Maria Petrova
Du hast vergangenen Dezember mit Madame Baheux den Austrian World Music Award gewonnen, bei dem sich über 150 Projekte beworben haben...
Ja, es war eine super Stimmung und ich habe das Porgy&Bess noch nie so voll gesehen, wie an diesem Final-Abend. Für mich war es natürlich eine Bestätigung – oder besser gesagt, eine Motivation, weiterzuarbeiten. Abgesehen davon ist es eine tolle Plattform, um sich zu präsentieren und zu vernetzen. Alle Bands, die mit uns aufgetreten sind, waren toll und hätten es sich genauso verdient. Für die Jury war es wohl sehr schwer, zwischen solchen Projekten zu entscheiden, von denen alle aus unterschiedlichen Traditionen und Kulturen kommen. Es wurde auch erklärt, welche Faktoren eine Rolle gespielt haben, von der Bühnenpräsenz über die Vermarktung bis zum Zusammenspiel ist vieles mit eingeflossen in diese Entscheidung.
Wie lange spielt ihr bereits in der Formation zusammen?
2010 hatten wir unser erstes Konzert, damals noch in einer anderen Besetzung mit Cello statt Kontrabass. Es war ursprünglich ein Trio und ich habe damals als Gast beim Balkan Fever Festival mitgespielt. Mittlerweile sind wir zu fünft und haben jetzt auch wieder ein Cello dabei. Offiziell gibt es uns unter dem Namen erst seit letztem Jahr, als wir auch die CD veröffentlicht haben und wir beginnen jetzt wieder an neuen Songs zu arbeiten. Außerdem stehen in den nächsten Monaten viele Auftritte an.
Neben diesen Auftritten gehst du auch deinem Abschluss an der Musikuni nach oder?
Genau, obwohl ich eigentlich nie die typische Studentin war – also fertig studieren, um dann in Bands zu spielen – sondern ständig in Projekten beschäftigt. Das hat natürlich seine Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist sicherlich, wenn du täglich fünf, sechs Stunden Zeit hast zum üben und um an deiner Technik zu arbeiten. Da hast du die Möglichkeit, dir etwas aufzubauen, das dir für immer bleibt. Aber andererseits ist es auch gut, früh damit anzufangen, verschiedenes auszuprobieren und draufzukommen, was dich interessiert - also nicht alles zu üben und dann erst zu schauen, was man brauchen kann. Am besten wäre natürlich beides.
Hast du selbst also nie regelmäßig in einem solchen Ausmaß geübt?
Nicht wirklich. Immer wieder ein paar Tage intensiv und dann wieder ein paar Wochen weniger. Eine richtige regelmäßige Übungsdisziplin war aber nie möglich. Nicht weil ich nicht wollte, sondern weil ich so viel zu tun hatte. Aber langsam komme ich dorthin lustigerweise. Ich versuche gerade alles ein bisschen weniger und reduzierter zu machen, mir die Dinge besser einzuteilen. Dadurch habe ich wieder mehr Zeit zum Üben. Derzeit arbeite ich etwa viel an meiner Fußtechnik bei bestimmten Patterns, etwa bei Tumbao. Also dass bestimmte grundlegende Fusspatterns, wie z.B. Tumbao, stabiler werden sodass ich dann alles darüber mit den Händen spielen kann. Außerdem versuche ich, ungerade Rhythmen, die ich schon lange spiele, aus einer anderen Perspektive zu sehen und sie musikalischer zu gestalten. Ich habe diese Rhythmen bis jetzt immer auf die jeweilige Musik bezogen und sie mir so eingeprägt. Richtige Unabhängigkeit ist aber etwas anderes und ich versuche mir deshalb diese Rhythmen so einzuprägen, dass ich sie in jedem Stil musikalisch anwenden und umsetzen kann.
Du spielst auch viel Percussion. Wie bist du das angegangen? Hast du jedes Instrument separat gelernt oder setzt du deine Technik vom Set auf die verschiedenen Instrumente um?
Ich komme vom Schlagzeug und das ist auch das Einzige was ich wirklich gelernt habe. Alles andere habe ich mir eigentlich selbst beigebracht oder eben nur ein paar Einzelstunden genommen. Darbuka habe ich zum Beispiel das erste Mal gespielt, als ich bei der Tschuschenkapelle eingestiegen bin, also vor dreizehn Jahren. Da haben wir eine Darbuka gebraucht und ich hatte damals nur ein Cajon und eine Touristen-Darbuka, also ein Souvenir aus dem Urlaub. (lacht) So habe ich halt mit dieser angefangen und zwei, drei Privatstunden bei Habib Samandi bekommen. Den Rest habe ich einfach mit der Zeit gelernt. Natürlich habe ich am Anfang eine etwas eigenwillige Technik gespielt und versuche nach wie vor, auf die richtige umzulernen. Aber das macht nichts, denn es gibt verschiedene Arten, ein Instrument zu erlernen. Man kann entweder gleich die richtige Technik lernen oder sich vorstellen, wie die Musik klingen soll und durch diese Vorstellung sowie durch Zuhören zur richtigen Technik finden. Das sind unterschiedliche Wege und ich bin bei der Percussion wohl eher den zweiten gegangen.
Wann hat dein Weg mit der Musik begonnen?
Ich glaube, dass ich mit drei, vier Jahren das ein oder andere Kinderlied gesungen habe. Davon gibt es leider keine Aufnahmen mehr. Dann habe ich mit fünf Jahren angefangen, Klavier zu lernen an einer Musikschule in Bulgarien und mit vierzehn habe ich begonnen, Schlagzeug zu spielen. Obwohl ich eigentlich nicht konkret vor hatte, Drumset zu lernen, sondern einfach immer gerne auf allen möglichen Dingen herumgetrommelt habe. Ein entscheidender Moment war dann aber, als ich bei einem Konzert von einer Lieblingsband von mir einen Stick vom Schlagzeuger gefangen habe. Meine Freundin hat mir diesen gleich weggenommen, weil sie damals mit dem Schlagzeugspielen beginnen wollte. Ich bin dann also einfach mit ihr zur Anmeldung an der Musikschule mitgekommen und als uns ihr Lehrer einiges gezeigt hat, bin ich draufgekommen, dass mir das recht leicht fällt und Spaß macht. Also habe ich auch dort begonnen. Das war eine recht spontane Entscheidung, aber drei Monate später hatte ich bereits meine erste Band in der Schule. Es ging also sehr schnell. Auch, weil mein Lehrer mich wirklich gepusht und unterstützt hat. Er hat das sehr interessant gemacht und mir vieles organisiert, von Instrumenten bis zu Auftritten, wie zum Beispiel bei einem Jazzfestival. Obwohl ich damals noch nicht wirklich Jazz spielen konnte. Das war circa drei Monate bevor ich nach Wien gekommen bin.
Hast du durch diese Möglichkeit den Jazz für dich entdeckt und dich für das Studium entschieden?
Ich bin davor bereits oft auf Jazzkonzerte gegangen und am Ende meiner Schulzeit habe ich zufällig bei einem Workshop Christian Mühlbacher kennengelernt, der gerade mit Christoph Cech und Tibor Kövesdi auf Tour war. Das war eine interessante Begegnung, weil ich dann wenige Monate später nach Wien gezogen bin und am Gustav Mahler Konservatorium mein Studium begonnen habe.
Hattest du von Anfang an vor, nach Wien zu gehen?
Ich wusste nur, dass ich aus Bulgarien weg möchte. Ursprünglich wollte ich ja in die USA gehen, aber das war schwer finanzierbar und aufgrund des Visums nicht einfach. Dann ist eben dieses Angebot mit Wien gekommen und diesem Ruf bin ich gefolgt. Ich wusste zwar schon, dass ich etwas mit Schlagzeug machen will, aber es war nicht geplant, dass es zu meinem Beruf wird.
Hattest du damals auch andere Berufsvorstellungen?
Ich konnte mir vorstellen, etwas mit Sprachen zu machen oder auch etwas mit Physik und Mathematik. Das interessiert mich immer noch, aber es ist dann eben das Schlagzeug geworden. Meine Studienlaufbahn war dann viel hin und her zwischen Mahler Konservatorium und der Musik-Uni. Dazwischen war ich auch einmal am Konservatorium bei Walter Grassmann. Jedenfalls habe ich das Mahler Konservatorium abgeschlossen und bin jetzt nach wie vor auf der Uni und will wie gesagt dieses Semester auch da meinen Abschluss machen.
Recht bald nachdem du nach Wien gekommen bist, hast du bei der Wiener Tschuschenkapelle begonnen. Wie war es denn ganz am Anfang für dich in Wien?
Sehr schwer. Es hat mir das soziale Umfeld gefehlt und ich habe kaum Deutsch gesprochen. Außerdem hat mir am Mahler Konservatorium eine gewisse Studien-Infrastruktur gefehlt. Erstens waren die meisten Studenten älter und zweitens ließen die Räumlichkeiten zu wünschen übrig. Ich habe mir am Anfang nur gedacht: Auf welchem Planeten bin ich denn da gelandet?! Es war also schwer, Fuß zu fassen und ich bin echt dankbar, dass es geklappt hat, denn jetzt kann ich gut nachvollziehen, wie sich Leute fühlen müssen, die ohne irgendetwas in ein neues Land kommen. Ich habe Schritt für Schritt Fuß gefasst und mit der Tschuschenkapelle dann auch die erste fixe Band gefunden, bei der es mal leichtere und mal schwerere, aber immer sehr schöne Zeiten gegeben hat.
Für welche Musik hat eigentlich dein Herz geschlagen, als du nach Wien gekommen bist? War das die balkanesische Musik?
Eigentlich überhaupt nicht. Ich habe zwar bereits in Bulgarien sehr viel Volksmusik gehört - bei Hochzeiten und allerlei Festen. Es gibt ja immer noch eine große Tanzkultur bei solchen Anlässen - wobei immer weniger die traditionelle Volksmusik zu hören ist, sondern leider fast überall nur noch die neue bearbeitete – aber ich hätte nie gedacht, dass ich das selber einmal spielen werde. Als ich nach Wien gekommen bin, war ich total auf Max Roach, Buddy Rich und Steve Gadd eingestellt. Aber meine musikalische Perspektive hat sich doch um einiges geändert – auch durch die Tschuschenkapelle. Aber ich bin sehr froh darüber, denn dadurch habe ich die Möglichkeit, beides zu machen und diese Felder auch zu kombinieren. Es hat ja nicht jeder die Möglichkeit, mit solch guten Musikern zusammen zu arbeiten, die selbst aus einem traditionellen Bereich kommen. Ich finde, jede traditionelle Musik sollte von Grund auf verstanden werden und man sollte sie sehr gut kennen, wenn man sie spielt. Es braucht sehr viel Wissen darüber, damit das Gespielte ein Gesicht bekommen kann.
Zählst du da auch das tiefere Wissen über die jeweilige Kultur und deren Geschichte dazu, mit der man sich dabei auseinander setzen sollte?
Auf jeden Fall, denn gerade Volkslieder erzählen über den Alltag und die Probleme. Für mich ist der Klang von Musik oft ähnlich wie die Sprache und das kommt in der Musik zum Tragen, das merkt man ja auch beim Wienerlied. Ich habe in Wien sehr viel über serbische, albanische oder kroatische Musik gelernt. Ich glaube, dadurch dass ich aus Bulgarien komme, haben sich viele Möglichkeiten im ethno-musikalischen Bereich ergeben. Ich habe auch recht bald mit Flamenco begonnen. Im Lauf der Jahre kamen dann auch kolumbianische, kurdische und türkische Musik dazu. Was mir noch ein bisschen fehlt, ist afrikanische Musik und der Latin-Bereich, wo ich mich noch nicht so fit fühle. Es fühlt sich für mich ein bisschen so an, als wäre das noch die fehlende Hälfte, um mir ein Gesamtbild über Groove und Sound zu machen. Ich bin durch mein Auswandern schon ein ziemlich weltoffener Mensch geworden, weil ich hier in Wien sehr viele verschiedene Kulturen kennen gelernt habe. Aber momentan habe ich das Gefühl, dass ich sogar noch weiter gehen könnte. Ich bin am Überlegen, ob ich nicht auch noch wo anders meine Eindrücke sammeln soll.
Interview: Moritz Nowak
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