Paul Sailer
Ihr seid seit 2008 als My Glorious aktiv. Mit der Zeit so aktiv, dass du irgendwann vor der Entscheidung gestanden bist: Studium oder Band. Es scheint die richtige Entscheidung gewesen zu sein…
Ich habe vier Jahre lang Jazzschlagzeug studiert und als es mit My Glorious bergauf gegangen ist, war nicht mehr viel Zeit für das Studium übrig. Ich hätte eineinhalb Jahre lang noch alles andere liegen und stehen lassen müssen und mich noch viel mehr auf Jazz einlassen müssen, um es gut abzuschließen. Es war eine schwere Entscheidung, muss ich sagen. Es gibt ja auch Eltern, die sagen, man sollte etwas zu Ende bringen. (lacht) Was ich aber auch verstehen kann, ich habe mir das natürlich selbst auch gedacht. Noch dazu habe ich davor ein Jahr lang etwas anderes studiert und erst dann mit dem Jazzschlagzeugstudium begonnen. Für mich war die Entscheidung, Musik zum Beruf zu machen eine schwierige. Es gibt viele Menschen, die irgendwann im Leben bereuen, vor Jahren nicht mutiger gewesen zu sein. Ich wollte damals mutig sein.
Aber es ist ja in Österreich nicht allzu leicht, als Musiker sein Brot zu verdienen. Es gibt schon Dinge, die hierzulande gut gehen – Unterrichten zum Beispiel. Es gibt Lehrer, die haben eine Stelle und leben gut davon. Ich habe selber auch unterrichtet, habe aber immer gewusst, dass ich nicht der Lehrer bin. Ich wollte Konzerte spielen, Alben aufnehmen und unterwegs sein. – Also eigentlich wollte ich einfach eine Welttournee machen, so schaut’s aus. (lacht) Den Traum muss man behalten, einfach zufällig wird’s nicht passieren. Jedenfalls bin ich erst mit der Zeit draufgekommen, dass mir das Musikmachen und vor allem der Moment, in dem es passiert, das Wichtigste ist. Zu wissen, dass man nicht der geborene Lehrer ist, kann auch wichtig sein, statt sich damit herumzuplagen und vielleicht auch für die Schüler eine Last zu sein. Ich habe nicht ungern unterrichtet, aber es ist nicht meine größte Leidenschaft.
Wie hat sich deine größte Leidenschaft, das Spielen, denn ursprünglich entwickelt?
Ich weiß es nicht genau. Ich komme nicht aus einer Musikerfamilie, von daher steckt es wahrscheinlich nicht von vornherein in den Knochen. Aber ich kann mich erinnern, dass ich mir als Kind ein Schlagzeug aus Papier gebastelt habe, also einfach ein paar Blätter mit Uhu zusammengepickt oder auf Büchern am Bett gespielt – also alles, was ein Achtjähriger eben so tut.
Mein Zwillingsbruder Gregor (Bassist bei My Glorious, Anm.) hat damals auch mit Schlagzeug begonnen. Wir haben grundsätzlich alles gleichzeitig gemacht; unser Vater musste uns die gleichen Trick o Tronic-Spiele kaufen.
Und du hast ihn dann an den Bass verdrängt?
Nein ich glaube, ich war einfach ein bisschen ehrgeiziger am Schlagzeug, habe mehr gespielt und mich ein bisschen mehr in das Ganze reingelassen. Ihm ist irgendwann der E-Bass nahegelegt worden, worüber er jetzt sicher dankbar ist. Als Zwillinge Bass und Schlagzeug zu spielen und eine Rhythmusgruppe bilden zu können, ist schon besonders und das merken die Leute auch, denke ich.
Und du hattest auch Unterricht damals?
Ja, auf der Musikschule in Traiskirchen. Dort hatte ich in 5 Jahren drei Lehrer. Als der dritte aufgehört hat, da war ich Siebzehn, habe ich alleine weitergeübt und viel gespielt. Aber hauptsächlich aus Spaß. Ich habe den fehlenden Input irgendwie durch das Spielen und den direkten musikalischen Input kompensiert. Mit Anfang Zwanzig habe ich auf dem Gustav Mahler Konservatorium bei Michael Prowatznik begonnen. Ich denke, grundsätzlich war es bei mir ein recht klassischer Werdegang: Geübt – in unerfahrenen Bands gespielt – bald in besseren – und schließlich ein Projekt, das gut läuft und in welches ich meine ganze Energie reinstecken wollte.
Habt ihr gleich gemerkt, dass es bei euch perfekt harmoniert?
Wir kennen uns schon eine Zeit, unseren Sänger Sami habe ich ca. 2004 kennengelernt. Gregor kannte ich schon länger. Der springende Punkt war, dass wir es einfach wollten. Wir wollten mehr, als nur fünf Gigs spielen und dadurch haben wir intensiver gearbeitet, unsere Kraft kanalisiert und sind in der Folge bereits ein bisschen in der Welt herumgekommen. Ein paar Träume sind schon in Erfüllung gegangen, muss ich gestehen. Aber man strebt ja immer weiter nach etwas anderem oder größerem und ist selten zufrieden wo man ist. Ich habe nicht vor, meine Träume zu begraben. Kleine wie große.
Welche Träume wären das?
Ein kleines Ziel ist zum Beispiel, regelmäßig Clubtouren in Europa zu spielen, die gut gefüllt sind. Was ja eventuell schwierig ist, wenn die Musik nicht direkt Radioformat hat. Ein weiteres kleines Ziel ist, wieder einmal nach Amerika zu fahren und dort mit einer Band zu touren, die uns gefällt und von der man lernen kann. Wir waren ja bereits ein paar Mal drüben auf Tour; selbst organisiert. Ein großes Ziel ist, Konzerte auf jedem Kontinent zu spielen. Dafür braucht es wohl noch eine Menge Arbeit und auch ein Schauferl Glück. Im Endeffekt läuft im Musikbusiness ja recht viel über Radio, aber verbiegen wollen wir uns nicht, obwohl uns das manche Leute nahe legen.
Apropos Radio – derzeit ja viel diskutiert – wie siehst du die Situation in Österreich?
Wenn man in Österreich von Musik leben will – mit Rock/Pop – kommt man um Ö3 wohl nur schwer herum. FM4 fördert mehr Musik aus Österreich, hat aber wohl einen kleineren Marktanteil. Wir hatten mit unseren letzten Singles das Pech, für FM4 nicht alternativ genug und für Ö3 zu alternativ zu sein. Was tut man als Band dann? Wir hatten schon immer vor, unser Glück im Ausland zu suchen. Unsere erste EP „Leper“ und unser Album „Home is where the Heart breaks“ wurden übrigens recht viel in amerikanischen College-Radios gespielt. Eine tolle Sache, die’s leider in Österreich nicht gibt.
Ihr wart ja bereits recht viel international unterwegs und konntet viele Eindrücke sammeln. Was hat dir besonders getaugt?
Wir waren zu Beginn recht oft in den USA. Vier Mal auf Tour und einmal für eine Album-Produktion. Neben Amerika sind wir sehr viel in Deutschland getourt, worauf wir uns in den letzten drei Jahren stark konzentriert haben, da wir dort bereits eine gute Zahl Fans gewonnen haben. In Amerika waren wir bereits 2008 das erste Mal – unser viertes Konzert überhaupt war damals bereits drüben (lacht) – ein Modedesigner, der unsere Musik bei einem Konzert gehört hatte, hat uns eingeladen, auf seiner Fashion-Show-Tour zu spielen. Schlussendlich war es dann nur eine Show, was wir allerdings erst drei Wochen vor Abflug erfahren haben. Also haben wir eine Menge Bands angeschrieben und uns so selbst – über Myspace – einige Gigs organisiert.
Später habt ihr dann einmal bei der Berliner Fashion Week gespielt, lief das auch über ihn?
Genau, das war auch über Jeff Garner, den Fashion Designer. Das war ein schönes Erlebnis, genauso wie zum Beispiel auch Rock to Bethlehem, ein Festival in der Vorweihnachtszeit, zu dem wir 2009 – lang ist’s her – eingeladen wurden. Unser Fokus ist und bleibt wohl auch weiterhin stark auf’s Ausland gerichtet.
Und wie steht es um euer neues Album, welches für 2014 geplant ist?
Wir haben unsere ersten beiden Alben in Eigenregie produziert und wollten beim neuen mit einem Produzenten etwas andere Wege gehen. Das hat zu einem Teil gut funktioniert, immer wieder hatten die Tage aber nicht genügend Stunden und Produzenten nicht so viel Zeit wie wir. Das kann dann schon mal frustrierend werden, aber vielleicht hat diesmal ein längerer Prozess auch etwas Gutes. Wir haben uns mehr Zeit genommen, über unsere musikalischen Wünsche und Ziele nachzudenken und viel Neues umgesetzt. Wir sind sehr happy mit den neuen Songs.
Hat sich stilistisch vieles geändert?
Es gibt definitiv Unterschiede. Seit einiger Zeit haben wir drei angefangen, mehr Singer-/Songwriter-Sachen und Folk zu hören. Für mich persönlich waren u.a. Glen Hansard, The Frames und Bob Dylan eine große Inspiration. Mein Fokus lag vor einiger Zeit wohl darauf, einen großen, fetten Sound zu „schaffen“. Langsam aber sicher habe auch ich verstanden, dass Musik mehr als das ist. Irgendwann hat mir reine „Fettn“ nichts mehr gegeben und ich habe verstanden: Was mich so berührt, kommt von wo anders und ist intimer. Ein guter Song. Irgendwann haben wir drei angefangen, Bruce Springsteen zu hören und bemerkt, wie viel in seinen Liedern steckt.
Es steht bei vielen Künstlern mit denen wir uns beschäftigt haben, das Lied selbst viel mehr im Mittelpunkt. Das hat sich sicher auf unsere Arbeit ausgewirkt. Aber natürlich sind wir noch immer eine leidenschaftliche Rock Band, obwohl der Sound des neuen Albums ein klein wenig weniger rau und hart sein wird.
Was man bei euren Auftritten des Öfteren sieht, sind die Drumspecials, bei welchen ihr zu dritt am beziehungsweise ums Schlagzeug steht. Wie ist das entstanden, arrangierst du das für alle?
Ich weiß leider nicht mehr genau, wie dieser Drumteil entstanden ist. Ich denke es muss eine spontane Aktion während einer Probe gewesen sein. Jedenfalls hat er sich in seiner Schlichtheit bewährt. Es ist ein fixer Ablauf und obwohl wir manchmal versucht haben, ihn zu verbessern, kommt die ursprüngliche Version scheinbar immer noch am besten an. Es sind einfache Radl’n mit Dreierverschiebungen und anderen Kleinigkeiten. Zwischendurch wird auch gegenseitig nur mit Sticks auf Sticks gespielt. Ich denke, es sind Grooves, die jeder im Publikum versteht und die jedem Spaß machen. Interessant, dass manchmal eine erste spontane Idee irrsinnig viel wert ist, wenn sie aus einem Moment heraus kommt und wenn man versucht, sie abzuändern und etwas Neues daraus zu machen, bekommt man diesen Effekt nicht mehr hin.
Hast du andere Projekte, andere musikalische Leidenschaften? Was ist dein Stil?
Ich spiele manchmal kleinere Projekte hier und da, meist mit Freunden. Ich habe lustigerweise nie Sessions gespielt während meiner Studienzeit, in erster Linie, weil ich mich nicht getraut habe, „gegen die anderen Jazz-Zeugler anzutreten“. Aber letztes Jahr hat mich ein Freund zu einer Session eingeladen und da habe ich mir gedacht: Okay, das Studium ist schon eine Zeit her und ich will und muss niemandem etwas beweisen. Es war dann total schön, wieder diese andere Herangehensweise ans Schlagzeugspielen zu erleben und ich denke, ich werd’s wieder machen (lacht). Mein eigener Stil ist wohl schon durch die Band beeinflusst. Zu Beginn wollte ich unseren Sound mit möglichst vielen Dingen auffüllen, aber mit der Zeit lerne ich, dass guter Groove grundlegend mit Fokus zu tun hat. Im Moment spiele ich gern ruhige Sachen, die Balladen, bei denen ich das Wenige, das ich spiele, bewusst genießen kann. Ich will immer mehr Musik vor allem als Gesamtes erleben.
Also du bist auf der Bühne mehr beim Song als beim Schlagzeug?
Genauso ist es. Wenn alles Gespielte ein großes Ganzes ergibt, ist das für mich das Tollste. Es geht mir um das gemeinsame Erleben.
Interview: Moritz Nowak
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