Werner Groisz
Vor kurzem hast du bei der Jubiläumsfeier von Drummer’s Focus als Moderator durch den Abend geführt. Du selbst hast ja nicht privat, sondern bei Walter Grassmann am Konservatorium studiert…
Genau, nachdem ich – seit ich sieben war – jahrelang in der Blasmusik tätig war, habe ich Walter Grassmann kennengelernt, der mich überredet hat, Musik zu studieren. Trommeln war bei mir schon immer im Vordergrund, aber bei ihm habe ich dann den Jazz kennengelernt mit all seinen Facetten. Wobei ich am Anfang gedacht habe, dass dies nie funktionieren wird. Aber Walter hat mein Talent erkannt und so haben sich die Dinge dann doch entwickelt, obwohl ich keine Lust auf die ganzen Nebenfächer, wie Musiktheorie und dergleichen hatte. Ich wollte einfach raus und spielen. Also habe ich nur den Diplomabschluss am Set gemacht.
Wie stehst du jetzt zu Musiktheorie und Noten?
Wenn man hauptberuflich Musiker sein will, ist es zwar keine Notwendigkeit, sich mit klassischer Musiktheorie auszukennen, aber es kann einem schon sehr helfen. Notenlesen am Drumset sehe ich aber schon als Notwendigkeit, wenn man diesen Job ausüben will. Man muss ja nicht perfekt vom Blatt spielen, aber einfach sich ein paar Notizen machen zu können, bevor man zu einer Probe geht, hilft enorm. Die Zeiten, in denen man eine Band hat und mit dieser ein Leben lang erfolgreich spielt, sind vorbei. Ein Freund von mir hat dafür den richtigen Ausdruck: „Es ist eine romantische Vorstellung, aber mehr leider nicht.“ Daher muss man flexibel sein. Jedoch: Nicht jede geschriebene Note ist Musik. Es dient oft einfach zur Erinnerung. Bei mir lernen die Schüler auch vom ersten Tag an den Umgang mit Noten, da ich der Meinung bin, dass sie sonst Jahre verlieren würden, wenn sie später doch Notenlesen erlernen wollen. Außerdem hilft es natürlich beim Üben. Zu meiner Zeit habe ich aber, wie gesagt, lieber bereits spielen wollen als mich mit Musiktheorie zu beschäftigen. Notenlesen mochte ich jedoch immer schon.
Wie viel hast du während deines Studiums bereits live gespielt?
Ich war schon viel im Einsatz zu der Zeit. Walter Grassmann ist ein Mensch, dem ich immer noch extrem dankbar bin. Ich habe einige Male für ihn substituieren dürfen und war schon während meines Studiums beim ORF und da meist beim Musikantenstadl dabei, was von einigen Leuten am Konservatorium natürlich ein wenig belächelt wurde. Aber, wie mir der Walter damals gesagt hat, war ich dadurch der einzige seiner Studenten, der nur von Musik leben konnte! Der Weg war vielleicht nicht immer der künstlerisch wertvollste, aber ich kann nach 30 Jahren noch immer von der Musik leben und bin extrem glücklich, nichts anderes tun zu müssen.
Könntest du dir heute vorstellen, einen anderen Beruf auszuüben?
Ja, kann ich! Für mich gibt es zwei Arten von arbeitenden Menschen. Auf der einen Seite jene, die einfach arbeiten, weil sie Geld verdienen müssen, nach der Arbeit nachhause gehen und sich denken: „Zum Glück ist es für heute vorbei.“ Dann gibt es jene, die irrsinnig auf ihre Arbeit stehen und stolz auf das sind, was sie tun. Das kann in jedem Bereich sein, nicht nur in musikalischem oder künstlerischem Sinne. Ich kann es mir jetzt aber nicht vorstellen, zu wechseln und würde ich – aus welchen Gründen auch immer – keine Musik mehr machen können, würde das mein Leben wohl um 20 Jahre verkürzen. Ganz einfach weil ich hart gearbeitet habe dafür. Ich habe mittlerweile Frau und Kind, aber es hat lange gedauert bis dahin, weil viele damit nicht klargekommen sind, dass man als Musiker nicht nur einen anderen Tages-, sondern auch einen anderen Lebensrhythmus hat. Meine Frau und mein Sohn stehen dabei aber voll hinter mir und sind so oft es möglich ist mit dabei. Sie wissen, dass für mich die Musik oberste Priorität hat. Seit mein Sohn geboren wurde, bin ich genauso oft unterwegs wie vorher – nur dass ich ein bisschen mehr auf mich aufpasse. Viele bekannte Musiker von mir haben mittlerweile Kinder und richten ihr Leben wunderbar danach aus.
Du hast öfters betont, dass einer deiner Träume war, mit Joe Cocker zu spielen.
Ja, einer meiner größten Träume war, in der Band von Joe Cocker zu spielen. Jack Bruno, nach wie vor einer meiner absoluten Helden, der auch mit Tina Turner spielt, ist Schlagzeuger in seiner Begleitband. In dieser großartigen Band zu spielen, wäre ein Traum gewesen, der leider nicht mehr in Erfüllung gehen kann. Aber gut, dafür sind einige andere tolle Dinge unerwartet passiert, ohne dass es mein Ziel gewesen wäre. Zum Beispiel habe ich vor eineinhalb Jahren ein super Konzert mit Hakim Ludin gespielt, der ein unglaublicher Perkussionist ist und bei dieser Gelegenheit auf der Bühne eigene Kompositionen gespielt, die ich seit vielen Jahren mehr oder weniger für mich behalten hatte. Als ich das dann auf Youtube gestellt habe, bekam ich irrsinnig viele begeisterte Reaktionen. Das sind dann einfache Dinge, die unerwartet passieren, einen glücklich machen und voran bringen, so war das bei vielen Sachen, die mir passiert sind. Es klingt vielleicht komisch, aber auch durch den Musikantenstadl habe ich sehr vieles kennengelernt. So bin ich zum Beispiel auch zu den Auftritten bei Udo Jürgens gekommen. Ich habe mit den Jahren für alle möglichen Leute Jobs gespielt, ganz einfach, weil immer wieder Bedarf war und ob man jetzt für Weltstars spielt oder für Volksmusikanten, ist als Schlagzeuger im Grunde ziemlich egal, denn du sitzt im Studio, hast am Punkt zu spielen, schnell zu funktionieren, Leute zufrieden zu stellen und kannst noch dazu gutes Geld zu verdienen.
Auf deiner Homepage findet sich ein Zitat, wonach es deines Erachtens nur gute und schlechte Musik gebe. Wie begründest du das und wo setzt du da Grenzen?
Für mich spielt da eher das Umfeld eine große Rolle. Es gibt in jeder Art von Musik fantastische Leute, die das von Herzen heraus machen und Leute, die das rein aus wirtschaftlichen Gründen tun. Wobei das früher anders war, da du als Schlagzeuger ins Studio gekommen bist, die Noten vorgelegt bekommen hast und nicht gewusst hast, was draus wird. Heute bekommst du ja schon die fertigen Demos geliefert und kannst schnell erkennen, ob es dir gefällt oder nicht. Aber für mich kann zum Beispiel ein Sänger, der a bisserl schräg singt oder die Töne nicht so ganz genau trifft, bessere Musik machen als etwas das perfekt eingespielt wurde. Musik ist sowieso zu einem großen Teil Business, aber man merkt eben auch schnell, wenn es jemanden ankotzt, weil er es nur für Geld macht. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich nichts spielen muss, was ich persönlich als „schlechte Musik“ empfinde. Aber auch Geld ist nicht immer ausschlaggebend. Man muss sich schon wohl fühlen, um gewisse Dinge tun zu können und super Leistungen abzuliefern. Das ist doch in jedem Beruf so?!
Wie hat es dich eigentlich nach Tirol verschlagen?
Ganz einfach – ich wollte meinem Leben einen neuen Kick geben. Ich habe mich damals von meiner Partnerin getrennt und wollte nach Kanada gehen, nachdem ich einige Jahre zuvor bereits dort gewesen bin. Ich wollte also wirklich den Hut drauf hauen und bin nach Ontario auf eine Pferdefarm gegangen. Auf dieser Pferdefarm wurde ich dann aber von einem Pferd eingeklemmt und habe mir zwei Rippen gebrochen, womit du in Kanada zum Sozialfall wirst und kaum eine Chance auf eine Greencard hast. Als ich dann bei Verwandten in Tirol war, habe ich ziemlich spontan entschieden, für einige Zeit dort zu bleiben – die Landschaft ist ja auch ähnlich. Dass daraus nun 20 Jahre geworden sind, konnte ich damals noch nicht erahnen, aber es hat sich eben alles ergeben, so wie mir dort auch die Stelle in der Musikschule angeboten wurde – als erster Lehrer im Landesmusikschulwesen ohne Klassik-Studium.
Du unterrichtest an der LMS in St. Johann. Dort lehrst du neben Schlagwerk auch Computermusik und Tontechnik. Seit wann setzt du dich damit vermehrt auseinander?
Um es ein bisschen klarer zu definieren: Computermusik ist nicht, Samples zusammenzuschneiden. Es geht vielmehr darum, wie man Computer benutzt, um Klänge zu erstellen und neue Musik zu komponieren. Ich habe das Glück, derzeit mit Adam Holzman zusammen zu arbeiten, der ein gutes Beispiel dafür ist und auf der Bühne Synthesizer einsetzt. Als ich angefangen habe live zu spielen, war für eine 24-köpfige Band ein 24-Kanal-Mischpult bereitgestellt und als Schlagzeuger braucht man natürlich mehrere Mikros, dadurch fing ich mit dem Submischen an und setzte mich in der Folge auch notwendigerweise vermehrt mit Tontechnik auseinander.
Vor einiger Zeit hast du das Projekt SOLDmySOUL ins Leben gerufen. Welches Konzept steckt dahinter und wie ist diese Idee entstanden?
SOLDmySOUL ist ein Pool an Musikern, die stets rund um mich sind. Es ist im Grunde ein Bandprojekt, welches – angefangen vom Jazztrio über eine Rockband bis hin zur Bigband – eine Backingband für internationale Künstler stellt. Ich bin derjenige, über den das läuft und der das organisiert. Es wird oft falsch verstanden und angenommen, dass es eine Vermittlung von Bands ist. Als ich zum Beispiel die Band für Nadine Beiler für den Eurovision Song Contest 2011 zusammengestellt habe, wurde ich gefragt, ob ich denn schon wisse, wer Schlagzeug spielen solle?! Da habe ich realisiert, dass viele denken, SOLDmySOUL sei eine Agentur, die Musiker vermittelt. Aber wenn ich gebeten werde, eine Band zusammen zu stellen, dann möchten die Auftraggeber auch mich an den Drums sehen und es ist auch nicht so, dass ich mehrere Bands gleichzeitig umherschicke, sondern es ist immer nur eine. Ganz einfach, weil ich der zentrale Punkt dabei bin. Das mag vielleicht ein bisschen egoistisch klingen, aber ich bin auch nicht der Typ, der andere Leute ausnimmt und ich bekomme genau den gleichen Anteil der Gage wie alle anderen auch. Das ist der Kern von SOLDmySOUL – ich organisiere es, ich spiele selbst die Drums und ich teile auch die Gage gerecht auf. In vielen Backing- oder Coverbands ist man leicht ersetzbar und wird des öfteren sogar betrogen, also habe ich mir zum Ziel gesetzt, so etwas gleich selbst zu organisieren und fair mit meinen Mitmusikern umzugehen.
Was hat es mit dem Namen SOLDmySOUL auf sich?
Der Name ist manchmal irreführend, weil viele glauben, dass es sich um eine Soulband handle. Den Namen haben wir eigentlich von Mark Schulman, unter anderem Drummer bei P!NK, Foreigner, Billy Idol und ein langjähriger, persönlicher Freund von mir und meiner Familie. Obwohl Bobby Kimble uns auf das Wort gebracht hat, als er gemeint hatte, dass wir eine Coverband mit einem „very souly touch“ sind. Das „Soul“ im Namen hat aber weniger mit Soulmusik zu tun, sondern vielmehr mit der eigenen Seele, die wir in unser Spiel legen.
Viel von dir selbst legst du auch in dein neues Projekt Groisz‘ Choice. Wie unterscheidet sich das davon?
Groisz‘ Choice ist keine Band die mietbar ist, sondern das ist sozusagen meine Band, in der ich im Mittelpunkt stehe und von einem Grundstock an mich umgebenden Musikern begleitet werde. Percussion spielt etwa Stephan Maass, den ich für seinen Ansatz als Perkussionist irrsinnig schätze. Dann ist derzeit eben auch Adam Holzman mit von der Partie. Es gibt diesen alten Wiener Spruch: „Da lad´ ich mir dann Gäste ein“. Genauso handhabe ich das bei diesem Projekt auch.
Spielst du dabei deine eigenen Kompositionen?
Ja. Beziehungsweise auch Kompositionen von Leuten, die ich einlade. Aber es bleibt immer der Spirit und der Sound meiner Band im Mittelpunkt. Wobei dieser Spirit natürlich auch vom jeweiligen Gast beeinflusst wird. Denn genau so soll es ja unter Musikern passieren!
Gibt es Worte, mit denen du dein eigenes Spiel beschreiben würdest?
„Soulig“ am ehesten. Im Sinne von Seele – also mit der Seele dabei zu sein und den jeweiligen Spirit zu verkörpern. Mich haben viele Leute immer wieder gefragt, wie ich es schaffe, so zu klingen als wäre ich der Musiker, den ich covere. Ich schließe quasi die Augen und vergegenwärtige mir die jeweiligen Original-Musiker ganz genau und so komme ich hinein. Ich schaue auch irrsinnig gerne Live-DVDs und kann mich sehr gut in andere hineinversetzen, denke ich. Jack Bruno ist für mich der Laid-back-Schlagzeuger schlechthin und wenn ich Unchain My Heart spiele, dann schiebt die Hihat wirklich nach vorne und die Snare ist extrem spät. Ich schätze mich eben nicht als den großen Künstler ein, sondern wer mich bucht weiß, man bekommt zu einem großen Teil das was man sich wünscht und zu einem kleinen Teil Werner Groisz. Man kann natürlich auch etwas mehr „Werner Groisz“ haben bei bedarf, aber ich bin definitiv nicht derjenige, der sich als Backingmusiker nach vorne drängen muss. Wenn mich jemand anhand dieses kleinen Teils erkennt, dann ist das etwas, was mich als Musiker besonders glücklich macht.
Welchen Tipp würdest du künftigen Profis im Musikbusiness mitgeben?
Ein Thema, welches mich recht beschäftigt, ist die Frage nach Endorsements. Ich mache viele Substitutenjobs, oft auch für junge Leute. Die erste Frage, die mir dabei gestellt wird, ist jene nach meinem Equipment. Die zweite ist immer: „Wie bekommt man ein Endorsement?“ Dabei ist es mir ein Anliegen, zu sagen: Jeder, der sofort fragt, wie man ein Endorsement bekommt, hat eigentlich keines verdient. Man sollte sich eher die Frage stellen, wozu man ein Endorsement braucht. Viele haben da eine falsche Vorstellung. Denn ein Endorsement besteht für mich zu 80 Prozent Geben und 20 Prozent Nehmen. Zuerst muss ich mir etwas erarbeiten und dass die Firmen natürlich auf einen gewissen Nutzen hin kalkulieren müssen, bedenken viele dabei nicht.
Interview: Moritz Nowak
Infos und Kontakt zu Werner Groisz:
Youtube:
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