Die Jäger des verlorenen Sounds
Schaffer-Replica nennt sich ein kleines Gerät, das demnächst den Gitarreneffektmarkt ein wenig aufmischen könnte. Basierend auf dem legendären Schaffer-Vega Diversity System (SVDS), das so ziemlich jeder bekanntere Rockgitarrist in den 70er und 80er Jahren benutzte, hat eine Gruppe von AC/DC-Fans und Soundtüftlern eine Effekteinheit gebaut, die den Sound von AC/DC-Gitarrist Angus Young in den späten 70ern und frühen 80ern entscheidend geprägt hat. Gebaut wird das Gerät in Österreich. Backbeat hat sich mit den Jägern des verlorenen Sounds, wie sie sich selbst nennen, getroffen. Von Alexander Schöpf
Filippo „Fil“ Oliveri wirkt ein bisschen wie der Joe Cocker unter den Gitarristen: Mit angestrengtem Gesicht steht er vor einer Mauer von Marshall und Wizard Amps – eingepfercht zwischen zahllosen Gitarren, in einem viel zu kleinen Raum – und entlockt mit leicht spastisch anmutenden Bewegungen einer seiner unzähligen Gibson SG’s Töne, als wäre er Angus Young himself. So manchem Gitarristen und AC/DC-Aficionado ist Fil wohl unter seinem Künstlernamen Solo Dallas ein Begriff. Der in Dallas (USA) geborene und in Rom lebende Italiener hat sich mit seinen Onlinevideos, in denen er AC/DC-Songs nachspielt, Angus Youngs Gitarrenspiel erklärt und den Sound des australischen Gitarristen fast 1:1 reproduziert, eine treue Fangemeinschaft erspielt. Auf seiner Website solodallas.com haben sich bereits über 10.000 Mitglieder registriert, um dem Gitarrenguru, der er eigentlich gar nicht sein will, gelehrig auf die Finger zu schauen.
Und während sich die treue Fangemeinde vor ein paar Jahren noch fragte, wie es Fil aka Solo Dallas schaffte, Angus Youngs Spiel und Sound so nahe zu kommen, wie bisher noch niemand, war Fil selber schon einen Schritt weiter. Denn auch wenn er verdammt nah am AC/DC-Sound (Wir reden hier von der Periode zwischen 1977 und 1983 – Anm. d. Red.) dran war, so schaffte er es irgendwie nicht, dessen letztes Geheimnis zu lüften. Fil hatte sich mit Marshall Amps aus den 70ern eingedeckt, eine Armada an Gibson SG’s, die Ende der 60er und Anfang der 70er hergestellt wurden, zugelegt, Picks und Saiten verwendet, die auch Angus Young verwendete und dennoch fehlte etwas. Und so rief er das Projekt The Raiders Of The Lost Sound (Die Jäger des verlorenen Sounds – Anm. d. Red.) ins Leben um auch dieses Geheimnis zu lüften.
Der Heilige Gral
Nach eigenen Angaben verwendet der zwergenhafte AC/DC-Gitarrist keine Effektgeräte und dennoch durchforstete Fil jeden Zeitungsbericht über AC/DC, den er finden konnte und schaute sich jedes Video an, dem er habhaft wurde um vielleicht irgendeinen Hinweis zu finden. Und schließlich wurde er in einem Interview aus den frühen 80ern fündig. Auf die Frage, ob er irgendwelche Effekte benutze, war Angus’ Antwort Nein. Aber er sagte auch, dass er ein Schaffer Vega Diversity System (SVDS) verwende. Und mit dem Front Output dieses wundersamen Geräts, würde er seiner Gitarre ordentlich einheizen. Oder mit Angus‘ Worten: „You can give a guitar hell with it.“
Das SVDS war das erste Funksystem für Gitarren und Mikrofone das von den großen Rockbands, wie AC/DC, Rolling Stones, The Eagles, Kiss oder Aerosmith, eingesetzt wurde. Entwickelt von Kenny Schaffer im Jahr 1976, kam das SVDS 1977 auf den Markt und wurde bis 1981 produziert. Es zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass es die Schwächen, die die bis dahin entwickelten kabellosen Übertragungssysteme hatten, eliminierte (Mehr Infos dazu hier: SVDS). Und es hatte eine weitere entscheidende Eigenschaft: Es veränderte den Gitarrensound minimal. Das Signal wurde komprimiert und auch leicht geboostet. Angus Young entdeckte das SVDS auf AC/DC’s erster US-Tournee im Jahr 1977. Zwischen zwei Konzerten – am gleich Tag – in New York bekam er das Gerät zwischen die Finger und benutzte es gleich für die zweite Show an diesem Abend. Und da ihm das Gehörte so gut gefiel, setzte er das SVDS auch für zukünftige Studioaufnahmen ein. Anfangs nur um seinen Solos mehr Durchsetzungskraft zu verleihen, aber schließlich spielte er ganze Alben damit ein.
Fil hatte also quasi den Heiligen Gral des AC/DC-Gitarrensounds entdeckt. Doch tatsächlich waren im Jahr 2010 erstmal keine SVDS mehr aufzutreiben. Fil schaffte es aber den Erfinder der Geräte, Kenny Schaffer, ausfindigzumachen. Und Schaffer, der mit dem Musikbusiness eigentlich schon lange abgeschlossen hatte, hatte zufälligerweise noch ein paar SVDS auf dem Dachboden rumliegen, die er Fil schließlich verkaufte. Nachdem er das SVDS endlich ausprobieren konnte, war relativ schnell klar: Die letzte Lücke, die zum perfekten AC/DC-Sound noch fehlte, war geschlossen. Und noch bevor die Röhren von seinem Amp richtig ausgekühlt waren, hatte Fil die nächste Idee: Das SVDS nachzubauen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ein komplett österreichisches Produkt
Ein Projekt, das er aber alleine nicht stemmen konnte. Und zufälligerweise fand er in Wien Unterstützung. Franz „Banane“ Farklas verfolgte Fils suche nach dem verlorenen Sound schon lange auf solodallas.com und hatte, angespornt durch Fils Lehrvideos, selber angefangen Gitarre zu spielen. Der gebürtige Hamburger sitzt in seiner Wohnung im 21. Wiener Gemeindebezirk vor seinem Marshall-Amp und erzählt, wie er Fil unter die Arme griff, als das Projekt SVDS Replica nachzubauen ins Stocken geriet: „Anfangs habe ich mich als Site-Admin für solodallas.com zur Verfügung gestellt. Einfach weil ich Fil etwas zurückgeben wollte. Er gibt sein Wissen weiter und stellt den Leuten eine Plattform bereit. Also hab ich ihm ein wenig mit der Homepage geholfen. Und als dann die Produktion der Prototypen der Replica in Rom etwas ins Stocken geraten ist, hab ich mir gedacht, ich schau mich mal nach Leuten um, die das vielleicht machen könnten.“
Franz machte daraufhin Markus – einen diplomierten Elektrotechniker aus Wien aus, der bereits Erfahrung im Audiobereich hatte, da er selbst Röhrenverstärker baut – und begeisterte ihn für das Projekt: „Im Prinzip hat er sich die Sachen, die Guido Borghesani, der in Rom die ersten Prototypen entwickelt hat, vorgenommen und ein paar Dinge verändert.“ Und dank Markus‘ Know How und Franz‘ Einsatz schritt das Projekt SVDS Replica plötzlich mit Riesenschritten voran. Die ersten funktionierenden Prototypen wurden letztes Jahr fertiggestellt und sind schon in einigen von Fils Videos zu hören. Nachdem die Prototypen die Erwartungen mehr als erfüllen, wird seit einigen Monaten fieberhaft an jenen Replica-Modellen gearbeitet, die für den Endverbraucher bestimmt sind.
Davon soll es zwei Varianten geben: Einmal ein Effektpedal und dann die sogenannte Goldtag-Version, die nicht nur soundmäßig sondern auch optisch eine originalgetreue Kopie des originalen SVDS sein soll. Mit einer einzigen Ausnahme: Die SVDS Replica wird nicht als Funksystem funktionieren, da die damalige Technik dafür heute nicht mehr einsetzbar ist. Darüber hinaus ist die Goldtag-Version auf 100 Stück limitiert und wird sogar ein nahezu komplett in Österreich gefertigtes Produkt sein: „Wir haben eine Firma hier in Österreich gefunden, die die Teile baut. Einzig die Drehknöpfe kommen aus den USA.“ Die schauen übrigens auch genau so aus wie die Originalknöpfe. Und diese zu finden, war eine mittlere Herkulesaufgabe. „Ich habe eine Woche lang die verschiedensten Knopfkataloge durchgeschaut, bis ich die richtigen gefunden habe“, erinnert sich Franz lachend.
Die Replica Effektpedale werden hingegen in Deutschland produziert. Optisch sollen sie an das originale SVDS angelehnt sein, wie Franz verrät: „Das Pedal wird auf jeden Fall schwarz sein und wir werden versuchen etwas vom Aussehen des SVDS mit rüber zu bringen. Sprich ein bisschen was von der Beschriftung und das Logo kommt natürlich mit drauf. VU-Meter wird es beim Pedal aber keines geben.“ Die Vorproduktionsversion des Pedals wird wahrscheinlich Ende Februar oder Anfang März präsentiert. Ausgeliefert werden sollen sowohl das Pedal, als auch die Goldtag-Variante im Mai oder im Juni. Die Goldtag-Version kann übrigens bereits vorbestellt werden, und zwar hier.
Die Kosten für die beiden Produkte liegen bei 422,22 Euro (ohne MwSt.) für die Goldtag-Replica und bei rund 200 Euro für die Pedalversion, wobei für letzteres der genaue Preis noch nicht feststeht.
Und insgeheim wünschen sich Fil, Franz und die solodallas.com-Community natürlich, dass sich auch Angus Young für die Replica begeistern lässt. „Wir wollen ihm nicht auf die Pelle rücken“, zeigt sich Franz zurückhaltend. „Wir hoffen und rechnen aber damit, dass ihn früher oder später jemand darauf aufmerksam macht.“
Und so klingt es wenn Fil aka Solo Dallas über die Schaffer-Replica spielt: