Dora de Goederen
Dora De Goederen sorgt gemeinsam mit ihrer Band „DIVES“ derzeit für Furore in der Österreichischen Musik. Da sie gefühlt in jedem Satz wichtige und interessante Dinge von sich gibt, tut sich unsere Autorin schwer, eine kurze und knackige Ankündigung zu schreiben. Deshalb lest am besten selbst.
Bei euch ist ja gerade ziemlich viel los. Ihr habt vor Franz Ferdinand und Bilderbuch gespielt und seid bei dem FM4 Amadeus Award unter die letzten fünf gekommen. Hattet ihr das erwartet?
Nein, überhaupt nicht, also die letzten drei großen Gigs mit Franz Ferdinand und Bilderbuch waren total spontan und unerwartet. Genauso war es mit den Amadeus Awards. Wir müssen uns jetzt alle ein bisschen darum kümmern, drüber zu reden und zu schauen was das eigentlich mit uns oder mit der Band macht.
Was hast du für ein Gefühl, was es mit dir macht?
Es ist natürlich der Wahnsinn, was wir für positive Reaktionen bekommen und das freut uns natürlich sehr. Ich spiele aber lieber in kleineren Locations, wo es persönlicher ist und mehr um uns selber geht. Bei so fetten Supportshows ist es wahnsinnig stressig, da ist ein großer Druck, auch während des Spielens. Man sieht die Leute nicht und die, die man sieht, geben einem nicht das Gefühl, dass es ihnen gefällt, auch wenn wir danach total positive Rückmeldungen bekommen. Wir sind immer noch Teil unserer kleinen Underdog-Szene und das finde ich sehr gut so. Ich habe keine Lust, da so schnell rauszukommen. Ich glaube es ist sehr wichtig, sich immer sicher zu sein, dass das, was wir da machen das ist, was wir machen wollen und nicht das, wovon wir glauben, dass es gut ankommt.
Wie hast du überhaupt Schlagzeugspielen gelernt?
Schlagzeugspielen habe ich ungefähr mit 11 Jahren angefangen. Ich habe eine um fünf Jahre ältere Schwester und sie hat damals zu spielen begonnen. Ich fand das super cool und dachte, ich möchte das auch machen. Wir spielen beide immer noch Schlagzeug und sind immer noch beim selben Lehrer wie damals. Bei ihm sind wir sehr frei darin zu entscheiden, was wir lernen wollen. Dadurch, dass ich damals nicht in einer Band gespielt habe, fand ich nur Bum-Tsack zuhause alleine zu üben langweilig. Ich habe eher lateinamerikanische Rhythmen, Jazz und Swing cool gefunden.
Ich finde, du hast einen recht ungewöhnlichen Stil. Glaubst du das kommt, weil du eher diese Sachen gespielt hast?
Ich finde ein Schlagzeug hat sehr viel mehr Möglichkeiten zu bieten als einen durchgehenden geraden Beat. Das kann zwar auch voll cool sein, aber ich finde es spannender damit zu spielen die Erwartungen zu brechen, zu schauen, was da eigentlich geht. Nur weil ich kein Saiteninstrument spiele, habe ich trotzdem die Möglichkeit eine Melodie zu erschaffen, eine Harmonie zu brechen oder zu unterstützen. Bei unserem ersten Song, Shrimp, spiele ich noch einen klassischen Rhythmus mit Hi-Hat, Snaredrum und Bassdrum. Nur im Übergang zum Refrain kommt eine kleine Melodie rein, wo ich mit der Gitarre und dem Bass mitspiele. Das ist passiert, als ich nicht versucht habe, das zu machen, wovon ich mir gedacht habe, dass Schlagzeugerinnen das in einer Band machen sollten. Da habe ich einfach gemacht, was ich wollte.
Wie habt ihr überhaupt zusammengefunden?
Wir haben uns am Pink Noise Girls Rock Camp kennengelernt. Das ist eine feministische Musik- und Bandprojektwoche für junge Frauen und Mädchen. Am zweiten Tag haben sich alle in Bands zusammenfinden müssen und da hat es sich ergeben, dass ich mich mit Tamara und Viktoria zusammengetan habe.
Was ist dann an den anderen Tagen am Girls Rock Camp passiert?
Am allerersten Tag gibt es Crashkurse für die Instrumente. Es werden also keine Vorkenntnisse gefordert. Und selbst wenn Teilnehmerinnen Vorkenntnisse haben, wird trotzdem jede auf der Bühne mal ein anderes Instrument spielen, weil die Möglichkeit besteht, alles einmal auszuprobieren. Es existiert dort so eine ermutigende Blase. Alle pushen und ermutigen einen, sich zu trauen und mal darauf zu scheißen, ob man dafür in der Musikschule war oder nicht. Unter der Woche gibt es auch immer wieder Workshops zu verschiedenen musikbezogenen Themen. In den sechs Tagen werden immer Bands gegründet, die jeweils von zwei Bandcoaches betreut werden. Das sind Musikerinnen mit langer Banderfahrung, die dann den Bands zur Seite stehen und mit ihnen im Proberaum sind. Sie sind auch wirklich Coaches in dem Sinne, dass sie den Teilnehmerinnen Mut zusprechen. Es geht bei dem Camp darum, Selbstvertrauen zu schaffen, junge Frauen und Mädchen zu ermutigen sich zu trauen und alte Konventionen und Geschlechterrollen, die sie alle indoktriniert bekommen haben, über Bord zu werfen.
Kannst du vielleicht kurz erklären, warum deshalb keine Männer bzw. Burschen zugelassen sind?
Da geht es einerseits darum Vorbilder zu schaffen. Es hat eine wahnsinnig starke Wirkung, wenn alle, also das gesamte Organisationsteam, Bandcoaches sowie die Personen die Technik machen und Workshops leiten, Frauen sind. Das ist sehr inspirierend, diese ganzen Vorbilder zu haben, die sonst im Musikgeschehen sehr wenig repräsentiert sind. Andererseits ist es wichtig von den Geschlechterrollen befreit zu werden. Diese sind nicht da, weil sie uns von Männern aufgedrückt werden, sondern weil diese angelernt sind und man sich selbst hinein begibt. Es ist zum Beispiel oft so, dass alle aus einer neuformierten Band singen oder Gitarre spielen wollen. Es findet sich dann zwar eine, die Bass spielen will aber keine von ihnen möchte ans Schlagzeug. Es traut sich niemand. Die Bands kommen dann aber drauf, dass ein Beat schon ganz cool wäre und eine macht es dann doch. Wäre da ein Bursche dabei gewesen, wäre er wahrscheinlich gleich am Schlagzeug gesessen und diese Situation hätte sich niemals ergeben. So bekommen dann alle Mädchen mal die Möglichkeit, am Schlagzeug zu sitzen und zu erkennen, dass sie das eigentlich mögen und auch können.
Du spielst ja auch noch bei der Band „Schapka“ Bass.
Ja, also hauptsächlich Bass. Früher haben wir sehr viel die Instrumente gewechselt, aber es hat sich mittlerweile eher verfestigt. Bei einem Song spiele ich Keyboard, bei einem Schlagzeug. Wir hatten auch zwei Songs, bei denen ich gesungen habe. Bei Schapka ist noch dieser Gedanke: „Wir können auch mal was anderes ausprobieren, durchmixen und uns gegenseitig Sachen auf anderen Instrumenten zeigen.“ Bei den DIVES war das früher auch so, aber es hat sich dann ergeben, dass jede ein fixes Instrument hat. Der Song Roof ist auch noch aus dieser Zeit, da spiele ich Gitarre und singe und Tamara sitzt am Schlagzeug.
Kannst du vielleicht erklären, wie sich das verfestigt hat?
Ja, ich glaube wir haben mit der Zeit so viel Vertrauen aufgebaut, dass wir uns das getraut und uns gegenseitig zugetraut haben. Ich denke, wenn man eine Band gründet und am Anfang schon die Rollen fixiert sind, kommt es vielleicht gar nicht zu diesen großen Freiräumen. So hat es sich zum Beispiel ergeben, dass man spontan eine zweite Stimme zu singen ausprobiert, sich bei einem Song entscheidet mal Gitarre zu spielen oder einfach mal ins Mikro schreit, weil man gerade Bock darauf hat.
Wie ist das bei Schapka entstanden, dass ihr Musik mit Gesellschaftskritik verbindet?
Bei Schapka war das von Anfang da, allein schon der Bandname ist ein Solidaritätsakt gewesen. Schapka hat sich 2012 am Tag der Verurteilung von Pussy Riot gegründet und der Name bedeutet auf russisch Haube, in Assoziation zu den Hauben von Pussy Riot. Die ersten Lieder hatten politische Texte, die sich zum Beispiel gegen Putin oder sexistische russische Grammatik richten. Wir wollen den Leuten über unsere Musik etwas bieten, mit dem sie sich identifizieren können. Es ist auch Entertainment für Leute, die das verstehen und daran vielleicht anknüpfen können. Musik ist bei uns eher Mittel zum Zweck. Im Gegensatz zu DIVES ist es auch nicht so, dass die instrumentalen Teil zuerst da sind, sondern meistens machen wir uns zuerst Gedanken darüber, welche Art von Song wir gerne schreiben wollen, oder was uns gerade aufregt und was wir gerne sagen wollen. Dann kommen erst die Instrumente dazu. Das ist ein sehr anderer Zugang als bei DIVES. Es sind sehr konträre Projekte, was das Songwriting und den Anspruch an einen Song angeht.
Ihr postet als DIVES aber auch politische Dinge auf Facebook. Letztens habt ihr die Leute zum Beispiel aufgefordert zu einer Demo zu gehen.
Ja, wir sind alle politisch interessierte Menschen, wir sind Feministinnen. Natürlich reden wir auch im Proberaum darüber, was gerade so passiert und uns bewegt. Wir wollen uns im Klaren sein, was es bedeutet, dass wir als Frauen auf einer Bühne stehen, und auf welchen Bühnen wir stehen. Wie werden wir gesehen? Oder auch: Was könnte das für ein riesiges Bilderbuch-Publikum, wo der Großteil aus 15-jährigen Mädchen besteht, bedeuten, dass sie vielleicht zum ersten Mal eine Band, die nur aus Frauen besteht, auf der großen Bühne sehen? Ich denke, zu einer Demo aufzurufen, das ist etwas, was jede Band machen könnte und müsste. Gerade wenn man eine gewisse öffentliche Präsenz hat, kann man das natürlich auch ausnützen.
Interview: Mira Achter
Fotos: Nikolaus Ostermann