Durch Klang ein Bild erzeugen

Ob frei improvisierte oder strukturierte Musik. Es ist der Moment der Interaktion, der zählt. Ein Portrait des in Berlin lebenden Schlagzeugers und Percussionisten Rudi Fischerlehner.

 

markus_gradwohlDer Gentrifizierung wird wohl oder übel nachgegeben und so zieht Szene für Szene von einem Stadtteil in den nächsten. Was Rudi Fischerlehner über Berlin bestätigen kann, weiß er aus erster Hand. Der oberösterreichische Schlagzeuger ist nun schon seit gut dreizehn Jahren Teil jenes kreativen Pulses, welcher den Kreislauf der Stadt am Leben hält und sie nach wie vor zu dem macht, was sie ist und wofür sie steht: Kreativität, Dynamik und Inspiration. Dass es ihn nach Berlin verschlagen hat, war zum größten Teil eine musikalische Entscheidung. „Hier leben einfach sehr viele Leute, mit denen ich zu tun habe und regelmäßig spiele. Die Szene ist natürlich größer als in Wien, wobei ich auch dort schon viel improvisierte Musik gespielt habe. Allerdings damals eher noch im Kontext von Indierock und elektronischer Musik.“ In Berlin habe sich für ihn dann vieles auf die Impro- und Freejazz-Szene verlegt. „Die Stadt hat mich insofern schon sehr mitgeprägt. Ich glaube, vieles was ich gesucht habe, habe ich hier gefunden.“

Diese Suche beginnt, wenn man so will, 1977 im heimatlichen Oberösterreich, wo Fischerlehner als jüngstes von drei Geschwistern in eine musikalische Familie geboren wird. „Es haben alle Musik gemacht. Nicht professionell, aber ich war von klein auf davon umgeben. Die Möglichkeit, Musik zu hören und zu spielen, war also immer da.“ Seine ersten Stunden bekommt er von Ingrid Oberkanins und seinem Cousin Hari Ganglberger, bevor er mit zehn Jahren bei Franky Hueber an der Musikschule mit Vibraphon und Marimba vertraut gemacht wird. „Das war ein ganz wichtiger Einfluss für mich. Nicht nur, weil mir dabei Percussion und Harmonielehre nähergebracht wurden, sondern vor allem, um eine andere Sicht auf das Schlagzeug zu bekommen. Weg vom reinen Fokus aufs Technische, hin zum Gespür für Interaktion und gemeinsames Musikmachen.“

In Linz beginnt Fischerlehner klassisches Schlagwerk zu studieren. Dass er das Drumkit dem Orchesterschlagwerk vorzieht, wird ihm jedoch bereits sehr früh klar. Dennoch spiegelt sich dieser Abschnitt seines Werdegangs nach wie vor in seiner Spiel- und Herangehensweise. „Es geht immer darum, einen guten Sound hinzubekommen. Das war mir damals noch nicht so bewusst, aber beispielsweise konzentriert Full Strokes an der Pauke zu üben, hat mir dabei geholfen zu erkennen, dass der Sound aus meiner Bewegung kommt und nicht so sehr vom Equipment abhängt.“

Neben etlichen Rockdrummern und Pionieren des Freejazz, wie etwa Sven åke Johansson, ist es auch verstärkt die Neue Musik, die sein Interesse weckt. Nicht zuletzt durch den Einfluss des Schlagzeugs. „Mich hat immer schon diese Einschränkung fasziniert, dass man am Set keine Notenskala oder Harmonien hat, sondern dass man eine andere Lösung für seine Ausdrucksweise finden muss. In dieser Hinsicht hat das Schlagzeug viel zur Entwicklung der Neuen Musik beigetragen. Etwa bei Xenakis, bei Stockhausen oder John Cage.“ Der mit der Suche nach Ausdrucksweisen einhergehenden spielerischen Komponente seines Instruments geht Rudi Fischerlehner nach. Es folgt unter anderem ein halbjähriger Aufenthalt in New York, wo er Kompositionsstunden bei Tim Berne und Ellery Eskelin nimmt, zwei Leute, die ihn schon früh inspirieren. Neben dem Erkunden der New Yorker Musikszene, ist es aber vor allem eine einzelne Unterrichtsstunde, die in dieser Zeit besonders prägt: Jene bei Jazzschlagzeuger Tom Rainey. „Er hat mir beispielsweise nähergebracht, auf welche verschiedenen Arten man Polyrhythmik in Musik einbetten kann. Das war eine von diesen Stunden, wo dir jemand etwas zeigt, das dich noch sehr lange beschäftigt und von dem du immer wieder profitierst.“

Bei seinem aktuellen Projekt Xenofox bettet Rudi Fischerlehner seine Rhythmen in die Klänge von Gitarrist Olaf Rupp, mit dem er seit 2010 zusammenarbeitet. Die Bezeichnung Duo ist dabei noch die genaueste Stilangabe, auf die sich das Projekt festlegen lässt. Vielmehr gehe es auch hierbei – vielleicht das verbindende Element in seinen Projekten – um den musikalischen Moment. Denn es müsse beides, das Freie und das Strukturierte, einfach diesen besonderen Moment der Interaktion zwischen den MusikerInnen und auch mit dem Publikum haben, meint Fischerlehner. „Es geht darum, etwas vor Leuten zu erschaffen und greifbar zu machen. Quasi durch den Klang ein Bild zu erzeugen.“ Vielleicht ist es nicht zuletzt dieser Ansatz, der Rudi Fischerlehner zu dem macht, der er ist und wofür er als Schlagzeuger steht: Kreativität, Dynamik und Inspiration.

 

Moritz Nowak

(29.10.2016)

 

Foto: Markus Gradwohl

 

Am 30.10. gastiert Rudi Fischerlehner mit Xenofox in der Strengen Kammer des Porgy & Bess in Wien.

 

Weitere Links:

http://www.rudifischerlehner.net/

XENOFOX
29.10.2016 Innsbruck, PMK, with COUSCOUS
30.10.2016 Wien, Strenge Kammer @ Porgy and Bess, 19:00