Danylo Dmyterko
Das neue Jahr dürfte für Danylo Dmyterko ereignisreich werden. Im Sommer schließt der 22-jährige Wiener sein Studium am Berklee College Of Music in Boston ab, um danach nach Los Angeles zu ziehen. Warum es gerade die Stadt der Engel sein soll und wie sich sein Weg dorthin bisher gestaltet hat, erzählt er uns während seines Heimaturlaubs in Wien.
Wie ist dein bisheriges Fazit deiner Zeit in Boston?
Ich bin irrsinnig zufrieden und es ist viel besser als ich es mir erwartet hätte. Das ist mein Fazit. Ich bin wirklich sehr froh, dass ich die Möglichkeit habe, an dieser Schule zu studieren – auch was die Unterstützung meiner Eltern betrifft. Es ist genauso, wie ich es mir erhofft habe: Die Lehrer sind grandios und alle entweder Heroes von mir oder äußerst bekannte Legenden. Ich habe auch das Glück gehabt, dass ich im ersten Jahr durch das Studentenheim, in dem ich gewohnt habe, sehr gute Freunde und Leute kennengelernt habe, mit denen ich jetzt noch sehr viel arbeite. Dadurch habe ich mir auch ein gutes Netzwerk aufbauen können und eine Band mitbegründet: 7th Degree, mit der wir alles was in Berklee möglich ist, geschafft haben: Wir haben am Boston Jazz Festival, bei Privatfeiern von Sponsoren und – was für uns ganz besonders ist – im Berklee Performance Center gespielt, welche die größte öffentliche Bühne der Schule ist. Aber was so schön ist an der Sache ist, dass sich jedes einzelne Mitglied recht gut bewiesen hat in seinem Umfeld und wir dadurch am Campus schon recht bekannt sind.
Wie geht es mit der Band weiter, wenn du kommendes Semester mit dem Studium fertig wirst?
Im nächsten Semester spielen wir auf jeden Fall noch und veröffentlichen eine EP. Danach wird wahrscheinlich eine Hälfte von uns nach New York ziehen und die andere nach Los Angeles. Von der Seite wird es dann also schwieriger, wobei es nie der Plan war, uns außerhalb von Berklee besonders zu etablieren.
Du selbst gehörst dabei der LA-Hälfte an. Was ist für dich der Hauptgrund, nach deinem Studium dorthin ziehen zu wollen? Ist es eher die Musikszene oder die Stadt selbst, die entscheidend war?
Die Stadt selbst nicht, da würde ich New York sofort vorziehen. Aber was ich bis jetzt mitbekommen habe – auch von meinen persönlichen Erfahrungen als Musiker in New York – scheint es, als ob New York musikalisch nicht ganz meine Stadt wäre, weil es doch sehr auf Jazz ausgelegt ist und ich kein Straight-ahead-Typ bin. Was mir erzählt wurde von Leuten, die in beiden Städten professionell unterwegs sind, sind die Möglichkeiten in LA doch größer. Was mir halt auch so gut gefällt ist, dass es in LA eine sehr große Fusion-Szene gibt und das ist der Stil, in dem ich mich am besten fühle.
Gab es für euren Sound ein bestimmtes Vorbild?
Ja und nein. Wir haben einfach alle den gleichen Geschmack. Wir haben nie gesagt, dass wir jetzt genau so oder so klingen müssen, sondern es war immer sehr locker und wir haben darauf geachtet, dass wir möglichst viele Stile in unsere Shows packen. Nicht unbedingt innerhalb einer Nummer, sondern eben zum Beispiel einmal Michael Jacksons Human Nature als Reggae spielen und dann wieder Jazz-, Pop- oder Gospelnummern einbauen. Ein gutes Beispiel ist Breakaway, unsere erste eigene Komposition, bei der recht gut zu hören ist, wo wir stilistisch stehen. Es ist eben eine Art Mischmasch, der mir persönlich sehr gut gefällt.
Du schreibst auf deiner Homepage, dass du willst, dass Leute von deiner Musik und deinem Sound bewegt werden. Welchen Sound hast du dabei im Kopf und welche Musik bewegt dich?
Meine zwei absolut größten Einflüsse und Heroes sind Vinnie Calaiuta und Dave Weckl. Diesen tiefen, offenen und weiten Sound von deren Drumkits idolisiere ich sehr.
Versuchst du das bei deinem eigenen Set soundmäßig auch so umzusetzen?
Ja. Ich versuche meine Toms zum Beispiel möglichst lebendig zu stimmen und nicht so, wie es gerade recht viele machen, dass sie die Toms fast tot stimmen und sie fast wie eine weitere Bassdrum klingen.
Du hast betont, dass dich deine Eltern immer sehr unterstützt haben. Wie war deine musikalische Sozialisation, wenn du daran zurück denkst?
Meine Mutter ist Klavierlehrerin und mein Vater war professioneller Konzertgeiger in der Ukraine, arbeitet jetzt aber als Orthopäde hier in Wien. In meiner Familie gab es eigentlich immer nur entweder Mediziner oder Musiker. Musik war bei uns also immer Thema, aber ich wurde nie in irgendeiner Weise dazu gepusht. Es war nie irgendein Druck vorhanden und bis ich mit dem Schlagzeug begonnen habe, hatte ich auch nie vor, professioneller Musiker zu werden. Mit fünf Jahren habe ich begonnen Klavier zu lernen, aber das hat mir nicht so gefallen. Jedenfalls bin ich aufs Musikgymnasium in der Neustiftgasse gekommen und da musste ich mich für ein Instrument entscheiden. Mein Taufpate war Hoobyschlagzeuger und als Kind habe ich ihn oft spielen gesehen, das hat sich eingebrannt. Außerdem bin ich im 7. Bezirk aufgewachsen und dadurch oft am Drumhouse in der Kirchengasse vorbeigegangen. So habe ich mich dann für das Schlagzeug entschieden und zu meinem elften Geburtstag mein erstes Set bekommen, das war der beste Tag meines Lebens!
Wie sah dann dein Weg vom Musikgymnasium ans Berklee College aus?
Ich habe Unterricht bei Peter Vorhauer gehabt. Er hat mir die Basis gegeben und ist eigentlich der Grund, warum ich es bis nach Berklee geschafft habe. Durch ihn bin ich dann ans Konservatorium, das jetzige MUK, zu Harald Demmer gekommen, nachdem ich mit vierzehn die Vorbereitungsprüfung für klassisches Schlagwerk gespielt habe. Nach zwei Jahren hat es mir aber gereicht, weil es nicht das war was ich machen wollte. Profitiert habe ich aber trotzdem sehr davon. Ich habe dann Unterricht bei Moritz Pedarnig genommen und damals schon gewusst, dass ich gerne in Berklee studieren will. Daraufhin habe ich einfach so viele Lehrer kontaktiert wie möglich, etwa Aaron Thier und Sebastian Lanser, um bei ihnen Stunden zu nehmen und Tipps zu holen. 2013 habe ich die Prüfung für Berklee in München abgelegt und bin aufgenommen worden. Den Studienbeginn habe ich dann aber aufgeschoben, weil ich noch Matura und Zivildienst gemacht habe.
Wie war dann die Umstellung für dich?
Mir ist besonders aufgefallen, wie die Amis den Backbeat spielen. Der ist einfach viel brutaler als ich es davor gelernt hab, was auch daran liegt, dass sie ihn dort fast ausschließlich mit Rimshot spielen. Das war mir am Anfang noch nicht bewusst und so haben mich auf einigen Jamsessions Leute darauf angesprochen, wo denn mein Backbeat sei. Den haben sie nicht gehört, weil ich ihn ohne Rimshot gespielt und einfach nur auf das Fell geschlagen habe. Mir hat dann vor allem JP Bouvet damit geholfen, bei dem ich ein paar Stunden genommen habe. Er hat zu mir gesagt: „Ich weiß, du bist aus Europa, aber wenn du hier spielen willst, musst du einfach lauter spielen.“
Generell oder nur den Backbeat?
Generell, aber vor allem Bassdrum und Snare. Das habe ich mir dann zu Herzen genommen und muss sagen, dass es meinen Sound generell sehr verbessert hat. Ich habe sehr gut leise spielen können, aber sehr schlecht laut und nach dieser Unterrichtsstunde habe ich zwei Wochen lang gezielt geübt, wie ich laut spiele ohne mir wehzutun und ohne die Finesse dabei zu verlieren. Das war eigentlich die wichtigste Weiterentwicklung in meinem Sound.
Du hast dich bei Henrique de Almeida auch intensiv mit der Moeller-Technik auseinandergesetzt.
Henrique de Almeida ist einer der Professoren, mit denen ich am meisten Zeit verbracht habe. Er hat halt ein unglaubliches Portfolio, hat unter anderem mit Alan Dawson, Gary Chaffee und eben auch mit Jim Chapin studiert, den wir alle von drummerworld kennen, wie er die Moeller-Technik vorführt. Was die Schlagzeugkurse in Berklee besonders macht, sind die sogenannten Drum Labs, einstündige Gruppenkurse mit fünf bis zehn Studierenden, bei denen mit einem Professor ein bestimmtes Thema durchgenommen wird – wie zum Beispiel Moeller-Technik. Henrique hat dazu mehrere Bücher geschrieben und sein neuestes gilt quasi als eine Moeller-Bibel. Jedenfalls hat mir sein Drum Lab sehr gefallen und ich wollte das für mich selbst nach dem Semester noch ausbauen. So habe ich über den Sommer 2016 Skype-Unterricht bei ihm genommen, bei dem ich vor jeder Einheit Übungen aufnehmen und ihm schicken musste. Da waren echte Mörderübungen dabei, aber es hat sehr gut funktioniert und ich war am Ende der zweite Schüler, der es geschafft hat das Buch durchzuspielen. Ich finde, dass man diese Technik absolut gut gebrauchen kann. Natürlich nicht für alles, weil das würde aufgrund der verschieden klingenden Schläge nicht immer gut klingen. Aber für gewisse Momente, wo du Ausdauer brauchst oder einfach nur die Schwungbewegung, um die kinetische Energie ausnutzen zu können, zahlt es sich wirklich aus.
Moeller hast du ja sehr intensiv geübt. Wann war bei dir der Punkt, ab dem du richtig intrinsisch motiviert geübt hast am Schlagzeug? Bei vielen kommt das ja erst mit der Zeit …
Also ich habe gleich mit recht viel Aufwand begonnen, als ich bei Peter Vorhauer war. Da habe ich schon von Anfang an so meine eineinhalb bis zwei Stunden täglich geübt. Im Konservatorium war es dann am extremsten, da waren es so zwischen fünf und sieben Stunden täglich. Mir ist aber jetzt in Berklee aufgefallen, dass ich Phasen habe, in denen ich acht bis zehn Stunden üben wollte, es aber nicht viel gebracht hat, weil ich mich dadurch eher erschöpft habe, als irgendetwas erarbeitet. Dann hatte ich Phasen, wo ich einfach ziemlich genau mit einem Timer zwei Stunden geübt habe, jedoch in der Zeit alles genau abgearbeitet habe, was ich mir vorgenommen hatte. Es gab also nicht wirklich den Moment, ab dem ich viel geübt habe, es ist eher graduell mehr geworden. Wobei ich keine wirkliche Routine habe, sondern viel experimentiere. Es bringt auch nichts, sich jeden Tag unbedingt zu pushen, weil jeder Tag anders ist. Bevor ich jetzt vier Stunden verschwende und nix davon hab, lege ich mich lieber zwei Stunden hin und versuche es später noch einmal. Dieses Semester waren es wohl im Durchschnitt vier bis fünf Stunden täglich.
Im Rahmen von Camp Styria in Schladming hast du Drumset-Unterricht für junge Schlagwerk-Lernende gegeben. Welche Vorteile kann man für das Drumset mitnehmen, wenn man auch klassisches Schlagwerk gelernt hat?
Peter Vorhauer, mein erster Lehrer, unterrichtet dort. Vor zwei Jahren hat er mich dann gefragt, ob ich nicht die jüngeren unterrichten und unterstützend betreuen will. Drumset macht den meisten natürlich noch mehr Spaß als das klassische Schlagwerk, von daher hat das immer sehr gut funktioniert und ich hoffe, dass ich trotz meines geplanten Umzugs nach LA wieder dabei sein kann. Was die Vorteile betrifft, habe ich persönlich sehr profitiert von meiner klassischen Ausbildung. Nicht nur was die Technik betrifft, sondern alleine dadurch, dass ich Mallets gelernt habe, ist mein melodisches Verständnis besser geworden. Man bekommt ein sehr gut geschultes Ohr, alleine schon vom Stimmen der Pauken etwa. Das hat mir bei einigen Kursen in Berklee weitergeholfen und definitiv die Disziplin gegeben, dass ich auch weiterhin viel geübt habe. Was die Technik betrifft, lernt man meiner Meinung nach gerade die unteren Dynamikstufen auf der kleinen Trommel sehr gut zu beherrschen.
Du hast auch Andreas Karall, der ebenfalls in Berklee studiert, auf die Aufnameprüfung vorbereitet. Worauf liegt dabei das Hauptaugenmerk?
Ich habe ihm viele Ratschläge gegeben, auf welche Sachen besonders Wert gelegt wird. Zum Beispiel, dass man 12-bar Bluesformen spielen und darüber solieren kann, Songo, Baião und andere Stile, die sie gerne hören möchten. Auch das Blattlesen, was zwar nicht so groß geschrieben wird wie hierzulande, aber trotzdem immer gut kommt, wenn man es beherrscht. Es ist jedoch kein Kriterium, denn es gibt in Berklee auch Leute, die haben davor noch nie Noten gesehen. Es kommt in erster Linie darauf an, wie du als Musiker bist.
Steckbrief:
Lieblingsbecken: Zildjian A Custom EFX Splash 10“
Lieblingsfill: Phil Collins‘ Tom-Fill zu In The Air Tonight
Lieblingsgroove: Halftime Shuffle im Stil von Purdie oder Porcaro und 6/8 Afro Cuban
Interview: Moritz Nowak