David Leißer
Du warst dieses Jahr einige Zeit in einer internationalen Red Hot Chili Peppers Tribute-Band tätig. Wie lange warst du damit auf Tour?
Wir waren drei Monate in Brasilien unterwegs, wobei ursprünglich Argentinien auch eingeplant war, aber daraus ist leider nichts geworden. Die erste Show hatten wir allerdings in Paraguay und die hat bereits alles geschlagen. Wir sind um 21 Uhr losgefahren und mitten in der Pampa ist die Radaufhängung gebrochen, woraufhin wir nach acht Stunden die nächste Stadt erreicht haben, um mit einem Leihauto weitere acht Stunden zum Club zu fahren. Dort angekommen, haben wir gleich den Soundcheck machen müssen und nach einigen Minuten hat es geheißen, dass wir schnell fertig sein sollten. Natürlich habe ich gedacht, dass halt der Club bald aufsperrt. Aber der eigentliche Grund war, wie wir am nächsten Tag erfahren haben, dass vor einem Haus hinter dem Backstagebereich zwei Dealer diskutiert haben, wie sie eine Tonne Kokain aufteilen und weitertransportieren sollen und denen hat eben der Lärm nicht getaugt. (lacht) Das war also nicht ganz ungefährlich und stressfrei. Ansonsten haben wir aber einfach viel in allerlei Locations quer durchs Land gespielt. Die Leute sind dort total durchgeknallt, noch dazu, weil es eine sehr große und lebendige Tribute-Band-Szene gibt, die ich von Europa so nicht kenne. Jeden Abend spielen dort in den Clubs Tribute-Bands von Nirvana, Iron Maiden, Beatles, Stones, Oasis und anderen Rockbands. Ich denke, dass das vor allem daher rührt, dass solch große Bands nicht oft nach Brasilien kommen und wenn, dann ist es den meisten aufgrund der immensen Größe des Landes nicht möglich, zu dem einen Konzert zu fahren. Ganz abgesehen von den finanziellen Gründen. Außerdem stehen dort derzeit alle sehr auf Rock, was bei uns in Europa ja eher im Abklingen war in den letzten Jahren. Es war natürlich für viele dort auch sehr interessant, dass da jetzt ein Typ aus Europa kommt und für sie spielt.
Wie genau hast du die Sachen von Chad Smith übernommen und dich vorbereitet?
Unser Sänger wollte das schon recht genau nachgespielt haben. Er selbst hat sich ja sogar jeden einzelnen Move von Anthony Kiedis einstudiert. Ich habe aber jetzt nicht jedes einzelne Fill auswendig gelernt, noch dazu wo Chad Smith selbst das ja auch nicht immer gleich spielt. Ich habe mir natürlich die Grundbeats angelernt und auch den Vorteil, dass ich in meiner Jugend sehr viel Red Hot Chili Peppers gehört und vor allem das „Blood Sugar Sex Magik“- Album abgefeiert habe. Meine erste Band war auch sehr von dieser Musik beeinflusst, also habe ich mich auch bis zu einem gewissen Grad darauf verlassen, dass ich dieses Feeling sowieso drin habe. Trotzdem war es mir aber wichtig, dass ich auf der Bühne nicht als Chad Smith wahrgenommen werde, sondern immer noch als David Leißer, denn ich glaube, dass man immer man selbst sein sollte. Im Endeffekt habe ich dafür dann auch einiges an Bestätigung bekommen indem mich viele nach den Shows angesprochen und gemeint haben, dass sie mein Spiel wirklich berührt hat und sie mich direkt gespürt haben. Diese Ansagen haben mir sehr viel bedeutet. Jeder braucht solche Momente, in denen man merkt, dass man auf einem guten Weg ist und dass das, was man macht, Sinn ergibt.
Du hast in Folge deines Studiums die Lehrerausbildung am Drummer’s Focus absolviert und diese kurz vor der Tour abgeschlossen. Waren solche Ansätze Teil dieser Ausbildung?
Ich war drei Jahre am Konservatorium und habe dann am Drummer’s Focus studiert. Im Anschluss dann eben die Lehrerausbildung. Dadurch, dass ich damals auch nach Berlin gezogen bin, hat sich das ein bisschen verzögert, aber letztendlich gehören manche Sachen im Leben einfach auch durchgezogen. Ich habe die Lehrerausbildung ja vor allem begonnen, weil mich die Idee dahinter so fasziniert hat. Es macht total viel Sinn für mich, das alles als Lehrer weiterzuvermitteln. Man muss natürlich immer schauen, wie weit ein Schüler einem vertraut und darauf einsteigt. Es gibt auch Schüler, die so etwas gar nicht interessiert, sondern denen es nur um die Technik und um Rudiments geht, das ist von Typ zu Typ verschieden und jeder hat seinen Ansatz. Wir hatten ja am Beginn vor allem Gruppenarbeit, bei der es sehr viel um körperliche Aspekte ging und erst später Einzelunterricht. Aber auf diese Lehrerausbildung muss man sich auch einlassen wollen, da es eben nicht nur um das Spielen selbst geht, sondern auch um die Energie, mit der man das Publikum erreicht. Auf diese Ebene zu kommen, ist nicht leicht, da wir ja in einer totalen Leistungsgesellschaft groß werden, in der oft vorgegeben wird, was man darf, was man muss und wie man etwas machen soll. Dadurch werden oft intuitive Ansätze und eine unverkrampfte Herangehensweise eingeschränkt. Da ist dann viel Körperarbeit und Energetik nötig. Ähnliches kennt man auch vom Kung-Fu oder Shaolin, wo man jahrelang einen Schlag übt. Es geht also im Grunde darum, dass man in einem Schlag quasi hören kann, wer du bist – dieser eine Schlag, der alle erreicht. Da werden dann völlig einfache oder banale Sachen auf einmal mit Energie aufgeladen. Ein Lehrer von mir hat einmal gesagt: Wenn die Energie stimmt, dann kannst du nix falsch spielen.
Könnte man also sagen, dass die Aufgabe des Lehrers primär ist, innere Barrieren oder Schranken bei den Schülern zu durchbrechen? Oft zweifelt man ja noch während man schlägt…
Genau, es geht sogar noch weiter, indem auch körperliche Verspannungen – bedingt durch diese Blockaden – gelöst werden sollten. In gewisser Weise ist das menschliche Macher- und Leistungsdenken ja auch gut, sonst würden wir vielleicht alle noch auf dem Baum hocken. Aber vielleicht ist das ein bisschen zu sehr in den Köpfen drin und behindert dadurch eben das geerdete und ausdrucksvolle Spielen aus dem Bauch heraus. Man kann sich sogar einiges an Unterricht ersparen, wenn man sich mit solchen Dingen auseinandersetzt, zum Beispiel in Form von Feldenkrais oder anderen Praktiken, die darauf abzielen, Bewegungsabläufe so natürlich wie möglich zu machen. Aber je älter du wirst als Musiker, desto entspannter und lockerer wirst du, glaube ich. Es gibt ja sowieso keinen geraden Weg und man nähert sich seinen Zielen immer in Kurven an. Wie etwa beim Üben, wenn du zwischen zu schnell und zu langsam korrigierst, bis du dich beim richtigen Maß einpendelst. Man macht also immer viele Umbruchs-Phasen durch. Im Endeffekt geht es aber nicht darum, ob man vor hunderttausend Leuten in einem Stadion gespielt hat oder vor drei Leuten in einem kleinen Club. Vielmehr geht es darum, wen man damit erreicht und wenn das die drei Leute im Club sind, dann ist das oft mehr wert als wenn man niemanden von den Tausenden im Stadion erreicht oder berührt.
Siehst du dich selbst gerade in einer solchen Umbruchs-Phase?
Ich glaube eher, ich habe permanenten Umbruch. (lacht) Aber ein großer Umbruch war natürlich der Abschluss meiner Lehrerausbildung, bis zu der ich ja auch eine recht lange Entwicklung hinter mir hatte. Der Umzug nach Berlin, wie auch das Zurückkehren, waren natürlich große Einschnitte in meinem Leben, die mit sehr viel Erkenntnis verbunden waren. In einem anderen Sinn befindet man sich als Musiker sowieso häufig im Umbruch, da man oft neue Projekte startet oder sich in neue Richtungen bewegt. Was das Schlagzeugspielen selbst betrifft war die größte Änderung für mich eigentlich der Umstieg von Konservatorium zu Drummer’s Focus. Am Konservatorium habe ich phasenweise fast die Lust am Spielen verloren – was ja eigentlich ein Wahnsinn ist! Durch den neuen Zugang habe ich diese Lust wiedergewonnen. Das soll jetzt aber keine Wertung sein, sondern es war für mich eben das Richtige, für andere wird es wohl umgekehrt sein und sie fühlen sich am Konservatorium wohler.
Sind solche Umbrüche auch dem eher unsicheren Berufsbild geschuldet?
Vom Spielen zu leben ist halt immer ein schweres Unterfangen, weil es das Musikbusiness in Form der Siebziger oder Achtziger heute nicht mehr gibt, so schmerzhaft das auch ist. Klarerweise gibt es noch Leute, die das schaffen, aber da gehört auch dazu muss man auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, das ist natürlich Glückssache. Man muss sich ja auch vor Augen halten, dass eventueller Erfolg von einem auf den anderen Tag vorbei sein kann, wenn sich zum Beispiel eine Band auflöst. Ich habe in meinen zwei Jahren in Berlin recht viele Leute kennengelernt, die gut unterwegs waren und jetzt eben im Kaffeehaus oder in einem Burgerladen arbeiten. Es schaut also vieles auf den ersten Blick sehr schön und toll aus – was es ja durchaus auch ist – aber es gibt immer auch die andere Seite. Man muss sich bewusst sein, wie schnell etwas vorbei sein kann. Dann versteht man auch, wieso Typen wie Mark Schulman so gut auf ihre Jobs aufpassen, denn würde er einmal ausfallen, stehen in LA tausend Neue auf der Matte bereit, die das ebenfalls spielen können.
Aber den Mut verlieren darf man auch nicht.
Gar nicht! Ich denke, man muss eine gute Balance finden zwischen dem Bewusstsein, dass man aus Freude an der Musik begonnen hat zu spielen und dass irgendwann eben der Business-Faktor hinzukommt. Wobei man aufpassen sollte, dass man sich nicht zu sehr im Business verliert und irgendwann womöglich mit der Erkenntnis aufwacht, dass man nur noch Sachen spielt, die einen gar nicht freuen und einem eigentlich schon auf die Nerven gehen.
Ist dir eine solche Erkenntnis selbst schon einmal gekommen?
Eigentlich nicht wirklich, da ich es bis jetzt immer rechtzeitig bemerkt habe, wenn mir etwas nicht gepasst hat. Ich bin aber schon einmal da gesessen und habe mir gedacht, dass ich vielleicht doch mehr unterrichten sollte, um vielleicht manche Jobs nicht spielen zu müssen. Wobei ich das Unterrichten eben in dem Sinn nicht etwa als Notlösung, sondern vielmehr als interessante und schöne wie sinnvolle Aufgabe sehe.
Um auf Brasilien zurückzukommen – wie bist du denn eigentlich zu dem Tribute-Projekt gestoßen?
Die Band war im Grunde das Projekt vom Sänger, der aus Sao Paulo kommt und nennt sich Red Hot Chili Peppers World Tribute. Er bemüht sich eben, immer ein zwei internationale Musiker in der Band zu haben, um das Projekt besser zu verkaufen und mehr Gage zu bekommen. Jedenfalls hat er auf einer Plattform inseriert, als ich gerade in Berlin war. Ich bin also durch Zufall drüber gestolpert über das Inserat und habe mir dabei gedacht: Naja, das ist nicht wirklich mein Traumjob, aber für ein paar Monate wäre ich schon dabei.
Hast du denn einen Traumjob?
Naja, das ändert sich eigentlich ständig. Ich glaube, mein Traumjob ist, musikalisch etwas zu machen, hinter dem ich stehen kann und das mich befriedigt indem ich meine ganze Energie hineinstecke. Aber im Moment gehe ich wie gesagt auch sehr im Unterrichten auf und darin, etwas weitergeben zu können. Ich habe auch vor, mit ADHS-Kindern zu arbeiten, da einige Ansätze beim Schlagzeugunterricht für viele verschiedene Bereiche im Leben sehr förderlich sein können. Aber Traumjob im musikalischen Sinne wäre, coole Musik zu machen, auf die ich stehe und selbst Sachen zu schreiben – also Musik etwas ganzheitlicher zu sehen und zu leben als „nur“ als Schlagzeuger zu agieren.
Was gibt dir in letzter Zeit am meisten Inspiration?
Unter anderem durch meine Zeit in Berlin, habe ich mich sehr für die elektronische Schiene begeistern können. Etwa, wie ein guter DJ Rhythmik einsetzt und es sich auf die Bewegung der Leute auswirkt. Ich bin viel in Clubs gegangen und habe das bewusst beobachtet. Ansonsten kommt viel Inspiation – auch für die Musik – von anderen Bereichen, wie von Büchern oder Körperarbeit. Das rein technische Höher-Schneller-Weiter am Schlagzeug hat mich eigentlich nie wirklich begeistert, obwohl einige Könner auf dieser Ebene bewundernswert sind, aber es war eben nie mein Ding. Von daher bin ich auch ein bisschen davon weggekommen, bestimmte Schlagzeuger besonders auszuchecken, sondern lege die Konzentration mehr auf den eigenen Körper und das entspannte, geerdete Spielen. Dann entsteht auch ein natürliches Timing.
Auf deiner Homepage steht, dass deine erste Schlagzeug-Erfahrung vor dem Fernseher mit deinem Vater war. Weißt du, was oder wen du da spielen gesehen hast?
Ich komme ja aus dem nördlichen Niederösterreich, an der Grenze zu Tschechien und wir haben damals auch tschechisches Fernsehen empfangen. Ich nehme also fast an, dass das eine tschechische Band gewesen sein muss. Jedenfalls hat mich mein Vater vor den Fernseher geholt und mir den Schlagzeuger gezeigt. Mein Vater hat viel Deep Purple oder auch Ostbahn Kurti gehört, von daher wurde mir im Rockbereich schon ein bisschen was vermittelt. Ich selbst habe ja dann mit sieben Jahren angefangen, aber eher blasmusikmäßiges Trommeln. Am Schlagzeug dann erst ab zehn. Wobei ich es eigentlich nicht schlecht finde, wenn Kinder so mit zehn bis zwölf Jahren anfangen, da es häufig ab diesem Alter beginnt, dass sie sich für Bands interessieren. Schlagzeug ist natürlich ein Bandinstrument und daher kommt der Spaß oft erst mit dem gemeinsamen Spielen mit Freunden, in dem Sinn ist das Interesse an Bands nicht unwesentlich.
Interview: Moritz Nowak
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