„Wir machen keine Lobpreismusik“
Cardiac Move haben bewegte Wochen hinter sich. Am 4. November gewann die Band den Ö3-Soundcheck, der ihnen einen Plattenvertrag mit Sony BMG einbrachte. Gut einen Monat später stieg ihre Single „Running In Your Mind“ auf Platz 11 der österreichischen Single Charts ein. Dazwischen wurden Konzerte im Vorprogramm von Kid Rock und Snow Patrol absolviert und der insgesamt hunderste Gig der Band ging im Chelsea über die Bühne.
Beatboxx-Redakteur Alexander Schöpf traf Schlagzeuger Kurosch „Kuri“ Borhanian zum Interview im Café Ritter in der Ottakringer Straße im 16. Wiener Gemeindebezirk.
Vor gut einem Monat habt ihr den Ö3-Soundcheck gewonnen. Machen sich schon die ersten Veränderungen bemerkbar?
Auf jeden Fall. Eigentlich haben wir die ersten Veränderungen schon unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses bemerkt. Du stehst plötzlich in der Öffentlichkeit. Wir haben zwar schon seit längerem darauf hingearbeitet – die Band gibt es schon seit 2002. Jetzt ist es praktisch Schlag auf Schlag passiert. Das Medieninteresse ist viel größer. Wir werden viel im Radio gespielt, wodurch wir auch ein viel größeres Publikum erreichen. Es ergeben sich neue Auftrittsmöglichkeiten, die neue Single ist seit kurzem im Handel und wir haben jetzt auch ein Video gedreht.
Erkennen dich die Leute auch schon auf der Straße?
Nein, aber ich habe gerade vorhin unsere Single gekauft und der Verkäufer hat mich erkannt.
Was sind eure Erwartungen nach dem Gewinn des Soundchecks?
Wirklich erwarten, tu ich mir nix. Wir arbeiten schon lange auf den Erfolg hin und hatten auch schon mehrere kleine Erfolge und einige kleine Misserfolge. Ich denke man ist einfach nicht gut beraten auf Sachen zu bauen, die erst in der Zukunft angesiedelt sind. Ich denke, dass man einfach immer alles geben sollte, sich auch hohe Ziele stecken sollte und ein hohes Niveau fahren sollte, aber auch nicht enttäuscht zu sein, wenn die Sachen nicht so funktionieren, wie man es sich vorstellt.
Habt ihr Angst, dass es einen kurzfristigen Höhenflug geben könnte und ihr danach in der Versenkung verschwindet?
Es ist sicherlich so, dass wir vor allem jetzt am Anfang von Ö3 und von unserer Plattenfirma Sony BMG ordentlich gepusht werden. Das ist natürlich super, aber uns ist auch klar, dass das nicht ewig anhalten wird. Wir wollen versuchen dieses Sprungbrett zu nützen. Deswegen stecken wir auch sehr viel Zeit in die Band. Wir wissen auch, dass von uns gute Musik erwartet wird und wir den Leuten auch das geben müssen, was sie gerne von uns hören. Die Gefahr, dass es einen Absturz gibt ist natürlich gegeben, wenn das ganze nicht auf festen Beinen steht und künstlich aufgebauscht ist. Das ist bei uns aber nicht der Fall; wir sind als Band schon seit einigen Jahren gewachsen. Wir machen einen Schritt nach dem anderen und versuchen immer die Beine fest am Boden zu lassen, immer geerdet zu bleiben. Wir werden versuchen nicht durchzudrehen und abzuheben. Es gibt Leute, die sich selbst total verlassen und sich aufgrund des Erfolges auch total verändern. Ich denke nicht, dass das bei uns passieren wird. Aber gefeit ist man davor natürlich nie.
Wird es in absehbarer Zeit ein Album geben?
Ja, das ist auf jeden Fall geplant. Wir arbeiten daraufhin, dass es im Frühling raus kommt. Wir versuchen jetzt schon konkret darauf hin zu arbeiten, Songs auszuwählen und eventuell auch neue Songs zu schreiben.
Wie viele Songs habt ihr schon geschrieben?
Wir haben eigentlich von der allerersten Probe an eigene Songs geschrieben. Über die letzten Jahre hat sich somit schon ein einiges angesammelt. Wir spielen aber nicht mehr alles, da sich die Band in den letzten Jahren weiter entwickelt hat. Insgesamt werden wir zwanzig bis dreißig Stücke in die engere Auswahl für das Album nehmen.
Bist du als Schlagzeuger ins Songwriting eingebunden?
Es ist grundsätzlich so, dass wir die Songs gemeinsam erarbeiten. Die Texte schreibt fast ausschließlich unser Sänger Johnny, was auch gut so ist, weil es authentischer rüber kommt. Was die Musik anbelangt ist es so, dass viele Ideen von Johnny und Emi (Bassist – Anm. d. Red.) kommen. Unser Gitarrist Manu und ich bringen eher selten eigene Songideen mit. Es gibt aber keinen Standardplan, den wir fahren. Manchmal ist es so, dass eine Melodie für einen Teil eines Stücks da ist, die wir dann gemeinsam in einen kompletten Song formen. Oft entstehen die Lieder auch aus einem Jam heraus.
Wie schaut’s mit der Verteilung der Tantiemen aus?
Wir handhaben es so, dass uns das untereinander gleich aufteilen. Wir sehen uns als Gemeinschaftsprojekt, bei dem sich keiner in den Vordergrund drängt. Wir wollen als Einheit auftreten, und das soll sich auch in diesem Bereich niederschlagen.
Der Gewinn des Ö3-Soundcheck hat euch einen Plattenvertrag eingebracht. Wie muss man sich so einen Vertrag vorstellen?
Es hat zuerst einmal einen Vorvertrag für alle Bands gegeben, die am Soundcheck teilgenommen haben, der ein paar Seiten lang war. Der richtige Plattenvertrag ist jetzt schon ein wenig länger. Dafür haben wir uns einen Rechtsbeistand zur Seite gezogen.
Hattet ihr überhaupt einen Spielraum bei den Verhandlungen oder ist der Vertragsinhalt praktisch in Stein gemeißelt?
Mein Bild eines Plattenvertrages hat sich, seit wir mit Sony zusammenarbeiten, ein wenig geändert. Für mich waren Plattenfirmen einfach Wirtschaftsunternehmen, denen es in erster Linie um Profit geht. Punkt. Aber ich muss sagen, dass wir mit Sony eine wirklich gute Zusammenarbeit haben. Von dem her ist es auch kein Problem gewisse Punkte im Vertrag zu verändern oder andere zu verankern.
Vertragsdetails wirst du mir wahrscheinlich keine nennen – aber ist es ein längerfristiger Vertrag?
Es ist eine längerfristige Zusammenarbeit geplant.
Du hast mit 15 Jahren angefangen Schlagzeug zu spielen. Was hat dich dazu bewogen?
Begonnen hat das Ganze mehr oder weniger zufällig. Wir haben damals in der Schule im Unterricht ein Bandprojekt gestartet. Ich habe mich dann mit einem Mitschüler kurz gefightet, wer sich hinters Schlagzeug setzen darf, habe mich durchgesetzt und seitdem spiele ich Schlagzeug. Ich habe überhaupt nicht spielen können, hab mich einfach hingesetzt, und irgendwo hingehauen, so dass es irgendwie gut klingt. Das war dann auch meine Philosophie, die ich weiterverfolgt habe. (lacht) Und es ist immer noch so, dass ich versuch das zu spielen, was gut klingt. Ich war damals übrigens mit dem Emi in einer Klasse, und wir haben bald unsere erste gemeinsame Band gegründet.
Kannst du dich noch erinnern wie die Band geheißen hat?
(Überlegt eine Weile) Ich glaube wir hatten damals gar keinen Namen. Das war auch nur ein relativ kurzfristiges Projekt. Wir waren zu dritt oder zu viert und haben uns einmal die Woche getroffen und haben versucht Songs zu covern. Ich habe eigentlich gar nicht Schlagzeug spielen können. Es ist dann aber stetig gewachsen. Ich habe mir dann ziemlich bald auch mein erstes Set gekauft und bei mir zu Hause in Salzburg in den Keller gestellt.
Kannst du dich noch an das Gefühl erinnern als du dich das erste Mal hinters Schlagzeug gesetzt hast?
Einerseits war es sehr strange, weil ich keinen Plan hatte, was ich da mache und einfach irgendwo drauf gehauen haben. Andererseits war es aber sehr cool, selber Musik zu machen. Das Problem beim Schlagzeug ist, dass du relativ schwierig alleine Sachen spielen kannst, die cool klingen. Das Schlagzeug ist ein Instrument, das sich eher in einer Band gut einfügt. Das hat mich sehr fasziniert und war der Grund, warum ich mir relativ bald ein eigenes Set gekauft habe, ohne dass ich spielen konnte.
Was war das für ein Schlagzeug?
Es ist lustigerweise, das Schlagzeug, das ich immer noch spiele: ein Pearl Forum. Es war ein ziemlich günstiges Set. Ich habe es noch, weil zum einen die Sets live meistens gestellt werden und zum anderen weil ich meinen eigenen Sound noch nicht gefunden habe und weil qualitativ hochwertige Sachen auch sehr teuer sind. Da muss man dann schon wissen, was man will.
Bist du Autodidakt oder hast du auch Schlagzeugunterricht genommen?
Ich bin eigentlich Autodidakt. Ich habe vor allem durch zuhören gelernt. Ich habe mir durchs Spielen zu Songs ein rhythmisches Fundament angeeignet, von dem aus ich dann später weitergearbeitet habe. Das ist ein Ansatz, den ich immer noch verfolge. Ich schätze am Schlagzeug einfache Sachen sehr.
Hast du Vorbilder?
Ich hatte immer Lieblingsbands. Eine davon ist sicherlich U2. Oder auch Coldplay. Das sind sicherlich Bands die auch in unserem Sound rauszuhören sind. Mir persönlich gefällt auch Snow Patrol sehr gut. Aber meine Lieblingsbands wechseln sich oft ab. Ansonsten bin ich nicht so der typische Schlagzeuger, der bestimmte Vorbilder hat. Mir ist es immer um den Gesamteindruck gegangen. Es geht nicht darum, dass ich so supertoll spiele, sondern darum, dass die Band gut klingt. Dadurch gefallen mir auch diese simplen Sachen so gut, weil sie meistens songdienlich sind. Ich strebe natürlich danach technisch besser zu werden, obwohl ich eigentlich sehr selten übe.
Ihr habt ja nicht das erste Mal beim Ö3-Soundcheck mitgemacht. Hat euch diese Erfahrung ein bisschen was gebracht?
Ich denke schon, dass wir von dieser Erfahrungen zehren haben können. Ich denke, dass grundsätzlich jeder Gig eine wichtige Erfahrung ist. Andererseits haben wir den ganzen Ablauf beim Soundcheck mit vorher Interviews geben und der kurzen Zeit auf der Bühne schon gekannt. Das war sicherlich eine gute Vorbereitung.
Wie war das Verhältnis unter den Bands?
Obwohl man sich das vielleicht anders erwartet, hat es eigentlich keine Konkurrenzgehabe gegeben. Einige der Bands habe ich sehr gut gefunden. Ich habe sogar während des Finalwochenendes einen Ohrwurm von Menschensohn (belegten beim Ö3-Soundcheck den 2. Platz – Anm. d. Red.) gehabt. Es war auch schön zu sehen, dass es irgendwie niemanden gegeben hat, der uns den Erfolg nicht gegönnt hat.
Wie habt ihr die Songauswahl für den Bewerb getroffen?
Es war diesmal eine sehr spontane Sache. Der Emi hat den Rest der Band im Sommer angerufen und gefragt, ob wir Lust hätten wieder beim Soundcheck mitzumachen. Er hat dann drei Songs eingeschickt, darunter auch Running In Your Mind, der meiner Meinung nach unser repräsentativster Song ist. Ich wusste aber nicht einmal, welche Songs es waren.
Wie hat es sich angefühlt, als du über den Sieg benachrichtigt wurdest?
Ich studiere ja Medizin und war gerade im AKH in Wien. Ich war im Labor, habe eine Pause gemacht und bin mit dem Lift in den oberen Stock gefahren, als ich gesehen habe, dass ich eine SMS vom Emi bekommen habe, in der stand: „Bitte ruf mich an.“ Da habe ich eigentlich schon gewusst, was los war. Es war einen Tag vor der offiziellen Verkündigung. Ich habe ihn dann angerufen, und da hat er mir dann gesagt, dass wir gewonnen haben. Im ersten Moment war ich ehrlich gesagt gar nicht so emotional. Ich habe mich zwar über diese unglaubliche Chance, die sich jetzt auftut wahnsinnig gefreut, aber ich bin nicht jubelnd durch die Gegend gelaufen.
Habt ihr den Sieg gefeiert?
Ja. Wir haben Freunde und Weggefährten in ein Lokal eingeladen und haben mit denen gefeiert.
Glaube, christlich, katholisch – das sind Begriffe, die immer wieder in Zusammenhang mit Cardiac Move fallen. Wie wichtig ist euch persönlich dieses Thema?
Grundsätzlich ist es wahrscheinlich am Besten, wenn jeder selbst für sich spricht. Was ich aber sagen kann ist, dass wir alle gläubig sind. Es ist uns allen eine wichtige Sache, die uns auch als Person ausmacht und einen Niederschlag in der Band findet. Andererseits sind wir keine christliche Band. Wir machen keine Lobpreismusik.
Wie seid ihr auf den Bandnamen Cardiac Move gekommen?
Die ersten zwei, drei Monate haben wir Lemonhead geheißen. Aber es gibt schon eine Band mit diesem Namen. Dann haben wir längere Zeit gesucht. Emi’s Schwager hat dann in einem Wörterbuch das Wort cardiac gefunden, und hat dann den Begriff Cardiac Move ins Spiel gebracht. Wir waren jetzt nicht sofort darüber begeistert, aber irgendwie hat er uns allen gefallen, und wir haben ihn dann doch übernommen. Im Nachhinein macht der Name voll Sinn. Wir wollen mit unserer Musik die Herzen bewegen.
Hast du abschließend noch einen Tipp für Nachwuchsschlagzeuger?
(Überlegt eine Weile) Für mich ist ganz wichtig, dass ich eine Freude an dem habe, was ich mache. Es kann vorkommen, dass ich keine Lust aufs Schlagzeugspielen habe – dann spiele ich auch nicht. Derzeit übe ich zum Beispiel nicht oder nur sehr wenig. Es ist einfach wichtig auf sein Gefühl zu hören und sich nicht zwingen hinters Schlagzeug zu setzen. Es muss Spaß machen. Zudem denke ich, dass man beim Spielen nicht nach der Theorie gehen sollte, sondern danach, wie es klingt.
Interview: Alexander Schöpf
Foto: Cardiac Move
Infos: www.cardiacmove.com