Alex Schuster
Seit einigen Monaten arbeitest du an einem neuen Projekt, welches nun bald auf die Bühne kommen soll. Was darf man sich erwarten?
Im Moment arbeite ich recht intensiv an einem Projekt namens Akjela gemeinsam mit meiner Freundin. Sie ist Sängerin, hat Songs geschrieben und eine EP produziert. Wir bemühen uns jetzt darum, ebendiese live umzusetzen. Es sind Songs in oberösterreichischer Mundart und es ist grundsätzlich eine reine Electronic-Platte, dadurch ist natürlich die Hilfe einiger elektronischer Elemente vonnöten, damit das zu zweit auf der Bühne funktionieren kann. Das ist im Grunde eine logische Konsequenz aus dem Verfall der "bisherigen" Musikindustrie, denn du kannst meines Erachtens immer schwerer mit vielen Leuten auf Tour gehen, wenn diese auch adäquat bezahlt werden sollen. Ich meine das aber gar nicht negativ, denn so ein intimes Bandgefüge gefällt mir sehr gut. Das war auch mit meiner Band Julia großartig, als wir uns alle über lange Zeit voll auf uns und unsere Musik fokussiert haben und dadurch etwas gewachsen ist. Jedenfalls ist für mich die Herausforderung bei diesem Projekt, dass ich gleichzeitig Ableton über den Computer bediene und in der anderen Hand Grooves spiele – oft ohne Hi-Hat, was das Ganze vom Timing her herausfordernd macht, da man sich dabei nicht mehr an der Hi-Hat festhalten und orientieren kann.
Hast du dich immer viel mit elektronischer Musik auseinandergesetzt?
Seit einiger Zeit interessiere ich mich verstärkt für Synths und analoge Step-Sequencer, wo ich viel Neues lernen und mir Inspiration holen kann. Wobei ein tolles neues Ridebecken natürlich genauso inspirieren kann. 80 Prozent der Popmusik – unter die ich auch Teile des Jazz einordne – machen für mich Melodie und Lyrics aus. In erster Linie Melodie und Hooks. Ein bisschen anders ist das dann eben bei elektronischer Musik, die mich in letzter Zeit immer mehr gefesselt hat. Da ist wiederum eine Freiheit vorhanden, in der man die eingefahrenen Vers-Chorus-Vers-Strukturen aufbrechen kann. Das finde ich extrem spannend und es ist toll, menschliche Elemente der Musik mit einer gewissen Art von Repetition zu vermengen. Die dänische Band Veto ist ein gutes Beispiel für die Verschmelzung von Rock/Pop-Approaches mit elektronischen Elementen. So kann ich meinen klassischen Schul-Schlagzeuger-Kind-Horizont erweitern. Ich weiß nicht, wie man das jetzt besser ausdrücken soll. (lacht)
Du hattest also von Anfang an Unterricht?
Ja, ich war tatsächlich jahrelang immer in Schulen. Begonnen habe ich in verschiedenen Musikschulen, wo ich immer wieder das Glück hatte, von guten Lehrern unterrichtet zu werden. Mit vierzehn Jahren ging es für einen Lehrgang ans Konservatorium, woraufhin sich die logische Konsequenz ergab, gleich nach der Schule zum Studieren ans Kons zu gehen. Das war auch alles sehr toll, nur bin ich nach einem Jahr dort draufgekommen, dass es nichts für mich ist. Ich wollte nämlich Rockdrumming machen und Jazz war schlichtweg nicht meins. Ich hatte zwar Interesse an der Musik, habe mich selbst aber nie als Jazzdrummer gesehen. Daher bin ich in der Folge nach München gegangen, um am Drummer's Focus zu studieren.
Wie war für dich dann der Umstieg auf den dortigen neuen Ansatz?
Super. Ich war total motiviert und habe jeden Tag acht Stunden geübt in meinem kleinen Kellerabteil. Ab und zu bin ich dazwischen nach Wien gependelt, um Gigs zu spielen, aber ansonsten habe ich nichts anderes gemacht. Dabei ist es für mich eigentlich rein um Technik gegangen und darum, das Handwerk zu beherrschen. Nach einem Jahr bin ich nach Wien zurückgezogen und habe es als Fernstudium weitergeführt – ohne jedoch einen Abschluss zu machen, denn darum ging es mir nicht, sondern vielmehr um das volle Aufnehmen und Verdauen des dort Gelernten. Heute bin ich technisch wohl nicht mehr ganz so fit wie damals, aber in dieser Zeit habe ich mir die Grundlagen drauf geschafft und Single- sowie Doublestroke erst wirklich solide spielen gelernt – das ist immerhin das Wichtigste. Aber wenn irgendwann die Zeit zum Üben knapper wird, dann muss man sich vieles einteilen und darauf achten, was man wirklich braucht und wie man diese Zeit produktiv nützt. Man braucht dann einen Plan und muss erkennen, wo man ansetzen sollte.
Übst du derzeit nach Plan beziehungsweise schaffst du das zeitlich?
Jein. (lacht) Also es ist leider so, dass ich schon länger nicht mehr wirklich einen Plan über mehrere Wochen durchziehen konnte und ich setze mir daher immer eher kurze Ziele bzw. Etappenziele, die mich musikalisch interessieren und die ich selbst gerade gut gebrauchen kann, weil ich gerne zuhause meine eigenen kleinen Tracks mache mit Sequencern und Synths, aus denen ich Parts bastle, über die ich dann meine Grooves legen kann. Mittlerweile ist es ja schon sehr einfach, sich beim Üben aufzunehmen. Man sollte sich aber auch im Klaren drüber sein, dass man die Zeit die man fürs Üben aufgewandt hat, ein weiteres Mal investieren muss, um sich die gespielten Sachen anzuhören und zu reflektieren. Ich höre mir die Sachen also immer noch einmal an, um zu überprüfen ob alles genau passt. Da geht’s natürlich um Mikrotiming und Flow. Schaut man sich die großartigsten Drummer an, dann merkt man, dass diese alles mit letzter Konsequenz durchziehen und bei ihnen jeder Schlag genau gesetzt ist. Das ist das Packende daran.
Bist du gerade viel eingespannt für Gigs?
Ja eigentlich schon und das finde ich auch recht schön, denn irgendwer will immer irgendwas. Dadurch dass ich nur bei Peter Cornelius fix dabei bin, habe ich auch die Freiheit, mir das selbst einzuteilen und zu- oder abzusagen beziehungsweise mir einiges freizuhalten.
Bei Peter Cornelius spielst du jetzt bereits seit einigen Jahren. Wie routiniert und eingespielt läuft da das Zusammenspiel in der Band ab?
Die Band musiziert mit unausgesprochener Selbstverständlichkeit auf hohem Niveau. Ich spiele die Songs wie sie ursprünglich gemeint waren – also nicht unbedingt die Radio-Versionen. Ich kann mich persönlich einbringen und mir die Fills selbst zurechtlegen, solange sie auf der geschmackssicheren Seite sind. Es ist im Grunde eine Art “oldschool” Rockband, wo es darum geht, die Songs derart intus zu haben, dass man wirklich den Song spielt und nicht zum Song. Man muss wissen, wo man als Drummer den Frontman pushen kann und wo man ihm quasi den roten Teppich ausrollen sollte. Das zu spüren und zu wissen, ist herrlich. Das geht eben nur in einer fixen Band, in der man die Songs perfekt kennt. Ich habe dabei sehr viel von Peter gelernt.
Was sind für dich die wichtigsten Aspekte für das Schlagzeugspiel in einem Bandgefüge?
Wenn es darum geht Musik zu spielen, muss es immer grooven. Fills müssen sich im musikalischen Rahmen bewegen, die Vocals unterstützen und selbstverständlich auf dem Punkt sein. Ob diese technisch anspruchsvoll sind oder nicht, ist vielleicht für andere Drummer interessant, für die meisten Zuhörer aber kaum von Belange. Ansonsten ist vieles Geschmackssache – das gilt besonders für mich. Wenn mir eine Musik generell nicht gefällt, dann kann ich mir auch den großartigsten Drummer dazu nicht anhören. Die Musik steht für mich immer drüber. Rush kann ich mir beispielsweise nicht anhören, obwohl Neil Peart ein toller Drummer ist. Aber das ist eben subjektiv. Wenn man versucht, von anderen Schlagzeugern zu lernen, sollte man sich auf jeden Fall immer jene heraussuchen, die einen musikalisch berühren. Egal ob diese technisch extrem weit voraus sind oder einfach allein durch ihren Groove überzeugen. Durch das Hören absorbiert man ungemein viel und dabei spielt es eben eine große Rolle, dass einen die Musik berührt. Ich hatte auch immer Phasen, in denen ich mich in bestimmte Stile eingelebt habe. Eine Zeit lang verbrachte ich beispielsweise fast nur mit 60ies Soul & 70ies Funk, wozu ich hauptsächlich das Buch “The Commandements of R&B Drumming” von ZORO als “Guide” nutzte. Da stehen nur Grooves drin auf die ich mich ein Jahr lang gestürzt habe. Genauso habe ich mich einige Zeit lang dem Metal-Drumming gewidmet, obwohl ich absolut kein ernstzunehmender Metal-Drummer bin. Man sollte immer für alles offen sein, denn alles hat eben seine Zeit im Leben und so auch die verschiedensten Musikstile.
Vor bereits einigen Jahren hast du auch längere Zeit in den USA verbracht.
Ich habe mit dem Gedanken gespielt, eventuell einmal dorthin zu ziehen, hatte aber zum einen nicht das nötige Kleingeld auf der Seite, um es ad hoc machen zu können und zum anderen wollte ich es mir erst genauer anschauen, um klar zu kriegen, ob es überhaupt für mich in Frage kommt. Somit bin ich 2008 und 2009 mit Touristenvisum vier Mal für jeweils drei Monate nach Los Angeles gegangen. Da ich dank meines sieben Jahre älteren Bruders von Kindheit an stark von US-amerikanischer Musik beeinflußt bin, war mir immer klar, dass ich mir das alles irgendwann einmal vor Ort anschauen muss. Mit 30 habe ich dann gedacht: Wenn ich es jetzt nicht mache, dann mache ich es wohl nie.
Hast du dort viel gespielt?
Ich habe innerhalb kürzester Zeit in vielen Clubs am Sunset Strip gespielt und das war natürlich auch ein Realitätsflash, da die tollsten Jahre dort eigentlich schon vorbei sind, es aber immer noch ein immens offenes und multikulturelles Flair hat. Ich habe also viel gespielt, bei einigen Drummern Stunden genommen und war fast jeden Abend unterwegs, um Connections zu bekommen. Geld verdienen durfte ich ja nicht mit meinem Touristenvisum und so habe ich einfach in einigen semi-professionellen Bands gespielt. Aber um von Musik wirklich leben zu können, müsste man sowieso einige Jahre vor Ort bleiben, egal in welcher Stadt. Das sind dann jene Leute, die einen langen Atem haben. Ich für meinen Teil habe mich letztendlich dagegen entschieden, nicht zuletzt weil ich es mir auch einfach nicht leisten konnte bzw. wollte. Aber ganz abgesehen davon bringt es unglaublich viel, für einige Zeit wo anders gewesen zu sein. Es erweitert den eigenen Horizont in jeder Hinsicht und man lernt viel über sich selbst.
Wie hat sich durch dein jetziges Leben als Familienvater dein Musikerleben verändert?
Sehr positiv eigentlich, da ich dadurch gelernt habe, konkret zu sagen, was ich spiele und was nicht. Wenn man Single ist und in der Stadt lebt, dann macht man sehr vieles spontan. Man fährt mal schnell auf eine Session und spielt fast alles ohne lange nachzufragen. Alleine dadurch, dass ich jetzt nicht mehr in der Großstadt lebe, geht sich das für mich nicht mehr aus, worüber ich im Grunde froh bin. Natürlich ist es immer wieder schön, sich zwischendurch mal einfach mit Freunden auf Sessions zu treffen, aber ich habe dafür jetzt umso mehr Struktur in meinem Tun. Meine Zeiteinteilung hat sich verschärft und ich muss die Vormittage und Abende viel mehr nutzen. Das heißt, dass ich auch früher aufstehe und weniger in Verlegenheit komme, stundenlang vorm Computer zu hängen, ohne etwas weiterzubringen. Kurz gesagt, ich gehe produktiver mit meiner Zeit um. Wir haben aber auch eine wunderbare Logistik bei uns zuhause.
Arbeitest du vorwiegend zuhause an deinen Sachen?
Ja, jeder Laptop kann ja quasi ein Studio sein und ich habe über die Jahre mein Equipment so ausgebaut, dass ich guten Gewissens hochamtliche Signale liefern kann. Das läuft einfach über Laptop, Audio Interface, Pre-Amps, Mics... Ich nehme mich selbst auf, spiele für andere Leute Tracks ein und bereite sie so auf, dass man sie quasi nur noch in den Song einfügen muss. Aber trotzdem bilden den Großteil meiner Arbeit nach wie vor Live Gigs und Jobs in diversen Studios.
Interview: Moritz Nowak