Lili Kaufmann
Unsere Drummer*in des Monats November’21 ist Lili Kaufmann. Wir haben sie am letzten warmen Herbsttag in einem Café am Wiener Yppenplatz getroffen und uns ein bisschen über die Gegend unterhalten. Außerdem hat sie uns verraten, warum sie nie mit Click spielt, welche Musikprojekte in ihrem Probenkalender stehen und was sie besonders inspiriert.
Von Patrick Tilg
Wir sind hier ja am Yppenplatz, ist das ein Ort, der dich mit seiner Dynamik und Energie inspiriert?
Ja, das ist auf jeden Fall ein integraler Ort für mich. Einerseits, weil meine Proberäume gleich hier ums Eck sind und ich dort drüben wohne und andererseits weil es auch ein konsumfreier Ort ist. Ich hab schon ein Faible für solche Orte, wo man sich einfach hinsetzen und Leute treffen kann. Man kann auch ganz neue Leute kennenlernen. Ich liebe diese Atmosphäre, gerade jetzt im Herbst, wo sich die Blätter verfärben – das ist schon echt was Tolles, was wir da haben. Hoffentlich wird’s nicht noch mehr kommerzialisiert.
Gab es tatsächlich schon mal ein konkretes Beispiel, bei dem du versucht hast, die Stimmung des Yppenplatzes aufzusaugen und dann in einem Rhythmus zu verarbeiten?
Lustig, dass du das fragst – wir haben gerade ein neues Bandprojekt gestartet und da spielt die Story vom allerersten Lied am Yppenplatz. In letzter Zeit kontrolliert die Polizei hier ja extrem oft und spielt sich auf. Darum geht es in diesem Song. Aber ich bin prinzipiell einfach sehr beeinflusst von hier, es ist quasi wie mein Wohnzimmer – wie alle Leute von ihrem Wohnzimmer beeinflusst sind, bin ich es vom Yppenplatz.
Und wenn du gerade nicht hier bist, wie viele Stunden pro Woche sitzt du denn durchschnittlich hinter den Drums?
Das ist sehr sehr unterschiedlich. Mindestens drei Stunden, aber wenn wir dann mehrere Konzerte spielen und dafür auch viel proben, können es auch 10 bis 15 Stunden werden. Alleine üben gehe ich eher selten, da es sich zeitlich auch gar nicht wirklich ausgeht.
Wo war deine erste Berührung mit dem Drumset?
Mir kommt es so vor, als hätte ich immer gespielt. Tatsächlich dürfte es mit sieben Jahren gewesen sein. Also echt schon sehr lange her. Als Kind war ich sehr überdreht und hyperaktiv, deshalb hab ich auch schon mit vier begonnen Leistungssport zu machen. Das war mir dann aber bald zu wenig und dann hab ich begonnen, Schlagzeug zu spielen. Woher die Idee kam, weiß ich gar nicht mehr so genau. Im Waldviertel standen damals aber nicht so viel Instrumente zur Auswahl und so nahm ich bis18 Schlagzeugunterricht in der Musikschule. Und ich war all die Jahre dort die einzige Frau am Schlagzeug.
Wie bist du zur Musik gekommen – kommst du aus einer musikalischen Familie oder hast du über deinen Freundeskreis zur Musik gefunden?
Sie hören schon alle sehr gerne Musik, aber wirklich musikalisch sind sie nicht. Außer mir spielt niemand ein Instrument im engeren Familienumfeld. Doch mein Neffe, der spielt Trompete und hat mittlerweile auch begonnen Steeldrums zu spielen – das gefällt ihm extrem gut.
Sehr geprägt und musikalisch sozialisiert hat mich auf jeden Fall meine Schwester. Die hat vor mir schon in Wien gelebt und mich dann immer wieder mit ihren Freund*innen auf Konzerte oder in Proberäume mitgenommen. Ich weiß noch genau, ein Drummer hatte damals sein komplettes Schlagzeug in einer Box verpackt. Der musste nur die Standtom separat mitnehmen und sonst war alles in dieser einen Box drin. Und der nächste wichtige Punkt in meiner Musikkarriere war das Pink Noise Camp.
Hast du dann nach der Musikschule noch Unterricht genommen oder hauptsächlich in Bands und für dich selbst gespielt und geübt?
Genau ja, da habe ich dann leider auch wieder viel abgebaut. Es ist mir tatsächlich etwas peinlich, wenn ich erzähle, wie lange ich schon spiele. Ich kann schon gut spielen, den Takt halten etc., aber für die vielen Jahre würde man sich vielleicht etwas anderes erwarten. Aber viele Typen verunsichern mich da auch extrem, wenn sie z.B. sagen, wie toll sie es doch finden, dass ich überhaupt Schlagzeug spiele.
Welche Musikprojekte findet man derzeit in deinem Probenkalender?
Also ZINN ist gerade sehr aktuell, da hatten wir in letzter Zeit einige Konzerte. Dann Schapka, mit denen spiele ich jetzt schon seit 9 Jahren. Dann gibt’s noch Potato Beach, das ist so ein kleines Nebenprojekt – übrigens das einzige, bei dem ich auch mit Cis-Männern zusammenspiele. Das sind mal die drei Projekte, die auch in meiner Instagram-Bio stehen und dann gibt es da noch ein paar kleinere Projekte und Jams mit Freund*innen, von denen ich noch nicht so viel erzählen kann.
Welche Musiker*innen inspirieren dich bei deinen Grooves am meisten?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Prinzipiell mag ich es eher catchy und einfach. Wer mich schon sehr beeinflusst hat, waren alle Musiker*innen aus dem Pink Noise Umfeld. Wirklich alle die da dabei waren bzw. sind haben mich sehr geprägt. Eine große Heldin von mir ist auch Nandi Bushell, die ist maximal 12 und spielt extrem gut – das musst du dir anschauen! Aber natürlich auch meine Freund*innen. Ich hab großes Glück viele tolle Leute in meinem Umfeld zu haben. Etwa Dora De Goederen von den Dives, die mit mir auch bei Schapka spielt oder Theresa Adamski. Natürlich könnte ich jetzt auch Namen wie Dave Grohl nennen, es gibt extrem gute männliche Schlagzeuger, aber ich selbst kann mich halt nicht wirklich mit einem männlichen Schlagzeuger identifizieren. Denn dorthin zu kommen, wo ich jetzt bin, war sowohl eine Ermächtigung als auch ein bisschen ein Kampf, eben aufgrund dessen wie ich aussehe.
Spielst du live mit Click (Metronom) oder lieber ganz fei?
Nein, ich spiele nie mit Click. Sogar mein Kickpattern variiert immer wieder mal. Das tolle am Schlagzeugspielen ist auch dieses groovige Element. Dass du dich so einfühlen kannst und wirklich im Moment Akzente setzen kannst. Einfach mal ein Fill reinhauen, wenn es mir gerade vorkommt oder manchmal auch nur ganz monoton einen Groove dahinspielen, je nachdem wie ich es gerade fühle – das liebe ich. Beim Lied »Soma 451« von ZINN improvisiere ich z.B. einfach immer nur drüber, da gibt es gar kein fixes Pattern.
Und im Studio, legst du da viel Wert auf spezielle Stimmungen oder besondere Kessel oder benutzt du einfach was du gerade vorfindest?
Also ich bin nicht so extrem nerdy, was Soundtüffteleien betrifft. Natürlich sollte die Stimmung der Kessel im Studio passen und die Snare an die Songs anzupassen, macht auch Spaß. Aber ich beschäftige mich nicht ein halbes Jahr mit speziellen Sounds und Effekten. Als wir mit Wolfgang Möstl im Studio waren haben wir schon viel ausprobiert, aber da gibt es sicher viele Leute, die sich viel mehr damit beschäftigen. Ich spiel z.B. auch extrem gerne mit anderen Drumsets, wenn wir live unterwegs sind.
Gibt es am Drumset ein Teil, das du besonders liebst?
Ich liebe die Toms! Am liebsten spiele ich mit drei Toms, denn da kann ich dann auch melodiös spielen. Also zwei Toms find ich immer ein bisschen schade. Aber dann gibt es da noch ein kleines Splashbecken, das lieb ich auch sehr. Vor kurzem hab ich mir neue Becken von „Istanbul“ gekauft, die sind genauso super. Also wie du siehst, kann ich mich nicht wirklich entscheiden. Das ist doch schön, das Schlagzeug sollte man bestenfalls ja auch gemeinsam denken.
Ja, also ich glaub ich verwende die Toms schon sehr viel, im Vergleich mit anderen Drummer*innen im Indie-Bereich.
Soviel ich weiß, spielst du in deinen Projekten ein recht konventionelles Set. Spielen elektronische Beats und Samples bei deinem Schlagzeugspielen also keine große Rolle?
Es kommt bis jetzt noch gar nicht vor, also aktuell verwende ich keine Samples oder dergleichen. Aber es gibt schon viele elektronische Beats, die mich sehr beeinflussen. Elektronische Musik spielt schon eine wichtige Rolle für mich. Früher habe ich recht viel Hardtech und Goa gehört, das mach ich jetzt nicht mehr so viel. Aktuelle find ich Hyperpop ganz spannend. Alles was irgendwie weird oder schnell ist, mag ich. Tom Wu find ich bspw. auch sehr genial. Der vermischt akustische und elektronische Sounds. Bis jetzt bin ich leider nicht wirklich dazu gekommen mich ausführlich damit auseinanderzusetzen, aber ich will es nicht ausschließen und finde es schon sehr spannend.
Zukunftsmusik also – was steht bei dir in den nächsten Monaten an?
Mit ZINN schreiben wir Lieder für das zweite Album. Davon soll dann Anfang 2022 schon was rauskommen. Mit Schapka kommt bald was Neues raus, ein Cover von Just Friends and Lovers. Damit sind wir dann auf dem 10-Jahre Jubiläums-Tape Just Friends and Covers drauf. Das ist so der aktuelle Plan. Und nächstes Jahr stehen dann auch wieder einige Konzerte an.
Was würdest du jungen Drummer*innen mit auf den Weg geben?
Sehr viel Geduld und gesellschaftliche Veränderung. Und ich wünsche ihnen ganz viele Safespaces und ganz wenige Dudes, die sie nach ihren Gigs komisch kommentieren. Etwa, wie sehr sie nicht nach Meg White klingen. Außerdem hoffe ich, dass sie ernst genommen werden und dass sie sich trauen, Schlagzeug zu spielen, denn es gibt noch immer voll die Hemmungsschwelle.
Fotos: (c) Anna Zehetgruber
