Jakob Herber
Der Drummer des Monats Juni ist niemand geringerer als Jakob Herber von der österreichischen New Wave Band FLUT. Im Interview erzählte er uns von seinen musikalischen Idolen, von seinen Arbeiten als Produzent und was zeitgenössische Popmusik mit Marcel Duchamps Ready Mades gemeinsam haben könnte.
Von Patrick Tilg
Die meisten kennen dich ja vermutlich als Drummer der Band FLUT – gibt es aktuell auch noch andere Projekte, die du am Laufen hast?
Jakob: In letzter Zeit produzier ich viel für und mit anderen Artists, momentan arbeite ich mit Anger an einem Album und mische gemeinsam mit einem jungen Dude,der wahnsinnig guten Emo-Rap macht seine Debüt-EP, bin also viel mit Studioarbeit beschäftigt und komme ganz wenig zum Schlagzeugspielen.
Du gibst in der Band ja nicht nur den Takt an, sondern bist auch maßgeblich für das Sounddesign bei FLUT verantwortlich. Wie kam es dazu? War es dir zu wenig bloß die Drumsticks zu schwingen?
Jakob: Schlagzeugspielen und Musik am Computer mach ich beides schon lange, auch schon bevor ich zu FLUT gestoßen bin. Ich hab mit 13 begonnen, Songs auf der Gitarre zu schreiben und am Familiencomputer im Wohnzimmer aufzunehmen. Als ich dann einen Laptop mit Musikprogramm bekam,hab ich immer mehr und mehr Zeit damit verbracht, mich mit elektronischer Musik auseinanderzusetzen. Bei FLUT halten wir unsere jeweiligen Rollen auf den Instrumenten lediglich live ein, beim Lieder schreiben und aufnehmen haben wir das irgendwann aufgelöst und den kreativen Prozess vollkommen geöffnet – mittlerweile spielen wir da alle alles vorm Laptop ein.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Band Culk?
Jakob: Unser Flut-Manager,hatte die Band früh auf dem Schirm und mir gezeigt – wir fanden das beide superspannend, also hab ich michmit den Leuten von Culk getroffen und wir haben uns super verstanden. Wir haben zuerst eine Single gemeinsam aufgenommen um zu sehen, wie das so funktionieren kann. Das ist dann so gut gelaufen, dass wir letzten Sommer eine Woche lang bei brütender Hitze in unserem Proberaum in Oberösterreich gecampt und ihr Album aufgenommen haben.
Der Fokus bei Backbeat liegt ja bei den Beats: Hast du einen Lieblingsgroove? Wenn ja, kannst du ihn kurz beschreiben oder gibt es einen Song, in dem er vorkommt?
Jakob: Ich glaub, da muss ich ganz langweilig sein und sagen, dass das für mich der Billie Jean-Beat ist. Da kann man nichts mehr wegnehmen und nix dazugeben, den erkennt jeder/jede ab der ersten Viertelnote. Große Eye-Opener in der Art wie ich Groove verstehe, waren für mich die Beats von Questlove und J Dilla am Voodoo-Album von D’Angelo und alles von Kraftwerk.
Ja, der Billie Jean-Beat war natürlich bahnbrechend für alles,was nachher kam!
Eine Frage, die jeden schon zum Hals raushängt, aber doch oft sehr spannend sein kann: Wer sind deine größten musikalischen Vorbilder?
Jakob: Ganz oben auf meiner Liste stehen auf jeden Fall George Daniel, Drummer und Producer von The 1975 und Reinhold Heil, der bei Spliff Keyboards gespielt hat, unter anderem Nena produziert hat und den ich letzten Sommer sogar kennenlernen durfte – das hat mich wahnsinnig verunsichert. Als mir unser Keyboarder Manuel Haruomi Hosono gezeigt hat, hat das meine musikalische Welt auch ziemlich erschüttert. Mein Alltime Favourite ist Tom Waits und, auch wenn das ein alter Hut ist, sobald Brian Eno irgendwo die Finger im Spiel hat, wirds auch schnell mal spannend. Ich find die Frage super, da kann man sich schön schamlos profilieren!
Auf das Treffen mit Reinhold Heil bin ich fast ein bisschen neidisch, da ich selbst eine sehr intensive Spliff-Phase hatte. Cosa Rosa inklusive!
Wie kam es dazu – er lebt und arbeitet ja schon recht lange in den Staaten oder?
Jakob: Das war letzten Sommer im Rahmen der Red Bull Music Academy in Berlin, im Bewerbungsbogen musste man sich Wunsch-Lecturer aussuchen, ich hab den Reinhold Heil hingeschrieben und dann haben sie ihn wirklich geholt – die Lecture kann man auf Youtube anschauen! Ursprünglich war sogar geplant, Herwig Mitteregger auch dazuzunehmen, das hat allerdings terminlich nicht geklappt. Cosa Rosa find ich auch megagut! Unheimlich traurig, dass die Rosa Precht so früh verstorben ist.
Das stimmt, ja… Gibt es neben den internationalen Idolen auch österreichische Künstler_innen die in deinen Playlist auf- und ablaufen?
Jakob: Ich hör verhältnismäßig sehr wenig österreichische Musik. Mavi Phoenix find ich von Song zu Song besser, in die My Ugly Clementine-Single musste ich ein bisschen reinkommen, jetzt läuft die aber gern öfter mal. Was Bilderbuch in den letzten Alben gemacht haben,find ich auch sehr interessant und 5K HD haben mich auch ziemlich auf dem kalten Fuß erwischt mit ihrer letzten Single. Großer Wandl-Fan bin ich!
Mit der Ugly Clementines Single geht es mir gleich – bin schon gespannt auf die nächsten Songs.
Jakob: Ich auch unheimlich!
Hier gehts zum BACKBEAT Interview mit My Ugly Clementine!
Warst du schon immer Musiker oder musstest du erst durch eine andersartige Ausbildung um deine Berufung herauszufinden?
Jakob: Ich hab nie ernsthaft darüber nachgedacht, irgendwas anderes zu machen, das würde einfach nicht funktionieren.
Noch ein Klassiker: Studio oder Live?
Jakob: Beide fesch, ich möcht keines missen.
Findest du, dass sich Bands bei Live-Shows nahe am Arrangement und Sound der Platte halten sollten oder dürfen Bands deiner Meinung nach live auch mal eine abweichende Version der Songs spielen und z.B. die Gitarren-Soli etwas länger halten als auf der Aufnahme?
Jakob: Ich find‘s fast immer fein,wenn man live die Musik noch einmal in einem neuen Licht präsentiert bekommt. Das trägt zwar immer ein gewisses Risiko mit sich,aber meistens schaut dabei schon ein Mehrwert raus. Ich kenn das auch selbst! Weil wir bei FLUT kaum als komplette Band im Proberaum schreiben, spielen wir die Songs oft das erste Mal gemeinsam nachdem wir sie schon aufgenommen haben. Wenn man die dann als Band im Proberaum oder das erste Mal live spielt,zeigen Songs oft ganz neue Facetten, auf die man dann natürlich auch eingehen will.
Deine schlechteste Live-Erfahrung?
Jakob: Das ist tatsächlich gleichzeitig eine meiner liebsten Live-Geschichten: Wir haben mit FLUT 2015 zu viert – ohne Sebi, dafür mit Manuel an Synths und Gitarre zugleich – auf einem Fest in Linz gespielt. Wir waren die erste Band, keiner hat uns auf die Bühne geschickt, wir wussten zwar dass wir seit einer halben Stunde spielen hätten sollen,aber weil unserer Meinung nach noch nicht genug Leute da waren,haben wir dann viel zu spät angefangen. Nach 7 Minuten auf der Bühne kam dann natürlich die Durchsage von den Technikern: ein Song noch, dann müssen wir aufhören – worauf wir eine auf 15 Minuten ausgedehnte Progrock-Version eines unserer ältesten Songs gespielt haben und gegangen sind.
Klingt nach einer gelungenen Show!
Da ich mich in letzter Zeit viel mit Nostalgie und dem Retro-Phänomen beschäftigt habe finde ich eure Neigung zu den 80er Jahren besonders interessant. Wo siehst du – wo du gerade von Progrock sprichst – das progressive Moment in eurer Musik? Also geht es euch mehr darum neue Sounds zu schöpfen und euch dabei von diversen Vorbildern inspirieren zu lassen oder geht es euch viel eher darum verborgene und vergessene Sound-Ästhetiken zurück zu holen?
Hier geht’s zum BACKBEAT Artikel: Nostalgie und die österreichische Popmusik
Jakob: Für uns ist das auch ein Spiel mit Objekten und dem Kontext, in dem sie stehen. Wir waren neugierig, was passiert wenn man einen 80er-Song ins Jahr 2016 stellt, wie ein Found Object, also zum Beispiel Duchamps Fountain, das Pissoir im Museum – von da haben wir uns weiterbewegt. Was immer geblieben ist war aber unsere Neugier darauf, was passiert wenn man musikalische Elemente irgendwo verwendet, wo sie eigentlich nicht „hingehören“
Verstehe… Ja, Re-Kontextualisierungen sind schon eine sehr spannende Sache – bin auch sehr gespannt wo deine bzw. eure musikalische Reise als nächstes hingeht!
Wir kommen leider schon zum Ende: Was wünschst du dir für die 20er Jahre? Also ganz egal ob mit der Band, privat oder global.
Jakob: Ich würd eigentlich gern weniger kaufen und wegschmeißen, weniger Fleisch essen und über Geld nachdenken, und mehr mit dem Rad fahren und mehrprotestieren gehen.
Da sollten wir uns wohl alle eine Scheibe abschneiden!
Vielen Dank für das schöne Interview und alles Gute für die Zukunft!
Foto: Beatrix Mutschler