B. Fleischmann »Music for Shared Rooms«
Der Zauberer elektronischer Klänge B. Fleischmann öffnet uns mit »Music for Shared Rooms« die Türen zu seinen Arbeiten für Film und Theater der letzten Jahre. Eine Compilation, die keine bloße Aneinanderreihung einzelner, voneinander unabhängiger Songs ist, sondern diese in einem neuen, gemeinsamen musikalischen Raum miteinander verwebt.
von Maximilian Zeller

»Music for Shared Rooms« heißt die neue Veröffentlichung von Bernhard Fleischmann unter seinem Künstlerpseudonym B. Fleischmann. Das bereits elfte Album des Wiener Musikers, Komponisten und Produzenten unterscheidet sich von seinen vorherigen besonders in einem Punkt: Es ist eine Zusammenstellung von Werken, die Fleischmann in den letzten zwölf Jahren für verschiedene Film- und Theaterproduktionen geschrieben hat. So finden sich hier beispielsweise Songs aus Theaterstücken wie »Oratorio Europa« und Filmen wie »Dieser Film ist ein Geschenk« oder »L’Animale«, für dessen Soundtrack Fleischmann 2019 sogar den Österreichischen Filmpreis für die beste Filmmusik erhielt.
Die 16 Songs des Albums – ausgewählt aus insgesamt über 600 Werken – dürfen aber nicht als eine bloße Aneinanderreihung von Stücken, die eigentlich für einen anderen Kontext gedacht waren, verstanden werden. Die Songs auf »Music for Shared Rooms« wurden neu editiert und re-mixed, um sie aus ihren bisherigen Bezugsrahmen zu heben und ihnen einen neuen, gemeinsamen Raum zu geben.
Gleich zu Beginn des Albums fällt auf, dass Fleischmann eine Vorliebe für Kontraste hat. Während das Eröffnungsstück Träumerei von flächigen, mit viel Hall versehenen Klängen lebt, holt dich das darauffolgende Brenne direkt aus diesem atmosphärischen Raum ab und nimmt mit den treibenden Drum-Machine-Rhythmen sofort Fahrt in Richtung des nächsten Clubs auf. Solche Gegensätze sind aber nicht nur in der Anordnung der Stücke zu erkennen. Ein weiterer sich durchziehender Faden des Albums scheint nämlich auch das Arbeiten mit und Kombinieren von akustisch und elektronisch erzeugten musikalischen Elementen zu sein. Songs wie Schock, die fast ausschließlich elektronisch produziert sind, sind auf dem Album genauso zu finden, wie Songs, bei denen vor allem akustische Elemente im Vordergrund stehen – etwa der Song Der Lärmkrieg mit seinen sich überlagernden Klavierspuren. Viel häufiger ist auf dem Album aber eben ein sehr nuanciertes Ineinandergreifen dieser beiden Verfahren der Klangproduktion zu hören. Flüchtlingswalzer etwa beginnt mit einer Einleitung von Blasinstrumenten, die von Synths, einer Drum-Machine und später von Sprachsamples zunächst eher begleitet wird. Im Laufe des Songs drängen sich die elektronischen Sounds dann aber allmählich mehr und mehr in den Vordergrund.
Nach den drei atmosphärischen und harmoniegetränkten Stücken Der Lärmkrieg, Liebe Emmi und Im Atelier in der späten Mitte des Albums, nimmt »Music for Shared Rooms« mit Take The Red Pill und Ashley Smith wieder mehr an Fahrt auf. Ein Highlight gegen Ende des Albums ist der Song Zweites Vierteljahrhundert. Hier zeigt Fleischmann mit den sich in Nuancen ständig verändernden Drumpatterns sein spielerisches Arbeiten mit loopbasierten Kompositionsweisen und seinen kunstvollen Umgang mit experimentellen Songformen. Mit dem Ender Die Erde ist mir fremd geworden lässt uns Fleischmann langsam und gediegen mit flächigen Synthsounds und wabernder Hallfahne wieder aus seinen musikalischen Räumen entschwinden.
Fleischmann gelingt es durch das Verbinden auf diesem Album, seine 16 Songs, die ursprünglich einer anderen Funktion dienten bzw. für andere Medien konzipiert wurden und ohne diese deshalb quasi für sich alleinstanden, in einen anderen, gemeinsamen Kontext zu heben. Obwohl die Handschrift Fleischmanns in allen Stücken deutlich zu erkennen ist, gehen die Stücke doch stilistisch oft weit auseinander. Dadurch ergibt sich zwar einerseits die für den Musiker so charakteristische Mischung aus experimenteller Clubmusik, Pop und eher klassischen Kompositionsformen. Aufgrund dieser Vielschichtigkeit und der Gesamtlänge des Albums benötigt es andererseits aber auch einige Zeit, »Music for Shared Rooms« in seiner Ganzheit zu fassen – was vor allem auch an den oft loopbasierten Formen und der atmosphärischen Klanggestaltung liegt. Für mich besticht das Album aber besonders durch Fleischmanns Feingefühl für Harmonik. Und zwar nicht nur bezogen auf die wohlüberlegten Überlagerungen und Fortschreitungen der Töne, sondern besonders auch auf sein harmonisches Ineinanderweben verschiedenster Sound- und Klangflächen.
Nicht zuletzt ziehen die Songtitel selbst in einen poetisch anmutenden Bann, der den Effekt der Klänge auf einer zusätzlichen Ebene für die Zuhörenden verbalisiert. Vom Spannungsbogen, der – wenn man so will – bereits in den Songtiteln gelesen werden kann, können wir uns von der anfänglichen Träumerei rein In die Disko und raus aus einem Lärmkrieg durch die verschiedensten Lebens-Räume bis hin zum Fremdwerden der Erde am Ende in unbegrenzte Räume weitertragen lassen.
Die dieswöchigen Konzerte von B. Fleischmann mit Band in Graz, Wien und Innsbruck fallen leider krankheitsbedingt aus, werden aber hoffentlich bald nachgeholt!
Cover: Studio Workshop