Das leise Leiden der Wiener Clubkultur – eine Bestandsaufnahme
Im Frühjahr letzten Jahres gab es einen großen medialen Aufschrei um die Befindlichkeit der Wiener Clubs. Mittlerweile ist es aber um dieses Thema wieder sehr still geworden.
Wie steht es denn nun um die Clubszene Wiens? Stirbt sie vielleicht gerade schon aus, ohne dass wir es merken? Gibt es trotz des langen harten Lockdowns noch Hoffnung? Wie wird sich die Clubkultur in Zukunft verändern?
Wir haben Stefan Stürzer vom Nachtclub Werk und das Team der Vienna Club Commission interviewt, um Stimmen aus der Szene hörbar zu machen.
von Clara Pacher
Die letzten Monate waren für alle hart – besonders auch für die Betreiber*innen der Wiener Nachtclubs. Mit Ersparnissen und Crowdfunding-Aktionen hielten sie sich gerade so über Wasser. Durch die Umsatzersatz-Zahlungen im November und Dezember konnten Teile der im Vorjahr entstandenen Löcher gestopft werden. So sollte die aktuelle Situation von einem Bauch- zu einem Streifschuss abgewandt werden. Mit der erneuten Verlängerung des harten Lockdowns und der geringen Planungssicherheit wird es aber immer schwieriger. Auch Stefan Stürzer – Betreiber und Inhaber des Wiener Nachtclubs Werk – hat das Gefühl, dass es um dieses Thema mittlerweile sehr still geworden ist.
„Ich glaube, dass die Leute schon ziemlich durch sind und deshalb gerade alles in eine irrsinnige Lethargie verfällt.“ – Stefan Stürzer
Stürzer selbst beschreibt sich als sehr findigen Menschen und hat sich seit Sommer letzten Jahres auf die Entwicklung von Präventionskonzepten konzentriert und dafür mit verschiedensten Möglichkeiten und Varianten auseinandergesetzt. In Zusammenarbeit mit der Vienna Club Commission, Expert*innen unterschiedlicher Professionen und Gutachter*innen werden Konzepte ausgearbeitet, die sicheres Feiern wieder möglich machen sollen. Die aktuellste Ausarbeitung eines Präventionskonzepts befindet sich momentan in der Endphase.
„Wir müssen jetzt die Technologien einsetzen, mit denen wir das Corona-Virus aktiv bekämpfen können – und die gibt es!“ – Stefan Stürzer
Damit sind beispielsweise sogenannte UV-C-Lampen gemeint, die Viren in der Luft abtöten und diese somit sterilisieren. Mit stuerzerhandel.at hat Stefan Stürzer einen Online-Shop eröffnet, in dem es unter anderem diese vielversprechenden Geräte zu kaufen gibt. Sie seien eine sehr gut erforschte und besonders preiswerte Möglichkeit, um sichere Clubbesuche bald wieder möglich machen zu können. Im März soll außerdem die Clubkulturförderung mit bis zu 30.000 € pro Club erscheinen, die genau solche Anschaffungen übernimmt. Teile des asiatischen Raums sieht Stürzer dabei als Vorreiter, da in Ländern wie den Philippinen oder Thailand die UV-C-Lampen bereits in vielen Shoppingcentern zum Einsatz kommen. Er hoffe, dass das bei uns auch bald so sein wird.
Die Luftsterilisation ist neben der Handhygiene, Schnelltests, FFP-2-Masken und dem Contact-Tracing eine der fünf Säulen, auf denen das aktuelle Präventionskonzept aufbaut. Diese fünf Säulen sollen zusammenwirken und ineinandergreifen, um den Wiener Clubs wieder Leben einhauchen zu können. Stürzer sieht dieses Präventionskonzept als eine Chance für die gesamte Wirtschaft, weil es auch in jedem anderen Bereich Anwendung finden kann. Durch den Einsatz dieses Konzepts könnten bald Schulen, Theater, Museen, Handel, Gastronomie, Veranstaltungsstätten und nicht zuletzt die Wiener Clubs mit schwindend geringem Ansteckungsrisiko wieder öffnen. Es sei außerdem durchaus wichtig, dass sich die Gastronomie auch mit solchen Präventionskonzepten befasst. Ansonsten bestehe nämlich das Risiko, dass nach Öffnung der Lokale die Infektionszahlen erneut ansteigen und man wieder alles schließen muss.
„Es ist so oder so ein sehr hartes Geschäft.“ – Stefan Stürzer
Diesem Umstand versucht das Pilotprojekt der Vienna Club Commission ein Ende zu setzten. Das Team – bestehend aus Laurent Koepp, Stefan Niederwieser und Martina Brunner (Bild unten v.l.n.r.) – vereint Expertise aus den Bereichen Veranstaltungs-Branche, Musikjournalismus und Club Commission. Die Aufgabe des Pilotprojekts ist es, der Stadt Wien am Ende der Laufzeit zu präsentieren, wie eine Vienna Club Commission bestmöglich aufgestellt ist. Zu den Zielen des Teams gehört es, eine kompetente Beratungs- und Servicestelle zu bieten, die zur Stärkung der Clubkultur und des Nachtlebens beiträgt. Dazu braucht es eine effiziente Vermittlung der Bedürfnisse der unterschiedlichen Stakeholder und eine vielschichtige Vernetzung zwischen den Menschen aus der Szene, den Behörden und der Politik.
Zu den geplanten Aufgaben der Vienna Club Commission gehörten anfangs Dinge wie Bedarfserhebungen der Wiener Clubszene oder auch Gespräche mit Bezirksvorsteher*innen über ihre Wünsche an eine Vienna Club Commission. Durch Covid-19 hat sich der Aufgabenbereich aber verändert: Die Funktionen der Vienna Club Commission wurden umso wichtiger, vor allem aber ging es akut darum, die Clubkultur Wiens zu erhalten.
„Es wird nicht einfach – das kann man mit Sicherheit sagen.“ – Stefan Stürzer
Der Blick in die Zukunft ist etwas getrübt: Klar ist, dass eine solche Krise und der lange Lockdown nicht spurlos an der Wiener Clubszene vorübergehen werden. Wie genau sich das alles auf die Clubkultur auswirken wird, kann man allerdings noch nicht ausmachen. Zu unklar ist nach wie vor die Faktenlage in Bezug darauf, wie lange Clubs noch geschlossen bleiben, welche Hilfsmaßnahmen noch kommen werden und vor allem, wie lange die Betreiber*innen und Veranstalter*innen das noch stemmen können. Momentan, so Stefan Stürzer, wünsche man sich allem voran klare Ansagen. Am dringendsten notwendig wären momentan finanzielle Entschädigungen und Planungssicherheit.
Einig ist sich die Szene darüber, dass auf die Gäste der Wiener Clubs Verlass ist. Man rechnet damit, dass die Menschen hungrig sein werden, denn die Lust auf Club, Konzerte, Tanzen und Hedonismus vergehe nicht so schnell.
Mögliche Chancen seien außerdem die v.a. bürokratische Erleichterung der Nutzung von Freiflächen für Open-Air-Veranstaltungen und eine Anerkennung von DJs als Künstler*innen – sowie von Techno als Kulturgut, wie das beispielsweise in Zürich passiert ist.
Fotos: Das Werk (Titelbild, Bild 1 & 2 im Fließtext), music austria (Bild 3 im Fließtext)