann sogar bei Hansi Hinterseer passieren, auch wenn man ihn sonst vielleicht gar nicht hören würde. Musik kann, bzw. sollte meiner Meinung nach nicht intellektualisiert werden, sondern ist immer Gefühlssache. Auf der anderen Seite kann Musik aber auch ein Transportmittel für gesellschaftspolitische Haltungen sein, wie wir es etwa vom Punk kennen.
Was hörst du zurzeit privat für Musik?
Zurzeit ist eines meiner Lieblingswerke Mahlers Synphonie Nr. 5. Da kann ich am Abend am Balkon sitzen und bin einfach nur unglaublich fasziniert, dass jemand so etwas schreiben bzw. dann auch spielen kann. Bei klassischer Musik kommt dir selbst Jazz oft lächerlich vor.
Hast du selbst auch Erfahrungen mit dem klassischen Schlagwerk?
Leider nur ganz rudimentär. Am Konservatorium war das natürlich Bedingung, aber mein Schlagwerklehrer, Günther Hofbauer benötigte viel Geduld, wenn ich hinten den Pauken und Stabspielen stand. Mein Hauptfach war ja Jazzschlagzeug und er hat zwar probiert es mir nahezubringen, aber es ist damals noch nicht wirklich bei mir angekommen. Wirkliche Hochachtung vor allen Schlagwerkern!
Kommen wir nun wieder zu einem ganz anderen Thema. Bekommst du bei deinen Schülern mit, wie es um die Musikszene im Raum Innsbruck steht? Gibt es spannende Projekte, oder große Schlagzeughoffnungen?
Die gibt es auf jeden Fall. Ich könnte jetzt aber keine Namen nennen. Bei mir in der Drumschool sind ungefähr 50 Prozent Kinder, 20 Prozent Erwachsene, und dann bleiben noch 30 Prozent die wirklich ganz gut unterwegs sind und bei mir ihre Technik verbessern wollen. Und da sind einige sehr spannende Schlagzeuger dabei, die in verschiedensten Bands und Projekten spielen. Um nochmal zurück zum Punk zu kommen. Auch Punk Schlagzeugerinnen, bauen bei mir gerne ihre Grundlagen aus, um der Message ein stärkeres Fundament zu geben und eine größere Unabhängigkeit beim Spielen zu erreichen.
Was würdest du jungen Schlagzeuger_innen gerne mitgeben?
Hört viel Musik und lernt die Basics. Seid geduldig, lernt die Rudiments und bleibt cool dabei.
Und zum Abschluss: Platte, CD, oder Streaming?
Ich war mal ein großer Plattenfan – es hat ja nix andres gegeben! Aber mittlerweile geht es mir vor allem um die Information in der Musik. Ich kann mit einem Kofferradio genauso Musik konsumieren, wie gestreamt – nur gut muss sie sein.
Lieblingsdrumset: Alto Beat
Live zu sehen:
Fr 28.02. u. Sa 29.02. – mit Florian Bramböck, JAZZLAND Wien (Florian Bramböck as & bs, Yvonne Moriel ts & bs, Stephan Costa p, Gösta Müller b & Mario Kofler dm)
Foto: (c) Horst Ebner