Andy Winkler
Als Musikschullehrer wurde Andy Winkler jüngst für sein Unterrichtsprojekt Music Production ausgezeichnet. Als erfahrener wie vielseitiger Schlagzeuger spricht der 49-jährige Wiener im Interview über seine berufliche Entwicklung zum Profi, die warmen und kalten Aspekte des Musikerdaseins sowie über die schönen Mühen des Samba.
Du bist gerade ins Schwärmen geraten, welche Energie manche Drummer bei ihrem Spiel entwickeln. Ist das etwas, das deinen Zugang definiert?
Ich finde, dass die Energie das Allerwichtigste ist beim Spielen. Natürlich auch die Technik, aber da kommt es einfach nur darauf an, wie viel du übst. Je mehr du übst, desto genauer bist du. Die Energie ist es aber, die den Unterschied ausmacht – zumindest auf Profilevel. Es gibt Typen, die spielen total sauber und welche, die voll dreckig spielen. Beides ist gut, aber das definiert dann halt auch, wie die Musik klingt. Als Profi muss man natürlich immer voll da sein sein und so gut wie möglich spielen, sonst ist man schnell weg vom Fenster. Wobei man auch sagen muss, dass sich das mit der Zeit verselbstständigt. Das ist beim Unterrichten ähnlich – wenn man gewohnt ist, in einer bestimmten Umgebung immer gut aufgelegt und fokussiert zu sein, dann ist man da immer so, sobald man den Raum betritt. Wenn du immer versuchst, so gut wie möglich zu spielen, dann kannst du irgendwann nicht mehr anders, dann hast du das intus.
Wann hast du diese musikalische Energie für dich entdeckt?
Mein Papa war selbst Schlagzeuger und ich habe mit sechs Jahren eigentlich schon gespielt. Mit acht Jahren habe ich quasi eine Band mit einem Freund gehabt und da haben wir eigene Lieder, wie zum Beispiel „Ich fahre baden nach Baden“ - das war unser Hit damals – und ähnliches gespielt. Mit dem selben Freund habe ich dann aber mit vierzehn eine richtige Band gegründet. Wir haben damals, so wie die meisten, wegen der Mädels angefangen und haben immer auf den Parties unserer Clique gespielt. Das war sehr cool und es hat dadurch auch eine gewisse Ernsthaftigkeit mit sich gebracht, weil man sich natürlich nicht blamieren wollte. Ich bin ja ursprünglich aus Traismauer, einer kleinen Gemeinde. Aber in der gesamten Umgebung hat es viele Musiker und Bands gegeben, darum gab es auch einen regen Austausch, das war für mich irrsinnig leiwand. Die Bands haben auch untereinander konkurriert und mir war es wichtig da nicht schlecht dazustehen. Dadurch war ich motiviert zu üben. So ein Umfeld hat immer großen Einfluss auf die Entwicklung.
Siehst du das als einen Vorteil in ländlicheren Gebieten, dass man sich gegenseitig besser kennt und die Szene überschaubarer ist?
Ja und nein. Aber ja, es kann ein Vorteil sein, wenn es ein Gebiet ist, in dem es einige Musikinteressierte gibt und man sich quasi zusammentun muss. Ich glaube aber, dass das von Region zu Region total unterschiedlich ist. Wenn in deinem Umkreis keine Szene ist, dann hat man in der Großstadt schon viel mehr Möglichkeiten, sich etwas zu suchen. Nachdem ich nach Wien gekommen bin, habe ich ziemlich bald in zehn, fünfzehn Bands gespielt und dadurch viele Leute kennengelernt.
Bist du dann selbst wegen der Musik nach Wien gegangen?
Nein, eigentlich habe ich die HTL gemacht, damit ich Techniker werden kann. Das war ich dann auch und habe gleich einen Job beim Messdienst im ORF bekommen, wegen dem ich nach Wien gekommen bin. Der Job hat sich aber relativ schnell wieder erledigt, nachdem ich die zweijährige Einschulung fertig hatte. Ich habe mir einfach nicht vorstellen können, das 45 Jahre lang routinemäßig zu machen. Das war zwar ein super Job und war gut bezahlt, aber es gab wenig Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Dadurch, dass ich unbedingt wissen wollte, was im „echten“ Leben passiert, habe ich die Sozialakademie gemacht und als Sozialarbeiter in der Bassena am Schöpfwerk begonnen. Das war eine super Zeit und ich habe dabei extrem vieles gelernt, was mir auch heute als Musiker hilft. Erst in dieser Zeit habe ich den Entschluss gefasst, professionell Musik zu machen.
Aber warum kam es dann dennoch zu diesem Entschluss, wenn du so zufrieden warst in deiner neuen Arbeit?
Ich habe immer viel gespielt nebenbei und in dieser Zeit so viele gute Musiker kennengelernt. Der springende Punkt war für mich, wie ich mit Luis Ribeiro und Yta Moreno gespielt habe. Die sind beide so geradlinige Typen und professionell. Wir haben manchmal bis um zwei Uhr in der Nacht Programme geprobt und einmal hat es dann geheißen: „So und jetzt das ganze Programm noch einmal durch!“ (lacht) Dabei waren das Sachen, die wir eh schon etliche Male geprobt haben und nicht nur an diesem Abend. Aber Luis hat gemeint: „Nein, wir haben morgen einen Gig, wir sind Profis und wir machen keine Fehler!“ Das war die Einstellung, die mich dann wirklich vorangebracht und motiviert hat mitzuhalten. Aber das war eine harte Zeit für mich, weil das sind schließlich Brasilianer und ich habe gesehen, wie leiwand der Luis das alles spielen kann. Obwohl man genau weiß, wie es geht, bekommt man dieses Feeling einfach trotz Üben lange nicht so hin. Es hat lange gedauert, bis ich es halbwegs so abliefern habe können, wie die das wollten.
Um mitzuhalten, bist du Profi geworden, wenn man so will?
Ja, also ich habe parallel zur Arbeit bereits am Schubert Konservatorium studiert. Außerdem hat mir eine Arbeitskollegin damals gut zugeredet und gemeint, dass ich immer strahle, wenn ich von Musik rede und sie merkt, dass ich das einfach machen muss. Gleichzeitig ist mir auch der Unterrichtsjob an der Musikschule Vösendorf zugefallen. Das ging damals noch über Empfehlungen statt über Hearings, was ein Glücksfall war für mich und mittlerweile unterrichte ich seit zwanzig Jahren dort.
Wie war für dich dieser Sprung Richtung Profi?
Zwei Jahre war ich am Kons, dann war ich auch die ganze Zeit auf Konzerten und habe immer leiwande Schlagzeuger angehaut, dass sie mir etwas zeigen oder eine Stunde geben. Außerdem bin ich viel auf Jazzseminare gefahren, wie zum Beispiel in Scheibbs. Dadurch, dass man dabei immer wieder neue Lehrer hat, lernt man wahnsinnig viel. Außerdem habe ich viel Bigband gespielt, wo man neben dem Blattlesen auch lernt, konsequent seinen Beat vorzugeben und sich nicht von den vielen anderen Instrumenten, die einen quasi dauernd „sabotieren“, aus dem Fokus bringen zu lassen. So habe ich mir mit der Zeit viel erarbeitet. Ich glaube, dass ich generell am meisten durchs Spielen gelernt habe, also durch die Arbeit mit professionellen Musikern. Einmal hat mir jemand in der Probe gesagt: „Heast, du zählst immer ein und dann spielst' ein anderes Tempo!“ Genau das war super, dass jemand so direkt ist. Da wird einem bewusst, wo man noch Schwächen hat. Man lernt in der Praxis oft mehr als im Unterricht. Ich wollte immer so viel wie möglich spielen und habe allen Projekten zugesagt. Erst seit ein paar Jahren nicht mehr.
Was war der Knackpunkt, dass du nicht mehr alles angenommen hast?
Der Knackpunkt war mein quantitativ stärkstes Jahr. Da war ich 40 Jahre alt und habe 115 Gigs mit 35 verschiedenen Projekten gespielt. Danach war ich dann echt erledigt. Da waren auch Projekte dabei, die viel Vorbereitung gebraucht haben, wie zum Beispiel Musicals, außerdem waren meine Kinder noch klein und unterrichtet habe ich ja auch. Trotzdem hat es mir getaugt, so viel zu spielen. Nur habe ich ab dem Punkt ein bisschen zurückgesteckt und jetzt spiele ich circa 70 Gigs im Jahr und schaue, dass ich für jeden davon noch Zeit und Spaß habe.
Hat sich dieser Zugang auch durch die eigenen Kinder verändert?
Hmm, nein eigentlich nicht. Was ich aber schon dadurch gelernt habe, ist das Zeitmanagement. Mit Kindern ist der Tag halt strikt durchstrukturiert und man nützt auch kleine Zeitfenster viel produktiver. Auch als Lehrer habe ich einen etwas anderen Zugang bekommen durchs Papa sein und gemerkt, dass es nicht unbedingt darum geht, dass jeder ein Profi wird, sondern primär darum, dass die Kinder eine gute Zeit haben im Unterricht und es ihnen Spaß macht. Für mich ist das Unterrichten irgendwie der „warme“ Anteil am Musikersein und das Livespielen der „kalte“. Vom Unterrichten bleibt einfach mehr, es fühlt sich nachhaltiger an. Ich habe Schüler, die seit zehn Jahren bei mir sind und es ist super, zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln.
Erst unlängst wurdest du für dein Musikschulprojekt zum Thema Music Production ausgezeichnet. Wie ist es dazu gekommen, dass du dieses Fach an der Musikschule ins Leben gerufen hast?
Ich habe gemerkt, dass der Computer ein gutes Hilfsmittel beim Komponieren und Arrangieren ist. Besonders wenn man mit Profis zusammenarbeitet, denen man genaue Leadsheets oder fertige Playbacks vorlegen muss und nicht viel Zeit zum Proben hat. Da bin ich dann voll reingekippt und habe dann den Masterlehrgang für Medienkomposition in Krems absolviert. Dabei habe ich auch extrem viel über die ganzheitliche Funktion von Musik gelernt, wie Stimmungen transportiert werden oder was Musik mit Bildern tun kann. Und weil mir das Produzieren mit Ipad und Computer so getaugt hat, habe ich das dann in der Musikschule als Unterrichtsfach angeboten. Da habe ich gemerkt, dass das total am Puls der Zeit ist, Youtube ist ja voll davon.
Du spielst sehr viele Stile und machst in deinem Studio auch Remote Recording für andere Musiker. Inwieweit wechselst du je nach Stil dein Setup?
Ich wechsle schon recht viel, anders geht es bei einigen Stilen auch nicht. Obwohl ich immer sehr viele Sets gekaut und ausprobiert habe, habe ich Moment eigentlich drei Sets, die ich regelmäßig benutze. Ein altes Gretsch Jazzset, mein Allround-Set, ein Yamaha Maple Custom Absolute und ein Sonor Pro Lite, auf dem ich übe und meistens auch aufnehme, wenn es sich vom Sound her ausgeht. Damit kann man schon recht viel abdecken. Aber meiner Meinung nach ist der Snaresound am wichtigsten, der gibt der Musik einen bestimmten Charakter. Deshalb habe ich auch recht viele Snares, um alles abdecken zu können, vor allem für das Remote Recording, wo ich für andere Komponisten ganz unterschiedliche Musik einspiele, also Schlagzeugspuren in meinem Studio aufnehme.
Steckbrief:
Lieblingsgroove: Jazzsamba und 4-on-the-floor.
Lieblingsfill: Us3 – I Got It Goin‘ On
Lieblingsbecken: Alle meine Becken von Bosporus
Weitere Infos zu Andy Winkler:
Interview: Moritz Nowak