Midriff: „Wir hoffen das Beste und befürchten das Schlimmste“
„Das haben sie von mir kopiert“, sagt Jeremy „Jele“ Lentner augenzwinkernd, als er darauf angesprochen wird, dass er mit seinem imposanten Bart auch bei ZZ Top mitspielen könnte. Jele ist der Bassist der Tiroler Riffmonster Midriff, die dieser Tage ihr neues Studiowerk „Decisions“ auf den Markt geworfen haben. Für einen mehr als zwölfstündigen Interviewmarathon mit diversen Medien ist er extra nach Wien gekommen und hat sich auch mit Backbeat zu einem kleinen Plausch getroffen.
Ihr beschreibt euer neues Album „Desicions“ als euer bisher härtestes. War es eine bewusste Entscheidung in Sachen Härte einen Gang hoch zu schalten oder hat sich das erst im Laufe des Songwritings herausgestellt?
Jeremy Lentner: Naja, das passiert einfach. Die Riffs und Grundbausteine der Songs waren bereits zu Beginn der Writingsessions recht hart. Es ist aber mit Sicherheit kein Metal-Album, wir achten bei der Produktion sehr stark darauf, dass es organisch und nach „Trio“ klingt. Die Vocals sind vielleicht sogar etwas sanfter als in den vorherigen Produktion, da einige Songs Pauls Stimme ganz schön fordern.
Wie gestaltet sich der Songwritingprozess bei Midriff? Schreibt ihr gemeinsam?
Wir sind mit Sicherheit keine Jam-Band, gehen also erst dann in den Proberaum, wenn wir schon einige Ideen als Demos haben. Alle drei von uns schreiben Songs, meist zuhause, nehmen Demos auf, wir hören dann zusammen die Ideen und wählen die Songs aus, an denen wir weiterarbeiten wollen. Manchmal ist es auch gut, zusammen im Proberaum die Ideen zu jammen, denn oft weiss man beim Writing nicht mehr weiter und im Proberaum entsteht eine gewisse Eigendynamik, oft als „Magie“ bezeichnet, wo es dann eben einfach klappt.
„Decisions“ wurde von Paul sowohl produziert als auch gemischt und gemastert? Warum die Entscheidung dies alles bandintern zu erledigen?
Wenn man einen so tollen Soundfreak in der Band hat wie Paul, ist das einfach nahe liegend. Die Entscheidung die Platte selbst zu produzieren war von Anfang an da, sie dann noch selbst zu mischen, kristallisierte sich erst während des Recordings heraus. Wir konnten so dieses mal einfach genau den Sound produzieren, den wir haben wollten. Das Arbeiten macht dies wirklich einfacher, und die Kommunikation zwischen uns ist ohnehin sehr gut und in den meisten Fällen stimmen unsere Ohren auch überein.
Besteht dabei nicht die Gefahr, irgendwann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen?
Mit Sicherheit – aber dafür gibt es ja auch Deadlines, oder? Also wir setzen uns immer Termine, an denen ein Teil eines Projektes abgeschlossen sein muss. Würden wir das nicht machen, würden wir uns wahrscheinlich im Songwriting oder in der Produktion verkopfen und alles nur schlimmer machen. Selbstkontrolle ist vor allem bei Produktionen in Eigenregie sehr wichtig.
Könntet ihr euch vorstellen in Zukunft auch mit einem externen Produzenten zusammenzuarbeiten?
Ja – das könnten wir uns schon vorstellen. Nur diesen zu finden, das ist wiederum eine etwas andere Sache.
Wie lange hat der Entstehungsprozess für „Decisions“ gedauert?
Nach der Herbsttour im letzten Jahr gingen wir sofort ins Songwriting. Die Meisten Songs standen dann im Februar fest, und im April und Mai wurden die Instrumente eingespielt. Die Vocals kamen dann im Juli – gemischt und gemastert wurde dann bis Ende August. In Summe würde ich sagen, von 0 bis 100 ca. acht Monate. Also schon ganz OK – der Workflow.
Ein Merkmal, das euch zu etwas Besonderem macht, ist die Tatsache, dass der Drummer gleichzeitig der Leadsänger ist. Welche Auswirkungen hat dieser Umstand, dass Paul drummen und gleichzeitig singen muss, auf die Art und Weise wie ihr eure Songs schreibt?
In erster Linie ist es für uns wichtig, dass wir die Songs auch live spielen können. Demnach werden die Drumparts dann auch so ausgewählt, dass dies gut funktioniert. Aber Paul ist ein sehr routinierter Sänger/Drummer und meistert diese Herausforderung immer sehr gut. Natürlich müssen wir am Beginn eines neuen Album-Touring-Cycle das Material mal sehr genau und gut proben, damit er auch die Doppelbelastung schafft, aber das funktioniert bis dato ausgezeichnet. Hoch komplexe Parts sind nicht so unseres - uns ist wichtiger, dass es groovt.
Die erste Singleauskoppelung aus dem ersten Album war „Burn The Bridges“. Zudem Song habt ihr auch ein Video gedreht, in dem unterschiedliche Menschen zu sehen sind, wie sie unter anderem den Song mitsingen. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Unser Filmemacher, gleichzeitig unser Cousin, und ich setzen uns immer wieder zusammen und tauschen unsere gedankenschwangeren Gehirne über verschiedenste Videoideen aus. Bei einem dieser Brainstormings kam uns die Idee, verschiedenste Leute, Charaktere und Typen in ein Video einzubauen – „Burn The Bridges“ eignet sich dafür perfekt. Im Song geht es darum, dass man gerne eine Sache beschließen möchte, es aber nicht übers Herz bringt. Kennt doch irgendwie doch jeder oder?
Wird es noch weitere Videos zur neuen Scheibe geben?
Ja, auf alle Fälle. Das Lyric Video zu „Walls Down“ kam gerade vor einigen Tagen – in den weiteren Monaten gibt es sicher noch das ein oder andere Video zum neuen Album. Wie und was – das entscheidet wieder eine bald fällige Sitzung mit unserem Video-Genius Roland.
Ihr habt für das neue Album auch ein eigenes Label gegründet. Was hat euch dazu bewogen?
Wir waren es einfach irgendwann leid, Deals angeboten zu bekommen, die für uns langfristig nichts bringen. Das Musikgeschäft ist knallhart, eine langfristige Planung und Zielsetzung ist wichtig. Das verstehen einige Labels, wollen dich dann aber mit nicht gerade tollen Verträgen möglichst lange behalten - wenn es dann doch für einen der beiden Partner nicht passt, sitzt du ziemlich in der Sch***e. Ein großes, potentes Label wäre natürlich eine gute Sache - für dieses Album haben wir uns aber für die Selbstvermarktung entschieden, haben aber wirklich tolle Partner im Promo-, Marketing- und Vertriebsbereich an unserer Seite.
Welche Erwartungen, hinsichtlich des kommerziellen Erfolgs, habt ihr an „Decisions“?
Für uns ist es wichtig, dass sich natürlich auch die digitalen Verkaufszahlen verbessern. Nicht weniger wichtig sind aber die Verkäufe von CDs und Vinyls im Laden und vor allem auch bei den Konzerten. Wie gut es geht, wissen wir einfach noch nicht, aber wir hoffen das Beste und befürchten das Schlimmste, hahaha! Im Großen und Ganzen sollte die Entwicklungskurve der Band so weitergehen, wie bisher – langsam aber stetig nach oben.
Bringt es eigentlich Vorteile als Band in Tirol ansässig zu sein und welche Nachteile hat es?
Es hat sicher viele Vorteile in Tirol zu leben – wir leben, proben und arbeiten dort, wo andere Menschen Urlaub machen. Aber man hat halt auch in Österreich das Problem, dass sich das meiste, wenn es um das Musikgeschäft geht, in Wien abspielt. Es ist dann trotzdem toll, und es erfüllt uns mit Stolz, dass wir es als Band aus dem provinziellen Westen schaffen, die Leute zu begeistern. Überhaupt wird die Szene im Westen immer stärker und ist auch international gut aufgestellt. Ich denke da nur an Mothers Cake oder auch Serenity. Ein Nachteil ist sicher auch, dass für Promotion, Geschäftstreffen und vieles mehr viel genauer geplant werden muss, Radioauftritte nicht so spontan gehen wie es vielleicht manchmal bei Band aus Wien und Umgebung geht. Aber mit einem guten Zeitmanagement und langen Fahrten im Auto oder Zug ist alles machbar.
Kannst du mir zum Abschluss noch verraten, wie weit die Tourpläne für „Decisions“ schon gediehen sind?
Wir arbeiten gerade unter Hochtouren für die Tourdates 2018 – die ersten Daten sollten in gut zwei Wochen rausgehen. Wir kommen mit Sicherheit wieder in eine Stadt in der Nähe der LeserInnen.