Im Lo-Fi Fiebertraum mit Nichi Mlebom

Ein Debütalbum, das kein Blatt vor den Mund nimmt, die Stimmung der Jugend wiedergibt und musikalisch das Chaos von heute unterstreicht – es ist nur etwas kurz.
Von Philipp Spiegl

 

Der aus Graz bekannte Musiker Julian Werl (Land of Ooo, Baits) veröffentlichte am 01. Oktober sein erstes Soloalbum „Nichi Mlebom“. Die streng limitierte Vinyl wurde auf dem Label Korobushka Records aus Ostrava und Big Cake Records aus Wien veröffentlicht und war innerhalb 15 Minuten ausverkauft. Erhältlich ist das Album auf Kassette (Bughead Records) und auf den Streaming Services.

Mit dem Intro „Life/Life Balance“ wird uns ein erster musikalischer Eindruck gewährt, ohne zu viel zu verraten. Synthies und Lo-Fi Gitarren schleichen sich langsam an und bauen Spannung auf bis die, mit Effekten beladenen, Vocal Spuren sich breit machen.

Das Intro geht nahtlos in die Indie Nummer „I was Social Distancing Before It Was Mainstream“ über und beschert damit den ersten Ohrwurm und die einzige Kollaboration auf dem Album – Bass spielt Vendula Pukyšová, unter anderem bekannt von der Band Sinks aus Brno (CZ).

Darauf folgt die laid-back Ballade „Staring Into The Sun”. Prominente Vocals und eine groovy Bassline a lá Tame Impala machen sich zwischen quirky Gitarren breit. Mit über fünf Minuten zieht sich der Song streckenweise gefühlt recht lang. Bei „Fever Dreaming“ ist der Name Programm und verstimmte Gitarren stapeln sich harmonisch übereinander und dominieren auf ganzer Länge.

„Easy“, der nächste Track, erschien schon als Vorab-Single und ist definitiv ein Highlight. Was Werl das ganze Album hindurch schafft, zeigt sich auf diesem Track wohl am deutlichsten. Die Musik transportiert diese zynische, trotzige Stimmung ungemein und fügt in diesem Fall noch eine Extraschicht Sarkasmus hinzu. Der Song beschreibt den allgemeinen Umgang mit Mental Health und wie oft dieser nicht ernst genommen bzw. falsch verstanden wird.
Die beinahe tanzbare Rhythm Section hintergeht uns , spielt der Hörerschaft Leichtigkeit vor bis der Refrain in die Ohren trotzt.

In „Be My Guest“ scheint sich Werl selbst zu langweilen, so klingen jedenfalls die Vocals. Erst ab 3:00 Minuten geht das Instrumental dann auf und verliert sich in Delay’s. Die Entscheidung wieder auf das Riff zu kommen, überrascht etwas.

Auf „No Sleep“ tänzelt erneut eine Bassline zwischen den Vocals, die mich ebenfalls nicht ganz überzeugen wollen, der Track tropft vor sich hin bis das Eingangsriff von „Future Happening“ überrascht. Schon fast wie ein Kinderlied klingend präsentiert der letzte Song des Albums ein optimistisches Instrumental und verzerrte Vocals. Den Chorus muss man zwar etwas suchen gehen, jedoch punktet der Song mit spannenden Sounds und Detailverliebtheit.

Nach knapp 31 Minuten verlässt uns Nichi Mlebom wieder und somit bleibt der musikalische  Fiebertraum von Nichi Mlebom etwas kurz. Gerne hätte ich noch etwas mehr Chaos und Abwechslung bei der Inszenierung gehört, jedoch überzeugt das Gesamtkonzept auf ganzer Länge. Ein ehrlicher Blick auf eine nervende, langweilige Realität, eine Brücke zwischen Spaß und Ernst. Es bleibt: Hunger auf mehr.


Foto: (c) Eva Brunclíková
Album Cover: (c) Leonie Schlager