Once upon a time am Gürtel

Am letzten heißen Tag des Sommers ging der altbekannte Gürtel Nightwalk über die Bühne. Viele Bühnen, kein Eintritt. Sogar gratis Spritzwein von der SPÖ gab es. Der Abend wird immerhin ja auch schon seit 1998 jährlich von den sozialdemokratischen Kulturabteilungen der umliegenden Bezirke initiiert. Ein Pflichttermin also für alle Konzertgeher und Musikliebhaber.
Artikel: Patrick Tilg

 

Am Lineup standen viele neue heimische Bands, die im letzten halben Jahr mit ihren Debüt-Singles etwas Aufmerksamkeit erregen konnten.  Aber auch einige alte Hasen – teils im neuen Gewand – mischten sich darunter. Alle Konzerte zu besuchen war natürlich unmöglich und so mussten wir uns selbst einen kleinen Plan erstellen, um möglichst viel abzudecken. Und was hatte es eigentlich mit Tarantino auf sich?

Los ging es mit Good Wilson, der selbsternannten Sky Gaze-Band die mit ihrer Debütsingle „Walk the Talk“ für Aufhören sorgten. Die Band, die eigentlich aus vier Musikern bestünde, war an diesem Abend aber nur zu zweit auf der Open Air-Bühne des Loop. Und so war der Soundcheck der Band Strandhase, einige Stadtbahnbögen weiter, fast lauter als der sanfte wolkenleichte Gitarrenpop von Good Wilson. Als sich bei der lang ersehnten Single schließlich das erste Mal ein sanfter Synthesizer in die Songs schlich, spürte man etwas frischen Wind, der die vorbeirasenden Autos kurz vergessen ließ. Trotz einigen schönen Eindrücken wünschte man sich für das nächste Mal dennoch eine volle Bandbesetzung. Und das nicht nur weil das Schlagzeug für uns, bei BACKBEAT, eine große Rolle spielt.

Anschließend ging es für uns dann fast zwei U6 Stationen weiter Richtung Floridsdorf. Dort bespielten die Siamese Elephants als erste Band des Abends die rot gefärbte SPÖ-Bühne vor dem B72. Die Band überzeugte mit lupenreinem Indie-Rock. Im Kopf ergaben sich bunte Bilder zwischen The Strokes und den Dirty Pretty Things. Passend dazu die Pop-Art Shirts der Band. Gegen Ende des Konzerts kam mit „Social Club“(?) der erste Hit, der sich von den vorherigen Songs deutlich abhob. Es folgte ein Sprung des Sängers ins Publikum, sowie einige gekonnte Hüftschwünge. Und das alles in 3/4-Hosen.

Nach einem kurzen Umbau ging es auch schon weiter mit YOKOHOMO. Wanda trifft Kraftklub und singt über Wien, Berlin und all die Abgründe dazwischen. Die Menge, die von den Indie-Rockern zuvor schon gut aufgewärmt wurde, tanzte und genoss den rauen Ton der Band, der sich über den Gürtel verbreitete.

Der letzte Live Act unseres Konzertplans war die Band Bruch. Das Duo spielte im rhiz und war eine interessante Abwechslung zum restlichen Abend. Musikalisch erinnerten sie an die Einstürzende Neubauten und den frühen Nick Cave. Optisch irgendwie an Nicolas Cage. Die Devise könnte aber auch lauten: „Let’s dance to Joy Divison and celebrate the irony”. Es klang eben nach rhiz, weniger Pop, weniger sauber – ein schöner Abschluss also für den 22.(!) Gürtel Nightwalk.

Eines bliebt nach diesem letzten heißen Sommerabend allerdings über den Dächern Wiens stehen: Quentin Tarantino. Ob auf dem T-Shirt des Siamese Elephants Schlagzeugers, wo groß „Pulp Fiction“ stand oder bei Bruch, deren Songs den Soundtrack seiner Streifen bilden könnten. Und wie auch Tarantino ein Meister des raffinierten Recyclings ist, übten sich die Acts des Gürtel Nightwalks gekonnt in der pop-kulturellen Praxis des Verweisens auf Referenzpunkte ihres eigenen Geschmacks.

 

Foto: © Yuliya Hlazun