Kurator der populären Prähistorie: Robert Shumy im Interview
Der Wiener Sänger und Gitarrist Robert Shumy kuratiert hierzulande die Frühzeit der populären Musik zwischen ausgeklügeltem Detailreichtum und schelmischem Spielwitz. Blues, Country oder Ragtime sind beim Autodidakten seit mehr als 30 Jahren gut aufgehoben. Mit Backbeat sprach Robert über seine musikalische Entwicklung und das aktuelle Duo-Projekt mit der holländischen Pianistin Anke Angel. Von Martin Macho
Gleich ob mit den Salty Dogs, der Robert Shumy Band oder als Solist, der 51jährige Wiener hatte im Laufe seiner drei Jahrzehnte umspannenden Karriere immer die Kulturpflege im Sinn. Robert Shumy geht mit den leuchtenden Markierungspunkten der Popmusikentwicklung behutsam um. Wenn man mit ihm spricht, wenn er über die alten Meister erzählt und wie sie seine eigene Musik beeinflussten, spürt man in der uneingeschränkten Begeisterung ein tiefes Bewusstsein für Geschichte. Back To The Roots, das ist bei ihm nicht bloß so dahingesagt. Aus den Wurzeln zieht der Musiker die Kraft, die Früchte tragen lässt. Denn die Fans schätzen Robert Shumys bedachten Umgang mit der Vergangenheit und halten ihm seit Anbeginn seiner Laufbahn die Treue.
Seit wann bist du musikalisch aktiv?
Mit zehn Jahren habe ich begonnen steirische Ziehharmonika zu lernen. Da der Unterricht in der Musikschule aber relativ fad war, habe ich das nach zwei Jahren wieder an den Nagel gehängt. Mit 19 hat mich dann auf einem Flohmarkt eine Gitarre angelacht, Liebe auf den ersten Ton sozusagen. Die habe ich mir gekauft und ab diesem Zeitpunkt wollte ich nicht mehr zu spielen aufhören. Sechs Monate darauf hatte ich schon meinen ersten Auftritt mit Gage. Das war 1981. Seitdem wusste ich, ich muss Musik machen.
Woher kommt bei dir die ganz offensichtlich vorhandene Vorliebe für die amerikanische Roots-Musik?
Ich hatte zu dieser Zeit in Wien ein Lieblingslokal, das Papas Tapas. Daneben gab es das Wurlizer, ein noch kleineres Beisl. Drin stand eine Musikbox, und da konnte man sich für fünf Schilling Lieder von Elvis, Johnny Cash oder Carl Perkins anhören. Diese Musik hat enormen Eindruck auf mich gemacht. Damals war mir noch nicht ganz klar, welche Richtung ich eigentlich musikalisch einschlagen will. Ich hab da alles gespielt, was mir eingefallen ist. Einige Zeit später hatte ich dann aber ein weiteres Schlüsselerlebnis, als mich Siggi Fassl, ein guter Freund, mit dem ich zu dieser Zeit zusammenwohnte (heute Gitarrist bei der Mojo Blues Band, Anm.), zu einem Konzert vom heimischen Verfechter des urtümlichen Blues, Al Cook, mitnahm. Cook hat bei uns schon in den 70er Jahren Blues gespielt, als es noch überhaupt keinen interessiert hat. Beim betreffenden Auftritt gab er aber ein Rockabilly-Konzert. Ein unscheinbares, schüchternes Mandl eigentlich, aber sobald er die Bühne betrat, gab´s Dampfmaschine, puren Rock´n´Roll. Der zog sich beinhart den Gürtel aus der Hose, peitschte damit das Schlagzeug aus, zerschmetterte ein Bierglas an der Wand. Siggi und ich sind mit offenen Mündern dagestanden und haben sofort gewusst, das müssen wir auch machen – Rock´n´Roll!
Du bist Autodidakt. Hatte das deiner Einschätzung nach für deine Entwicklung eher Vor- oder Nachteile?
Wahrscheinlich war es besser, diese Art von Musik autodidaktisch zu lernen. Aufgrund meiner doch großen Musikalität war mir das möglich. Durch den Schulunterricht bekommt deine Spielweise einen ganz eigenen Schliff. Autodidaktisch ist meine Musik so roh und erdig geblieben, wie sie sein sollte.
Es heißt, dass man Fehler, die sich beim Selbsterlernen einschleichen, nur noch sehr schwer wieder wegbekommt. Hast du diese Erfahrung auch gemacht?
Ganz klar. Vor allem am Anfang, wenn das Gehör noch nicht so geschult ist, spielt man Sachen, die man landläufig als nicht richtig bezeichnen würde. Worauf ich aber immer Wert gelegt habe ist, dass alle Kollegen mit denen ich jemals zusammenspielte unter Anführungsstrichen besser waren als ich. Notenkenntnisse, Konservatoriumsstudium oder Ähnliches. Von denen habe ich mir die Ratschläge geholt, wie man etwas besser oder zumindest anders spielen könnte. Das praktische Leben als Musiker war mein Unterricht. Dadurch konnte ich mich weiterentwickeln.
An wen hast du dich beim Aneignen dieser Art von Musik, im Sinne von Vorbildern und Vorlagen, orientiert?
Ganz am Anfang stand das Rhythmusgitarrespiel von Elvis Presley und Konsorten. Als ich dann von einer Freundin ein Doppel-Album von Chet Atkins geschenkt bekommen habe, dem Professor des Guitar-Picking aus Nashville, hat mich dessen Spielweise sofort fasziniert. Daraufhin habe ich mich zuhause zwei Monate buchstäblich eingesperrt, und mir Ton für Ton von dieser Platte und ähnlichen runtergehört. Auch Merle Travis war da ein weiterer wichtiger Einfluss. Obwohl der Stil sehr schwierig zu lernen war, bin ich dann irgendwann auf dieses Picking draufgekommen, bei dem man mit Daumen einen Wechselbass, und mit den restlichen Fingern gleichzeitig eine Melodie dazuspielt.
Spielst du jetzt nur mehr Gitarre?
Mein Hauptinstrument auf der Bühne ist eigentlich meine Stimme. Die Gitarre ist das primäre Begleitinstrument. Andere Instrumente für den Hausgebrauch, zum Beispiel bei Sessions, sind Schlagzeug, Klavier, Ziehharmonika, Mundharmonika, Bass und Kontrabass. Alles was Saiten, Tasten oder Felle hat, ist für mich interessanterweise kein Problem. Bei Blech- oder Holzblasinstrumenten tu ich mir dagegen irgendwie schwer. Weiß auch nicht, warum.
Du bist jetzt seit mehr als 30 Jahren im Geschäft. Inwieweit haben sich in dieser Zeit die Rahmenbedingungen für Musiker entwickelt bzw. geändert?
Das ist eine gute Frage. Ich muss sagen, es ist nach wie vor ein Trauerspiel. Es gibt zwar Leute wie den Peter Paul Skrepek von der AKM, die sich für uns einsetzen, generell ist und bleibt es jedoch schlimm. Da existiert zwar ein Musikauftrag, wonach die staatlichen Radiostationen einen gewissen Prozentanteil österreichische Musik spielen müssen – die wenigsten halten sich daran. Darum gibt es kaum Chancen für uns Musiker, hier bekannter zu werden. Noch dazu verteilt man ja das gesamte Geld, das an Künstler geht, ins Ausland. Ich bin einer der wenigen die von sich behaupten dürfen, von der Musik leben zu können. An dieser Stelle auch großen Dank an meine zahlreichen Fans, die nach wie vor meine CDs kaufen, meine Musik hören und meine Konzerte besuchen.
Dein jüngster Streich, ein Duett mit der Holländerin Anke Angel ist am 31.03. erschienen. Wie entstand euer gemeinsamer Song "Forever More"?
Anke Angel ist die ungekrönte Boogie Woogie-Queen Hollands. Sie hat eine klassische Gesangsausbildung, spielt mörderisch Klavier und macht Boogie vom Allerfeinsten. Kennengelernt haben wir uns vor ein paar Jahren in Gmunden, bei einem Boogie-Festival. In der Folge haben wir immer wieder einmal miteinander gespielt und auch ein gemeinsames Programm erarbeitet. "Forever More" schrieb ich während meiner letzten Zugfahrt nach Holland. 14 Stunden Zeit – als ich in Amsterdam ausgestiegen bin, war das Lied fertig. Mittlerweile haben wir den Song aufgenommen, "Forever More" kann jetzt über die diversen Plattformen downgeloaded werden.
Der Song ist – für dich untypisch – eher auf der poppigeren Seite. Siehst du das als persönliche Weiterentwicklung oder als vorübergehenden Stilbruch?
Schon eher als Entwicklung. Aber die Wurzeln der Nummer und ihrer Form liegen dennoch alle am selben Punkt, nämlich beim Blues. Daraus hat sich alles entwickelt. "Forever More" vereinigt Blues, Soul, Country, Jazz. Alle Einflüsse, die ich in meinem Leben aufgefangen habe, habe ich in diesem Song verarbeitet.
Ist auch ein Album in Planung?
Ja, ich bin ab Ende Mai wieder für knapp zwei Wochen in Holland, für Auftritte in Rotterdam, Amsterdam und Umgebung. Im Zuge dessen werden Anke und ich an einer gemeinsamen CD arbeiten. Das soll dann ein Duo-Projekt werden, mit Gitarre und Klavier. Die Veröffentlichung ist für Ende des Jahres realistisch.
Weblinks:
www.facebook.com/pages/Anke-Angel/175174582532257
Nächste Live-Termine von Robert Shumy:
06. und 07.06. – Salzburg – Europapark
13.06. – Wien – Papas Tapas
15.06. – Salzburg – Messe
Foto: © Robert Shumy