Catharina Priemer-Humpel
Unsere Drummerin des Monats im Juli 2022 ist Catharina Priemer-Humpel. Sie ist Schlagzeugerin beim Allstar-Projekt Familie Lässig, hat in den 00er-Jahren in der Band SheSays getrommelt und macht gemeinsam mit Clara Luzia Theatermusik. Im Gespräch hat sie unter anderem verraten, wie spannend es sein kann auch mal leise Schlagzeug zu spielen und welche argen Bühnenerfahrungen sie mit ihrer ersten Punk-Band gemacht hat.
von Patrick Tilg
Als Einstiegsfrage: was bedeutet Drumming für dich?
Für mich persönlich bedeutet es Freiheit. Freiheit, Ausdruck und das Eintauchen in eine andere Welt.
Das Eintauchen in eine andere Welt hat man bei deiner Session auch schön beobachten können – es wirkte, als hättest du dich in eine Art Trance gespielt. Kannst du uns kurz beschreiben, was du bei der Session gespielt hast – war das frei drauflos improvisiert oder hast du dir das vorher ausgecheckt?
Also grundsätzlich versuche möglichst unvorbereitet zu sein, wenn ich ein Solo spiele. Denn immer, wenn ich mir zu viele Parts vorher überlege, die ich dann live irgendwie zusammenstecken möchte, wird das Ganze zu verkopft. Das kann zwar mega gut ausgehen oder aber auch total in die Hose.
Hast du bei deinen Projekten, denn oft die Möglichkeit ein Solo zu spielen? Bei (Indie-)-Pop-Projekten ist da ja meistens kaum Platz dafür.
Ja, das ist eher schwierig, denn vermutlich ist die Zeit des Schlagzeugsolos vorbei. Also einfach mal 15 Minuten ein Solo zu spielen … würde ich schon gerne machen – vielleicht gibt mir das ein oder andere Projekt ja doch noch diesen Raum. Aber bei der Familie Lässig bspw. ,wo ich mit Boris Fiala, Gunkl, Clara Luzia, Manuel Rubey und Gerald Votava zusammenspiele, bekomme ich bei den Konzerten immer einrecht langes Zeitfenster, in dem ich ein Solo spielen kann.
Anfang des Jahres erschien ja das zweite Album »Eine heile Welt« von Familie Lässig, was steht da in nächster Zeit noch an?
Wir waren Anfang des Jahres auf Tour, das machen wir eigentlich immer so und konnten es trotz Corona irgendwie durchziehen – hatten also echt ein Riesenglück! Nur die die zwei Termine in Innsbruck und Dornbirn mussten wir verschieben. Und jetzt haben wir noch ein paar Ausläufer der Tour. Vor zwei Wochen waren wir am Donauinselfest und Anfang Juli stehen auch noch einige Konzerte an.
Sehr fein – endlich wieder live! Wie kam es 2014 zur Gründung des „Allstar-Projekts“ Familie Lässig?
Das war eine lustige Idee: Andreas Fuderer, einer der Besitzer des Stadtsaals hatte damals gemeinsam mit Gerald Votava den Gedanken einen Benefizabend zu veranstalten. Gerald hat dann Manuel Rubey und Kyrre Kvam dazugeholt und Boris Fiala war ja schon lange ein musikalischer Begleiter von Manuel. Die beiden haben damals bei Mondscheiner schon gemeinsam gespielt und waren auch zusammen in der Schule. Dass Boris dabei sein muss, war also auch relativ schnell klar. Gunkl kommt ja selbst auch aus dem Kabarett und war der ideale Bassist. Und ich war damals gerade frisch mit Clara Luzia zusammen und so haben wir den Gerald Votava und Miriam Unger zufällig im Strombad Kritzendorf getroffen. Wir kamen ins Gespräch und bald darauf haben wir gemeinsam geprobt. Es war eigentlich nur ein einziges Benefizkonzert geplant, aber den Leuten hat es dann so gut gefallen, dass sie uns im nächsten Jahr gleich dreimal in den Stadtsaal gebucht haben. Obwohl wir eigentlich nur Covers gespielt haben, wurden immer mehr Konzerte daraus. Infolgedessen mussten wir dann auch öfter proben und so hat sich dann das Projekt Familie Lässig daraus entwickelt. Aber es kommt einfach gut an – die Leute sagen, es ist ein herzlicher Abend voller Liebe und es gibt schon legendäre Momente: z. B. Geralds Version von »Der Mond« am Schluss von den Konzerten oder Element of Crime Lieder, die wir schon seit Jahren spielen. Als Kyrre das Projekt verließ und wir nach einem Jahr dazugekommen sind, dass eine Person fehlt, ist Clara dazugekommen.
Und wer ist bei euch Fan von Die Sterne?
Manuel, Gerald und auch Clara ein bisschen.
Was hast du aktuell noch für Projekte am Start?
Vor kurzem hätte ich ein Konzert mit Luek gespielt, das wurde dann allerdings coronabedingt allerdings leider abgesagt. Und sonst, was sich so ergibt. Wir haben unter der Regie von Sara Ostertag den Zauberberg musikalisch gestalten und dann auch live im Landestheater NÖ spielen dürfen. Wir haben schon einige Sachen mit ihr gemacht.
Im Werk X durftest du ja auch bereits mitwirken?
Genau ja, da hab – auch gemeinsam mit Clara – beim Stück »Konsum«, inszeniert von Bernd Liepold-Mosser komponiert und gespielt. Das war ein konsumkritisches Stück und wir hatten ein sehr schönes Team.
Als Nächstes steht ein Stück im Kosmostheater an. Regie führt wieder Sara Ostertag und im Herbst 2022 ist dann die Premiere. Also heißer Tipp – das wird sicher sehr cool!
Also fühlst du dich ja doch nicht nur in der Pop-Musik wohl. So richtig angefangen hat es ja ein bisschen mit der Band SheSays – was wurde aus dem Projekt?
Das Projekt hat sich schon lange aufgelöst. 2006 haben wir den Amadeus Award gewonnen, 2007 bin ich ausgestiegen und wenn ich mich nicht irre, war es dann 2008 oder 2009 ganz aus mit dem Projekt..
Wo und wie bist du dann musikalisch sozialisiert?
Begonnen hab ich eigentlich mit Punk und ich hab mich lange nicht dafür interessiert leise Schlagzeug zu spielen. Erst mit der Zeit hab ich mir dann das leise Spielen angeeignet, ohne das es im Theater gar nicht gehen würde. Man glaubt nicht, wie leise es dort sein muss. Es wirklich ganz anders! Was im Proberaum kaum hörbar ist, wirkt im Theater gleich mega laut. Aber die Interaktion mit den Schauspieler*innen und die Herangehensweise an ein neues Stück ist sehr spannend. Außerdem kann man auch Sachen ausprobieren, die in anderen Projekten nicht wirklich ausprobiert werden können. Beim ersten Theaterstück, bei dem wir als Musikerinnen dabei waren, haben wir z. B. gejodelt und gesungen. Das war ein Kindertstück im Jungle, auch von Sara Ostertag. Das Spielen im Theater ist ein schöner Kontrast zu den anderen Projekten.
Wo wir bei Kontrasten sind – siehst du dich selbst eher als Studio oder Live-Drummerin?
Beides. Im Studio hast du halt diese Perfektion und den Gedanken, dass es wirklich gut werden muss. Live kann man sich dafür mehr gehen lassen – da kommen noch ganz viele andere Aspekte hinzu.
Was waren deine schönsten Live-Erlebnisse?
Ich kann mich an meine erste Punkband erinnern. Die hieß Pantskirt und mit dabei waren Babl, Satrix und Fr.Prammer. Wir haben z. B. im EKH gespielt und mussten einige Male unsere eigene PA zu den Konzerten mitbringen. Wir sind dort hin, haben alles aufgebaut und es war irgendwie magisch. Ich hatte überall Blasen an den Händen, weil ich so schnell und laut gespielt hab. Die Sängerin Babl hat sich bei einem Sturz die Zähne blutig geschlagen und hat dann einfach weitergesungen und einen Schrei von sich gegeben, der so klang, als würde er von einem Mann mit einer sehr tiefen Stimme kommen. Es war einfach schonungslos und hingebungsvoll, wie ein Tod, den man auf der Bühne stirbt, ein positiver. Diese Erinnerung werde ich nie vergessen.
Das klingt arg.
Ja …
Aber auch an ein ganz besonderes Konzert mit dem Saxofonisten Wolfgang Puschnig erinnere ich mich gerne. Ich hab eine Zeit lang mit ihm zusammen gespielt und eine Freundin hat gefragt, ob wir nicht bei einer privaten Feier in einer Wohnung im 7. Bezirk spielen wollen. Die Polizei ist dann dreimal gekommen und dann mussten wir aufhören. Aber das coole bei Wolfgang Puschnig war, dass die Musik sehr frei war. Es gab Motive, die wiederholt wurden, aber ansonsten war es ein sehr freies Spielen. Ein Einlassen auf die anderen, aber auch auf sich selbst. Wenn man dann gemeinsam reinkommt, ist es wie Kommunikation.
Spielt ihr denn noch gemeinsam?
Nein, das Projekt hatte damals zwei verschiedene Besetzungen und nach ein paar Konzerten hat sich das wieder verlaufen und Wolfgang ist wieder zu nächsten Ufern.
Du hattest bei der Video Session ja eine Cowbell dabei – ist sie dein Lieblings-Percussion-Teil oder gibt es irgendeine Trommel, die du gerne hast?
Also, ich hab meine Lieblingsbecken: mein Zildjian 22“ Kerope Ride mit vintage Sound und von Meindl hab ich fürs Theater so ein ganz flaches Flat Light Ride – das klingt so schön. Eines von den beiden ist immer dabei. Alles andere ist sehr abhängig von Song, Projekt und Raum.
Du führst nebenbei das Kult-Lokal »das Augustin« im 15. Bezirk. Wie geht sich das alles aus – stehen sich die beiden Welten im Weg oder ist es viel mehr ein gegenseitiger Ausgleich?
Das Restaurant und die Liebe zur Gastronomie ist das, was ich von der Familie mitbekommen habe und die Musik ist irgendwie meines. Es ergänzt sich gut und kann zum Glück Hand in Hand gehen. Manchmal ist es zwar ein Balanceakt, weil es durchaus zeitaufwendig sein kann, ein Restaurant zu führen. Bei der Musik hast du denn Vorteil, dass alles mehr oder weniger planbar ist. In der Gastronomie kann jederzeit was passieren und dann muss man meistens sofort darauf reagieren.
Welche aktuellen österreichischen Künstler*innen findet man in deiner Playlist oder Plattenkiste?
Luek finde ich super. Ob Solo, mit Marco Kleebauer oder bei Naked Cameo. Oder auch Florence Arman.
Sonst höre ich hauptsächlich internationale Musik.
Was ist da so dabei?
Aktuell höre ich sehr gerne Meshell Ndegeocello, die liebe ich heiß. Aber ich höre wirklich vieles. Auch Anna Calvi ist ganz wunderbar. Meine Playlist ist aber tatsächlich sehr bunt. Von Radiohead, über Miles Davis bis hin Taylor Swift. Nine Inch Nails sind auch großartig und begleiten mich schon sehr lange.
Gibt es eine Musikrichtung, der du gar nichts abkannst?
Ich weiß gar nicht, wie man das nennt. Aber dieser komische Mainstream-Techno, bei dem meist irgendein alter Hit gecovert wird – das ist nicht so meins.
Was würdest du jungen Schlagzeuger*innen mit auf den Weg geben wollen?
Einfach Freude haben und viel spielen.
Unsere Spezialfrage: Welcher Groove passt für dich zu den folgenden Moods?
Traurig:
Sharon Van Etten »Everytime the Sun Comes Up«
Glücklich:
Das ist für mich ein schneller Punk-Groove, am Becken gespielt. tum-tscha-dagada-tum-tscha. Das geht einfach so dahin – es ist energetisch, beflügelt und laut.
Ambivalent: Shuffle … das muss man auch mögen, ist wirklich ambivalent. Es gibt dennoch wunderbare Shuffle Beats.
Und zum Abschluss: Wie trinkst du deinen Kaffee am liebsten?
Mit kalter Hafermilch und ohne Zucker.
Foto: Jules Stipsits