Am kreativen Strom: Chris Emray im Interview

Mit den Beigaben Kreativität und Selbsttreue rückte der aus Niederösterreich stammende Musiker Chris Emray in den letzten Jahren schrittweise aus dem Bühnendunkel in das Spotlight des öffentlichen Musikinteresses. Der erst 25-jährige Singer-Songwriter spielt gut konsumierbaren Pop-Rock von schon beachtlicher kompositorischer Schlagkraft. Ein Interview von Martin Macho.
In Kooperation mit mica – www.musicaustria.at

Am 26. Juni hast du mit deiner Band in der Wiener Stadthalle im Vorprogramm von Eric Clapton gespielt. Welche Eindrücke konntet ihr mitnehmen?
Einfach überwältigend, vor etwa 10.000 Leuten zu spielen. Es ist schon interessant zu sehen, wie du Leute auf deine Seite ziehen kannst, die eigentlich gar nicht wegen dir gekommen sind. Die Lichter gehen aus, du gehst auf die Bühne, alle schreien, bis sie checken, dass der da oben gar nicht Eric Clapton ist – und trotzdem kannst du die Menschen dann dazu bringen, mit deiner Musik mitzugehen. Das ist natürlich eine super Bestätigung, die man sich nirgends sonst holen kann, außer vor so einer Menschenmasse.

Wie bei Clapton ist auch dein Instrument die Gitarre. Welche Bedeutung hat sie für dich als Ausdrucksmittel?
Im Gegensatz zu Clapton liegt mein Fokus nicht auf der Gitarre, sondern auf meiner Stimme. Manche Dinge kann man zwar fast nur auf der Gitarre ausdrücken – bestimmte Zerlegungen oder Licks, denen Gefühle zugrunde liegen, die man mit der Stimme nicht wiedergeben kann –, aber trotzdem bleibt meine Stimme das vielfältigste Instrument. Unter anderem auch, weil man mit Worten und Sprache noch mal ganz andere Dinge transportieren kann. Die Gitarre dient mehr der Unterstützung.

Liegt dein Fokus mehr auf der akustischen, oder der E-Gitarre?
Kommt ganz darauf an. Eigentlich ist es mehr die Akustikgitarre, da ich auch meine Songs darauf schreibe. Manchmal bietet sich die E-Gitarre mehr an, weil man da einfach ganz andere Soundmöglichkeiten hat. Die Akustikgitarre vermittelt halt eine gewisse Intimität und eine Art Club-Atmosphäre.

Du schreibst deine Lieder selbst. Wie ist da deine Arbeitsweise?
Unterschiedlich, das kann man so nicht in einen Topf werfen. Wenn ich einen Song schreibe, kann der in einer Stunde fertig sein, manchmal dauert es aber viel länger. Da fängt man an, dann weiß man plötzlich nicht mehr weiter, probiert es ein paar Wochen später wieder, und so weiter. Da braucht es oft ein halbes oder ganzes Jahr, bis der Song fertig ist. Dem Entstehungsprozess muss man aber Zeit und Raum geben, sonst wird erfahrungsgemäß nichts daraus. Den kreativen Strom muss man fließen lassen, so wie er kommt.

Woran arbeitest du gerade?
Ich nehme gerade mit meiner Band einen neuen Song auf, „Under Control“. Da geht es darum, dass jeder irgendetwas hat, was ihn oder sie unter Kontrolle hält. Liebe, Arbeit, Drogen, was auch immer. Darüber wollte ich immer schon ein Lied schreiben, weil mich das an der Natur des Menschen fasziniert. Es wird eine Ballade, die ausnahmsweise am Piano anfängt. Fertig gestellt ist bereits die neue Single „Can´t Take It“. Wenn man sich jetzt im Newsletter meiner Homepage anmeldet, wird sie gratis zugeschickt.

Spielst du jetzt außer Gitarre auch noch Klavier?
Ja, ich übe seit etwa eineinhalb Jahren am Klavier. Das ist aber noch im Versuchsstadium, live würde ich mich da noch nicht drübertrauen!

Deine Band ist schon erwähnt worden, stelle sie mir doch bitte vor!
Martin Pittamitz ist an der ersten Gitarre. Matthias Wess ist unser Allrounder, er spielt Bass und Keyboards. David Butschek spielt Schlagzeug und Percussions. Martin und Matthias singen auch die Backing Vocals.

Seid ihr gerade auf Tour?
Sagen wir so, ich nehme die Auftritte so, wie sie gerade kommen. Eine Tour ist zwar in Planung, das bedarf aber einer guten Vorbereitung. Wir haben erst jetzt ein paar Gigs gehabt, einfach um dabei zu bleiben und die notwendige Routine zu bekommen.

Bist du auch solo unterwegs?
Ja, sowohl als auch. In der Stadthalle natürlich mit Band, weil es voller klingt und das alleine nicht zu transportieren ist, was man mit der Gruppe rüberbringt. Alleine mache ich oft Unplugged-Geschichten, C. E. Bandbei denen ich meine Songs so vorstelle, wie sie ursprünglich geklungen haben. Da bin ich sehr flexibel.

Du warst 2011 sogar im Rennen um die Teilnahme am Song Contest. Welche Erfahrungen hattest du da?
Damals war das so wie ein Sprungbrett für mich, so irgendwie: Das erste Mal auf sich aufmerksam machen. Der Song Contest selbst ist ja meiner Ansicht nach zu einer Veranstaltung geworden, bei der es nicht mehr wirklich um die Musik geht, und das finde ich schade. Es ist ein riesiger Apparat, der den einzelnen Künstler kaum mehr berücksichtigt, und der sich nur an Publikumsreichweiten und am Marketing orientiert. Ein zweites Mal würde ich es wahrscheinlich nicht machen. Aus demselben Grund will ich übrigens zu keinen Castingshows gehen. Die Musik ist da zweitrangig, wichtig ist nur der Produktverkauf.

Welche künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten lassen dir diese Veranstaltungen dann?
Weitestgehend war ich schon ich selbst, und habe mich auch so vorgestellt. Das ist das Positive, das man für sich nutzen kann. Das ganze Drumherum, mit Verträgen und so fort, ist aber von vorne bis hinten durchgebrieft. Je größer die Veranstaltung, desto geplanter ist das Ganze. Es ist nicht immer alles so locker, wie es vielleicht von außen aussieht.

Sieht du dich jetzt – drei Jahre danach – mehr „independent“ als damals?
Auf jeden Fall. Über die Jahre lernt man halt, dass man sich nicht immer nach anderen richten darf, sondern sein Ding durchziehen muss – unabhängig davon, was andere Leute dazu sagen! Wichtig ist, sich selbst treu zu bleiben, das merkt man dann auch auf der Bühne. Immer nur versuchen zu wollen, eine Rolle zu spielen, kann auf die Dauer nicht funktionieren.

Weblinks:
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Fotos: © Peter Michalski