Eine tragende Rolle: Atlas Mind im Portrait
Der mythologische Titan im Gruppennamen ist klug gewählt: Mit einem Streich hat sich die Band Atlas Mind eine tragende Rolle innerhalb der heimischen Bandszene gleich selbst zugeschanzt. Völlig zu Recht, der melodiöse Indie-Rock der Wiener stemmt locker, was der gewichtige Namen verspricht. Von Martin Macho
Atlas Mind schälten sich im Jahr 2012 ohne Umbesetzungen aus der Vorgängerband The Lucid heraus. Musikalisch und privat war die Wellenlänge derart deckungsgleich, dass sich Martin Pittamitz (voc, g), Oliver Foltin (voc, g), Florian „Flo“ Haider (bg) sowie Matthias Rigal (dr) als Gruppe erhalten bleiben wollten, und neben dem Bandnamen nur das klangliche Korsett änderten.
Neue Wege
Auslöser für die Neuorientierung war die Unzufriedenheit der Leuchtenden mit dem künstlerischen Momentzustand. „Unsere Lieder mit The Lucid waren rockig, und teilweise kompliziert und progressiv im Aufbau. Schräge Harmonien und Taktarten“, sagt Flo. „Nach ein paar Jahren haben wir gemerkt, dass wir nicht ganz glücklich sind mit der musikalischen Richtung, die wir eingeschlagen haben, und so haben wir uns eine Auszeit genommen.“ Einige Monate der Standortsuche vergingen, bis die Vier schließlich übereinkamen, neue Wege mit den bewährten (Ver-)Tretern zu beschreiten.
Als Atlas Mind schraubten die Jungs in der Folge ihre Spielweise bewusst auf eine melodiöse Weichheit zurück. Gleichzeitig wurden dynamische Gradierungen eingeführt, denn immer wieder lösen sich die mächtigeren, kraftvollen Parts in balladeske Sequenzen auf. Unvermittelt bäumen sich diese dann doch wieder zu umschließenden Soundgewölben hoch. Die Spreizung des instrumentalen Spektrums folgte der Logik der musikalischen Umgestaltung: „Da wir bei der Komposition der neuen Lieder auch mit Synthies gearbeitet haben, haben wir nach einem Keyboarder gesucht“, so Flo. Mit Matthias Wess wurde ein Multi-Instrumentalist mit ins Bandboot geholt, der Atlas Mind seitdem an Klavier und Keyboard ergänzt, und für die klassischen Sprenkel in den Klanggemälden der Wiener sorgt.
Zwischenmenschlicher Gleichklang ist die wohlige Pointe der gemeinsamen Geschichte als Band. Die fünf Mitglieder von Atlas Mind sind füreinander über den Rang von Bühnenpartnern inzwischen weit hinaus. „Um unsere Freundschaft zu fördern, treffen wir uns auch oft zum Abendessen. In Feedbackrunden soll jeder mitteilen können, wenn ihn etwas stört oder wenn es etwas zu verbessern gibt“, sagt Oliver dazu. Demokratischen Grundsätzen unterliegt auch die Feinmodellierung des musikalischen Rohmaterials. Das heißt, jeder kann Songs schreiben und bei Songs von anderen Ideen einbringen. Nachdem ein Bandmitglied ein Liedfragment zur wöchentlichen Probe mitgenommen hat, stimmt man kurz ab, ob das weiter verfolgenswert ist. Dann wird zusammen an dem Stück geschliffen, bis es zur Bühnenreife gelangt.
Forcierung der Breitenwirksamkeit
„Das momentane Konzept funktioniert sehr gut: Einzelne Songs in guter Demo-Qualität selbst aufnehmen und produzieren. Das hilft uns, die Songs zu finalisieren. Zugleich haben wir dadurch regelmäßig Material, das wir online stellen können, um damit Leute auf Atlas Mind aufmerksam zu machen“, ist Drummer Matthias mit dem Status Quo der jungen Musiker zufrieden. Das erste handfeste Resultat dieser Arbeitsweise, das digitale Download-Album „Δ▲▲“ mit fünf Demo- bzw. Probe-Takes, wurde am 06.06. 2013 veröffentlicht. Auf Youtube gewähren Atlas Mind Einblicke in die Aufnahmen im Proberaum. Zusätzlich sind dort Mitschnitte von Live-Auftritten der Gruppe zu sehen.
Die sind für Atlas Mind neben den Demo-Produktionen naturgemäß die anvisierten Topoi. Der Test, ob die eigenkomponierten Songs auch in der In vivo-Situation bestehen können, neues Publikum beim ersten Konzertbesuch zu begeistern imstande sind, wurde in der Zwischenzeit bereits zweimal höchst erfolgreich absolviert. Das Debüt ging am 26.11. 2013 im ausverkauften Club Nolabel des B 72 über die Bühne. Im Jänner 2014 trafen Atlas Mind dann im Rahmen der Liveboxx auf den Brutal Boogie von Go! Go! Gorillo, ein viel umjubeltes Konzert-Doppel im Aera. „Das Feedback, das wir bis jetzt bekommen haben, war mehr als erfreulich“, zeigt sich Matthias über die Reaktionen der Fans glücklich.
Kann es für eine aufstrebende Band etwas anderes als die Forcierung der Breitenwirksamkeit geben? Realismus hin oder her, verwegen gedacht schafft man der Sprung vom zeitweiligen Hobby zur Profession nur, wenn im Anlauf die öffentliche Kenntnisnahme gelingt. Für Atlas Mind sind Gigs in den Bundesländern und als Support für internationale Künstler das Ziel. Die Band wird dem bewährten Arbeitsduktus treu bleiben. Um dem immer größer werdenden Interesse Rechnung zu tragen, soll das Song- und Live-Programm erweitert werden. Schließlich zwängen sich Pläne für ein erstes Album immer konkreter zwischen die großen Weltgedanken der fünf „Atlanten“.
Foto (B 72): © Michael Meier