Al Pone im Interview
Seit über zehn Jahren ist er versierter Battlerapper, hat im Laufe seiner Karriere die ein oder andere Erfahrung mit intensen Grazer Crew-Beefs gemacht und in 2022 mit “Balkanski” einen der fettesten Rap-Tracks des Jahres rausgebracht: Wir haben mit Al Pone über die Szene, persönliche Entwicklung und Winterdepressionen geredet.
von Stephanie Gaberle
Pic by Sanctus Munyaneza
Im Zuge eines Jahrzehnts hat Benjamin Riegler aka Al Pone mit hartem und technisch hochklassigem Battlerap in der Grazer- und dann bundesweiten Szene Präsenz aufgebaut. Nun löst er zunehmend seinen gewohnten Stil auf und demonstriert mit seinen aktuellen Projekten die Vielseitigkeit seines Skillsets. Seine von 4Tact produzierte und 2022 releaste EP „Balkanski“ überzeugt nicht nur mit tiefgründigeren, kritisch-ironischen Texten, sondern auch mit einem verstärkten Trap-Einschlag, dementsprechend heftigen Beats und mehr melodiösen Elementen. Das schöpft nicht immer das komplette technische Potential des Rappers aus, macht seine Musik und die Messages dahinter aber zugänglicher, noch besser greifbar. Die Themen sind intimer, kritischer und ernster als früher, beleuchten private Struggles und connecten zudem mehr mit den bosnischen Wurzeln des Grazers.
Die SIN EP ging ja schon mehr in die Richtung von dem, was du aktuell machst. Wie hat sich das entwickelt? Hast du mit deinem aktuellen Stil deine Komfortzone verlassen oder wolltest das eh immer schon machen?
Ich habe tatsächlich schon lange davon geträumt, melodischere und emotionale Musik zu machen, aber aufgrund meiner ersten Kontakte in der Branche hat sich das eher in Richtung Technik entwickelt und weniger Gefühle waren im Spiel. Ich habe mich damals halt angepasst und das war auf eine gewisse Art und Weise auch cool, da ich technisch sonst nicht da wäre, wo ich jetzt bin. Irgendwann habe ich in dem Umfeld ein wenig den Spaß an der Musik verloren, aber seit ich mich abgekapselt habe und mein Ding mache, passt es wieder. Ich wollte weg von dem Gedanken, was die anderen darüber urteilen – wo man dann hauptsächlich darauf achtet, eine Punchline nach der anderen zu haben oder Leute zu beeindrucken. Seit ich nicht mehr so viel darauf gebe, habe ich wieder mehr Motivation und Freude. Deutschrap hat sich in den letzten 5–6 Jahren stark verändert, es gibt keine Grenzen mehr, in welche Richtung du gehen willst oder wie du Tracks strukturierst. Ich kann auch vieles davon feiern – wenn’s cool ist, warum nicht? “Old School” Rap soll mit dem neuen Stuff natürlich nicht ausgelöscht werden, die Möglichkeiten werden einfach erweitert. Mittlerweile macht man nicht mehr nur Rap – man macht Musik.
Wie äußert sich so eine Änderung nach so vielen Jahren in der Szene?
Die jungen Leute im Rap regeln das alles so locker-flockig, so scheint es. Aber wenn man dann 15 Jahre im Game ist, muss man das Starre, das Eingelernte aus dem Kopf kriegen und sich ebenso weiterentwickeln. Es gibt viele kleine Bubbles im Deutschrap, wo die einen nichts von den anderen mitkriegen, alle für sich separat funktionieren. Was mich betrifft, als ich mit einem neuen Sound angefangen habe, habe ich mich Nächte lang durchgequält, aber im Endeffekt war es nicht so schlimm wie erwartet. Ich habe persönlich keinen Hate abbekommen, obwohl ich etwas Neues ausprobiert habe.
Möchtest du in Zukunft auch in diesem Stil weitermachen?
Die Frage beschäftigt mich schon seit Oktober. Ich habe noch nie so viel positive Resonanz bekommen wie nach ‘Balkanski’, das hat einiges geändert. Natürlich wollte ich zuerst genau so weitermachen, aber dann ist mir eine feine Winterdepression dazwischengegrätscht. Also ich weiß noch nicht genau, welchen Stil ich schlussendlich fortführ – eher so ähnliche Sachen wie ‘Made it’ – und ich hab auf jeden Fall vor, auch weiter anständig den Jugo raushängen zu lassen.
Winterdepression, feel ya. Wie gehst du damit um, hast du Tipps?
Depressionen sind generell schwierig und öffentlich leider noch immer oft ein Tabu. Als Mann wird einem eingetrichtert, du sollst keine Schwäche zeigen – aber was tun, wenn man diese Gefühle trotzdem empfindet? Durchs Verdrängen gehen sie jedenfalls nicht weg. Vor allem auf Social Media dominiert das Bild eines “perfekten Lebens”, das kann einem dann echt noch den Rest geben, wenn man gerade eh schon ein wenig im Loch steckt. Da muss man einfach immer happy sein und das geht schlichtweg nicht. Es ist nicht einfach, aber ich finde nach wie vor, dass am besten das Schreiben therapiert. Dinge in Worte zu fassen, die einem im Gehirn rumspuken, befreit einfach, ordnet ein wenig das Chaos im Kopf. Und obwohl dadurch viele Tracks entstanden sind, die ich wahrscheinlich nie veröffentlichen werd, geht es mir danach immer besser. Mein Freundeskreis bezeichnet mich als eher extrovertiert, aber hin und wieder will ich einfach nur für mich und in Ruhe sein. Da steht dann Netflix am Programm – mit Peaky Blinders, Rick & Morty und manchmal Kriegsfilmen.
Wie findest du dich in der Grazer Rapszene mittlerweile ein? Zu Beginn deiner Karriere gab es da ja auch noch eine Menge Beef?
Ja, da ging es früher wild zur Sache, teilweise ist das auch heute noch so – ohne jetzt Namen zu nennen. Ich versuche mich da vorwiegend rauszuhalten. Rap ist für mich immer noch Competition, das gehört dazu und ich schaue es mir gern hin und wieder an. Mittlerweile distanziere ich mich aber auch klar davon, da das Battlen in erster Linie dazu dient, seinen Gegenpart absichtlich möglichst schlecht darzustellen. Durch das Internet und die vielen Informationen, die man online finden kann, gibt es dahingehend immer mehr Geheimnisse und Recherchearbeit zu leisten – und da wird’s dann richtig dirty und toxisch. Wenn man das alles ausreizt, kann es dazu führen, dass sich Leute in einen eigenen Film hineinsteigern, der in Folge oft negative Wendungen nimmt. Ich denke, es ist wichtig, seine Fähigkeiten und Skills immer weiter zu verbessern, anstatt nur darauf aus zu sein, die anderen schlecht zu machen. Ich wohne aktuell in einer WG mit BanDan und KalpOne, das sind Rapper, die immer noch am Battlen sind. Also ich krieg das noch mit, aber bin nicht mehr emotional involviert.
Welche neuen Projekte stehen am Plan?
Meine nächste EP ist schon fast fertig und wird im Frühjahr erscheinen, voraussichtlich bis April. Ich werde produktionstechnisch wieder mit 4Tact zusammenarbeiten, weil die Kooperation einfach toll funktioniert. Ich möchte meinen Produzenten an dieser Stelle auch explizit hervorheben und ins Licht rücken, da die Leute “im Hintergrund” oft nicht die Anerkennung bekommen, die sie verdienen. Natürlich leisten nicht alle Produzenten die gleich gute Arbeit, aber in diesem Fall hat 4tact wirklich großartig abgeliefert. Mit unserem Label Pulverfass läuft es auch top, wir haben einen Förderantrag gestellt und schauen was geht – es gibt einiges in der Pipeline. Gegründet hab ich das Label mit Kizmet, Spello war von Anfang an dabei. Und dann gibt’s unsere Neuzugänge KalpOne und Hias Ledger.
Du äußerst dich auch häufig politisch, gibts da etwas, das dir gerade besonders am Herzen liegt und dem du noch Raum geben möchtest?
Elke Kahr ist genial. Ja, das wollte ich noch sagen.
Nächstes Event: Unter dem Motto „United for Hip Hop“ gibt es am 27.1. die steirische Hip Hop Nacht von Dirty South Entertainment.