Am Puls jenseits der Zeit
Die Donaueschinger Musiktage. Eines der weltweit bedeutendsten Musikfestivals für zeitgenössische Komposition ging dieses Jahr vom 17.10 – 19.10 bei familiärer Atmosphäre und herrlichem Herbstwetter über die Bühne. Mit im Programm die schon traditionelle SWR2 NOWJazz Session am Samstagabend – heuer unter dem Motto Hypnotic Grooves.
Der Titel Hypnotic Grooves bezieht sich in diesem Fall auf die Stilarten der beiden Formationen, die an diesem Abend die Sporthalle der Gewerblichen Schule in Donaueschingen beschallt haben. Den Anfang machte das australische Trio The Necks, bestehend aus dem Pianisten Chris Abrahams, dem Bassisten Lloyd Swanton und dem Schlagzeuger Tony Buck. Die Band spielt nunmehr seit fast 20 Jahren zusammen und ihr musikalischer Background reicht von der Improvisationsavantgarde bis hin zur Indepent Rock Music. Der Stil der Band ist nur schwer fest zu machen, aber er vereint unter anderem Elemente des Jazz des Post-Rocks und der Minimal Music auf einzigartige Art und Weise. Eine Besonderheit sind sicher die meist ungefähr eine Stunde langen improvisierten Stücke der Band. Ein Anfangsthema wird langsam zu einem verschwommenen Klangnebel, der sich nach und nach lichtet und wieder verdichtet. Es werden Motive herausgearbeitet die sich weiterentwickeln, verschwinden und an einer anderen Stelle des Songs in einem neuen Kontext wieder auftauchen. Das Auditorium wird in eine Klangwelt entführt, in der Raum und Zeit scheinbar aufgelöst sind. Die Akteure treten selbst hinter ihre Musik und hinter ihr Instrumentarium zurück. Es wirkt als würde sich die Musik von The Necks selbstständig erzeugen. Sie ist aber bei all der Zurückhaltung niemals minimalistisch oder sich selbst repitierend. Sie ist subtil, fragil und ständig treten kleine, fast unauffällige, Veränderungen und Variationen auf. Am besten könnte man das alles noch unter dem Begriff Avantgardistischen Reduktionismus zusammenfassen, der durchaus als Gegenpol zum sonst häufig sehr extrovertierten und selbstdarstellerischen modernen Jazz gesehen werden kann. Einziger Wehmutstropfen nach diesem Konzert ist die Tatsache, dass das Trio nach einem ca. 50-Minuten-Stück die Bühne verlässt. Aber den Necks sollte an diesem Abend ja noch eine Band folgen.
Die Erwartungen an Burnt Friedman´s Secret Rhythms waren nach dem Auftakt, erwartungsgemäß hoch. Das seit dem Jahr 2000 bestehende Projekt, des Kölner Electronic Urgesteins Burnt Friedman (geb. Bernd Friedmann) und dem ehemaligen Can Schlagzeuger Jaki Liebezeit wird an diesem Abend um den australischen Jazz Saxofonisten und Komponisten Hayden Chisholm erweitert. Auch dieser Dreier passt genau in das Motto Hypnotic Grooves doch ist der Zugang ein gänzlich anderer. Der Sound von Secret Rhythms geht eindeutig in Richtung Word-Music. Jaki Liebezeit spielt auf einem Set, das ohne Pedale d.h. ohne Bassdrum und Charleston-Maschine auskommt. Er schafft mit seinem Spiel eine gelungene Melange aus Drum und Percussion Patterns, die auf Präzession und Selbstbeschränkung beruht. Treffend formulierte sein ehemaliger Kollege bei Can, Holger Czukey, das Spiel von Liebezeit: „Jaki spielt wie eine Maschine. Bloß besser.“ (Wikipedia, 04.11.2008) Friedman und Chisholm waren nun beauftragt, dem Spiel von Liebezeit eine klangliche Komponente beizufügen. Friedman mit Electronics und Keybord ausgestattet schafft dies mit weichen, harmonischen Synthesizer-Sounds und komplementären industriellen Geräuschen am Laptop. Weiters werden die Drum Patterns mit elektronischer Basedrum unterstützt. Chisholm hingegen improvisiert mit Oboe, Fagott und Melodica über die entstandene Klangstruktur und gibt dem Sound die jazzige Note. Mit den ersten Stücken vermochte die Musik auch einen hypnotischen Sog zu entwickeln. Doch im Gegensatz zu The Necks schaffte es dieses Reduktionsprojekt nicht, über die ganze Länge, bei einem Großteil der Zuhörerschaft Aufmerksamkeit zu erregen. Die Stücke waren nicht autark genug, und bald bekam man das Gefühl, das Eine oder Andere schon zuvor gehört zu haben.
Eines vermochten aber beide Acts des Abends, nämlich entgegen aktuellen Trends, an den Intellekt des Zuhörers und sein Gespür für feine Nuancen in der Musik zu appelieren, anstatt ihn mit Klangverfettung, rasanter Beschleunigung und überladener Technik eher zu überwältigen.
Bericht: Alexander Csurmann
Foto: Alan Murphy
Zitat: Wikipedia