Backstage. Abseits des Rampenlichts – mit Marlene Brüggemann II
Im ersten Teil der Ausgabe „Backstage. Abseits des Rampenlichts – mit Marlene Brüggemann“ hat uns die Tontechnikerin über ihren beruflichen Werdegang, das Tourleben und ihre Wünsche erzählt. Dieses Mal werfen wir einen genaueren Blick darauf, was Marlene beim Mischen wichtig ist, ihr Lieblingsequipment und die spannenden Momente ihres beruflichen Alltags. Auch auf Anchor ist der zweite Teil des Interviews wieder nachzuhören.
Nora Blöchl
Über Musikwissen verfügt Marlene Brüggemann bereits seit ihrer Kindheit. Ein Ohr für die einzelnen Teile eines musikalischen Stückes brauchte sie schon während ihrer Zeit an der Bratsche im Orchester. „Das ist eine Instrumentengruppe, die überall dazwischen pickt. Man muss auf die anderen Instrumente hören und gut darauf achten, was passiert. Insofern hat mich das schon sehr beeinflusst, weil es mir jetzt relativ leichtfällt, Instrumente hervorzuheben und in den Mix zurückzustecken und wieder im Ganzen zu hören. Das ist ein großer Vorteil.“, erzählt sie im Interview. Dieses Können beeinflusst sie auch bei ihrem privaten Musikkonsum. „Es fällt mir schwer auf Konzerte als reine Zuhörerin zu gehen. Den emotionalen Aspekt muss man wieder etwas herausarbeiten, weil einem natürlich Sachen auffallen, die man super findet und die man sich abschaut oder auch Sachen, die man anders machen würde. Da läuft einem immer das Rad im Hirn, obwohl man nur im Publikum steht.“ Obwohl Marlene ein gutes Ohr für Musik hat, musste sie andere Dinge erst erlernen. Eine Snare benennen zu können, war vor ihrer Ausbildung an der Tontechnikschule eher schwierig. Und obwohl sie betont, dass die „Hands-on“-Methode, die einzig richtige für sie war, um als Live-Tontechnikerin Erfahrungen zu sammeln, war ihre Ausbildung ein wichtiger Teil ihres beruflichen Werdegangs.
Aus vielen prägenden Momenten, die Marlene in ihrer Laufbahn hatte, pickt sie eines besonders heraus. Das erste Konzert vor 16.000 Leuten war eine positive und negative Erfahrung, die sie machen durfte. Im Sommer 2019 mischte Marlene die Vorband von AnnenMayKantereit und wurde von den Dimensionen des Konzerts überrascht. „Da zittert schon mal der Finger. Da hab ich sehr viel gelernt und sehr viel falsch gemacht. Aber auch ein paar Sachen richtig gemacht.“ Auch ihr erstes Mal mischen beim Leise Art Festival beschreibt sie als einen wahnsinnig schönen Moment. Die Überraschung bestand für sie darin, dass aus den kleinen Monitorboxen so ein Sound kommen kann. „Wow, das ist ja voll klein und da ist so ein Klang rausgekommen. Das hat mich einfach umgeschmissen.“
Von Anfang an fühlte sie sich in der Veranstaltungstechnik sehr willkommen – in der österreichischen Branche herrscht ein respektvoller Umgang, den Marlene sehr schätzt. Viel von sich geben, muss man aber auf jeden Fall – sei es Energie, Zeit oder Schlaf. Auf Self-Care wird in dem Bereich leider noch nicht viel Wert gelegt. Ein Grund, warum Marlene Supervision ab dem Zeitpunkt, an dem sie die Selbstständigkeit angemeldet hatte, in Anspruch nahm. „Das ist eine Präventionsmaßnahme, damit ich lange und nachhaltig in dem Beruf bleiben kann. Ich habe viele Kollegen und Kolleginnen, die oft einfach psychisch belastet sind und das über Jahre hinweg. Manche sind auch körperlich stark belastet und haben dann auch große Beschwerden, seien es Süchte oder einfach körperliche Beschwerden, die chronisch werden. Die Personen können dann nicht mehr arbeiten oder nur eingeschränkt. Das versuche ich im Blick zu haben.“
Natürlich hat Marlene auch Lieblingsequipment. Zu ihren Favoriten zählt die d&b-Anlage. „Die liegt mir und spielt mir bei meiner Art zu mischen in die Hände. Vom Pult her gibt es ein paar, die mir mehr gefallen, aber da habe ich keinen richtigen Favoriten. Großer Fan bin ich von dem Mikrofon DPA 4099. Das ist der Klassik zu schulden.“ Ihr Beruf ist für sie ein Handwerk und jede_r Handwerker_in hat Werkzeug, mit dem Erfahrungen gesammelt werden müssen. Für Marlene spielt die „gain structure“ eine wichtige Rolle. „Das ist vielleicht ein bisschen nerdy, aber das ist für mich, das Erste, was passen muss. Generell gesagt, geht es beim Mischen darum, dass man schaut, dass es spielt. Kling leicht, kann manchmal aber auch sehr schwierig sein.“ Das Werkzeug für die Live-Tontechnik erlernte Marlene nur „out in the field“ – viele Fragen zu stellen, auszuprobieren und sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren, war ihr Konzept.
Fotos von Theresa Pewal (Titel) und Tina Bauer (Sidebar)