Leno Gasser

Unser*e »Drummer*in des Monats« im März 2022 ist Leno Gasser aka Sticky Lenz. Leno ist Drummer*in bei Just Friends and Lovers, Bosna, Lonesome Hot Dudes und noch einigen anderen Projekten und hat uns im Interview verraten, warum Technik nicht alles ist, wie der Einstieg in die Bandmusik war und was beim Schlagzeug spielen wichtig ist.
Nora Blöchl

Bei welchen Projekten spielst du derzeit Schlagzeug?

Ich habe meistens mehrere Projekte gleichzeitig am Start. Meine erste Band sind Just Friends and Lovers – die gibt es auch immer noch. Da hatten wir letzten Sommer zehnjähriges Bandjubiläum. Das ist ein Trio, bei dem wir uns an den Instrumenten abwechseln und mit einem sehr verspielten Zugang Musik machen. Wir haben uns da alle zum ersten Mal am Schlagzeug, E-Bass und anderen Instrumenten ausprobiert.

Gab es einen Grund, warum ihr euch an allen Instrumenten versucht habt?

Uns war immer wichtig, das zu machen, worauf man gerade Lust hat. In der Band geht es weniger um technische Fähigkeiten, sondern um die Freude am Tun. Aus diesem Grund haben wir uns das Wechseln der Instrumente beibehalten. Das funktioniert bis heute sehr gut, weil so immer wieder neue Sachen entstehen. Das war mein Einstieg in die Bandmusik.

Das heißt vor zehn Jahren hast du begonnen, Schlagzeug zu spielen? Hast du dir alles selbst beigebracht oder hast du Unterricht genommen?

Ja, genau. Das war vor zehn Jahren. Wir haben uns das wirklich alles selbst beigebracht und dann einfach probiert und das Schlagzeug für uns selbst entdeckt. Ich habe mir natürlich immer wieder von Leuten Beats zeigen lassen, die mir gefallen haben. Zweimal war ich auch bei Aurora von Petra und der Wolf und habe Schlagzeugstunden genommen.

Hast du vorher schon ein Instrument gespielt?

Ich habe als Kind recht klassisch mit der Blockflöte begonnen und habe später auch Klavierunterricht genommen. Da musste ich natürlich viel üben. Als Teenager habe ich dann auch die Gitarre in die Hand genommen und das war viel freier. In meinem Freundeskreis haben wir uns da am Abend am Spielplatz getroffen und uns gegenseitig Lieder beigebracht und gesungen. Aber damals war es für mich noch unvorstellbar, selbst in einer Band zu spielen. Mein großer Bruder hatte zu der Zeit eine Band und da war ich hin und wieder beim Proben dabei und habe zugehört. Und obwohl ich damals auch schon Bands gehört habe, in denen Frauen spielen, war es nicht in meinem Gedankenhorizont, dass es möglich ist, als Frau* in einer Band zu spielen. Glücklicherweise habe ich Lina kennengelernt. Sie war meine Nachbarin in Graz und in der Punk-Szene aktiv. Lina hatte da schon die Band Lady Lynch und Vero, die Dritte im Bunde (Just Friends and Lovers) war auch eine gute Freundin von Lina. Wir haben damals viel Zeit miteinander verbracht und sind auch auf viele Konzerte gegangen. Da haben wir immer wieder Frauen auf der Bühne gesehen, die ganz selbstbewusst ihr Ding gemacht haben. Außerdem haben wir auch immer wieder Bands gesehen, die nicht den Anspruch hatten, alles technisch super gut zu machen. Auf der Bühne darf es auch um etwas anderes gehen. Und gerade diese Bands hatten so eine ansteckende Verspieltheit. Da habe ich mir dann gedacht, ich will eine Band und habe Vero und Lina gefragt, ob wir das einfach machen. Der Proberaum war ganz schnell da und wir haben losgelegt.

Wie alt wart ihr da?

So Mitte zwanzig. Und natürlich ist das dann weitergegangen. Jetzt spiele ich in unterschiedlichen Bands. Als Vero weniger Zeit hatte, haben Lina und ich ein neues Projekt gestartet: Das waren die Lonesome Hot Dudes. Da sind wir fünf FLINTA*-Personen und haben auch eine fixe Besetzung. Ich spiele in der Band ausschließlich Schlagzeug. Leider war ja die letzten Jahre sehr wenig los, aber wir schreiben uns immer wieder mal ein E-Mail, dass es schön wäre, wiedermal was zu machen.(lacht) Dann bin ich auch noch bei den Goldsounds, die ich immer wieder gern erwähne, weil ich nicht will, dass es die nicht mehr gibt. Das ist so ein Indie-Projekt, wo wir auch Instrumente tauschen. Ich bin mir sicher, wenn wir alle so 50 Jahre alt sind, werden wir da ganz tolle Konzerte spielen. Leider sind wir jetzt sehr verstreut. In Gedanken gibt’s die Band trotzdem für mich. Außerdem spiele ich noch bei Bosna. Das ist momentan das aktivste Projekt. Das ist ein Duo mit Pete Prison IV (er hat mir auch den Stage Namen Sticky Lenz angehängt – sticky wegen klebrig und Sticks). Das hat sich durch Zufall ergeben, weil Just Friends and Lovers und Bosna gemeinsam im EKH gespielt haben und Pete gefragt hat, ob ihn eine von uns am Schlagzeug begleiten kann. Bosna hat mich interessiert und so bin ich dann da eingestiegen und jetzt in der fixen Besetzung dabei. Natürlich war das anfänglich eine Herausforderung, weil ich da zu Loops dazuspiele. Außerdem bricht Pete gern mit Hörgewohnheiten und er verwendet auch immer wieder ungewöhnliche Takte. Das Songwriting ist ziemlich außergewöhnlich, weil es wenig klassische Songstrukturen gibt. Dann gibt’s noch eine Band, die gibt’s eigentlich gar nicht. Die heißen Losing Oil. Ich bin mal mit ein paar Leuten nach Ungarn in ein Haus gefahren und wir haben unsere Instrumente mitgenommen. Der Bus hat bereits auf der Hinfahrt Öl verloren – deshalb auch der Bandname Losing Oil. Das war eine super Zeit, in der tolle Songs entstanden sind. Die Songzeile „I like the smell of dyke“, die ich bei der Video-Session singe, kommt von einem unveröffentlichten Losing Oil-Song. Ich weiß nicht, ob es die Band jemals geben wird, aber sie ist schon jetzt legendär. (lacht)

Gibt es in nächster Zeit Konzerte?

Momentan steht nur mit Bosna was an: Wir spielen am 20.4. beim replugged in Wien, am 17.6. beim Youki Wels und am 18.6. in der Roten Bar im Volkstheater Wien.

Wie viele Stunden pro Woche sitzt du denn hinter den Drums?

Also wenn jetzt kein Konzert ansteht oder wir an etwas arbeiten, raffe ich mich nicht dazu auf, in den Proberaum zu gehen. Es kann schon cool sein, alleine zu spielen und man kann schon auch in Trance verfallen und das sehr genießen, aber ich brauche meistens ein Ziel, um das zu machen. Für mich ist Schlagzeug spielen etwas Verspieltes und es ist halt auch schöner, mit anderen zu spielen. Deswegen habe ich auch bei der Aufnahme beschlossen, dass ich mit Gesang experimentiere. Ich mag es, mit dem Schlagzeug etwas anzutreiben oder etwas zu unterstützen oder auch umgekehrt, von etwas angetrieben/unterstützt zu werden. Es ist super, wenn ein Dialog zwischen den Instrumenten entsteht und ich auf etwas eingehen kann. Alleine funktioniert das für mich nicht so gut.
Bei der Video-Session dachte ich mir: Das kann jetzt voll peinlich werden. Es war mir dann aber lieber, es ist ein bisschen peinlich als fad.(lacht) Das sind dann auch so Dinge, wo man sich verletzlich macht. Das ist gut.

Gibt es Musiker*innen, die dich besonders inspirieren beim Schlagzeug spielen?

Prinzipiell ist es immer inspirierend, wenn man auf einem Konzert ist und sich denkt, da ist jemand mit Freude oder Leidenschaft dabei. Es gibt Konzerte, die schaue ich mir an und da gehe ich raus und habe total Lust auf den Proberaum. Meistens beeindrucken mich Musiker*innen, die keine Angst davor haben, Fehler zu machen oder auch das Fehlerkonzept in der Form nicht haben. The Raincoats And The Slits sind so eine Band. Die haben mich reich beschenkt. Da könnte ich als Drummerin also Palmolive nennen. Sie hat mal gesagt, für sie ist Musik machen, wie malen. Und im besten Fall, wie wenn ein Kind Farben in die Hand nimmt und noch nicht im Kopf hat, was da rauskommt, sondern die Farben einfach nach Lust und Laune mischt. So klingt, auch die Musik von denen. Das finde ich sehr inspirierend.
Lime Crush ist auch noch eine Band wo ich am Bass mitspiele. Mit denen habe ich mal als Vorband von The Gossip gespielt. Das war ein unvergessliches Musikerlebnis, weil ich da von hinten zusehen konnten, wie Hannah Blilie spielt. Sie hat bei jedem Lied den Text mitgesungen und ist so richtig gehüpft am Schlagzeug. Sie war total mit Freude in der Musik drinnen.

Also bei dir geht es nicht um die Technik oder den Beat, sondern um das was man transportiert?

Ja, so könnte man es sagen. Es ist schön, wenn Personen da im Element sind und das spüren.

Wie würdest du dein eigenes Schlagzeugspiel mit einem Wort beschreiben?

Sticky!

Hast du einen Lieblingsbeat?

Nein! Das war ja auch der Auftrag für eure Video-Session. Ich bin dann in den Proberaum gegangen und wollte das herausfinden. Da bin ich aber dann draufgekommen, dass ich keinen Lieblingsbeat habe und dass ich irgendetwas brauche, zu dem ich spielen kann.

Hast du Lieblingsequipment?

Prinzipiell spiele ich auf allem, was ich finden kann. Ich kenne mich da auch gar nicht so gut aus, aber jetzt gibt es inzwischen schon ein Set aus Snare und Becken, mit dem ich sehr zufrieden bin. Es war lustig, weil wir bei der Losing Oil-Session in Ungarn die Beckentasche vergessen haben. Da gab’s eine Garage mit Klumpert und aus dem habe ich dann einfach etwas zusammengebaut, was Geräusche macht. Das war auch sehr einladend, einmal andere Sachen zu spielen als sonst. Jetzt besitze ich auch ein Chopper Becken. Das macht ein bisschen einen anderen Sound. Ich hatte es auch bei der Video-Session mit, weil es ein Element ist, dass mich einlädt, etwas zu spielen, was ich sonst nicht mache. Klingt halt sehr blechig. Aber normalerweise habe ich keine großartigen Sachen, außer so ein kleines Splashbecken. Das habe ich immer auf der Hi-Hat und das mag ich gerne für Akzente.

Du singst auch beim Spielen? Ist das leicht für dich?

Das fällt mir recht leicht. Ich kann relativ schnell mit der Stimme improvisieren und catchy Melodien raushauen. Das mache ich gerne. Auch zu Gitarre und Bass singe ich gerne. Da kommt dann eigentlich immer etwas anderes heraus. Es kommt also darauf an, welches Instrument ich gerade bespiele. Die Attitude ist da immer anders.

Ihr habt ja zum zehnjährigen Jubiläum von Just Friends and Lovers eine Kassette mit Covers von euren Songs herausgebracht. Wer hat denn da gecovert?

Genau! Wir haben da eingeladen und haben uns zum Geburtstag gewünscht, dass Bands, die unsere Musik mögen, Lieder von uns covern. Es ist tatsächlich eine Kassette zusammengekommen. Das hat uns sehr gefreut. Da haben zum Beispiel The Damski, Шапка (Schapka), Lurch, Kometa oder Just Roommates and Dogs gecovert. Also da haben auch Leute schnell eine Band für das Cover gegründet.(lacht)

Was würdest du jungen Drummer*innen auf ihren Weg mitgeben?

Es war für mich damals sehr wichtig, dass ich mit Punk und mit einem freieren und leichteren Zugang zu Musik in Berührung gekommen bin. Das Verlernen von Ansprüchen und Zugängen hat mir vieles eröffnet. Ich musste wirklich lernen, mich frei auf etwas einzulassen. Damit habe ich zum Beispiel auch das Klavier wieder voll für mich entdeckt. Jetzt bin ich sehr dankbar dafür.

Darum würde ich sagen, einfach nichts scheißen, sich hinsetzen und mit einer Freude versuchen, das Ding zu machen. Habt keine Angst vor Fehlern und keine Angst davor, ganz anders zu klingen. Fehler können die ganze Sache auch erst interessant machen. Sich einfach vorzustellen, man nimmt die Sticks in die Hand, wie Kinder Buntstifte in die Hand nehmen.