Fabel-haft: Das Album Viech von Viech

Das Grazer Duo Viech legt mit seinem selbstbetitelten Debütalbum eine Fingerübung für Pop-Minimal Music vor. Andreas Klinger und Paul Plut verwenden Melodie und Rhythmik als monotone Ackerfläche, auf denen ihre cleveren Sprachgeschöpfe im Rezitativ gemächlich dahinziehen. Von Martin Macho in Kooperation mit mica – musicaustria.at

In gewisser Weise ist Viech (die Band) Viech (die Platte) ja zum Rapalbum geronnen. Denn gleich dem Rap pflegt das 2011 gegründete Duo eine kunstvolle Sprachakrobatik, die es mit wenig Hebungen und Senkungen auf repetitiven musikalischen Motiven vollführt. Nur setzt Viech die Akzente anders. Lässt lieber einfache Harmonien anheimelnd sich im Kreis bewegen, als sich der Stechschritt-Metrik des Rap anzunehmen. Zieht thematisch die alltäglichen Feinheiten der brachialen Aug‘ um Aug‘-Ghettolyrik desselben vor.

Vortrefflich einfach
Die Ostinato-Taktik im Minimundusformat geht auf. Durch die platzsparenden Kreiselverläufe des akkordischen Unterbaus wirkt die Musik von Viech beinahe meditativ. Eine sonderbare Strahlkraft geht von den zehn Nummern aus, die auch die beiden Grazer zu übertölpeln scheint. Das Video zur Singleauskoppelung Steuermann zeigt zwei ganz in ihrer Musik verfangene Derwische mit geschlossenen Augen, die wie bei einem indianischen Regentanz tranceähnlich Kopf und Beine rhythmisch auf und ab werfen. Auch beim Hören ist schon während des ersten Durchlaufs regelrecht spürbar, wie sie sich Song um Song tiefer in ihre eigenen betörenden Sounds fallen lassen (müssen).

Wer nun ein schleppendes Om in Albumspiellänge (35 Minuten) befürchtet, kann gleich wieder beruhigt werden. Die zehn Songs sind von Viech poppig arrangiert und vom Produzentenduo Bernhard Fleischmann bzw. Christofer Frank mit eigenwilligem Feinschliff versehen worden. Unverkennbar ist Verzicht ein wesentlicher Bestandteil des Viech-Treibens. Andreas Klinger und Paul Plut widerstehen der Versuchung, die im Mainstream übliche Masche von überbordendem Streicherfirlefanz und Orchestergetöse zu knüpfen. Verlockend ist die – in ihrer Kombination vielleicht untypische – Nutzung des üppigen Instrumentenhaushalts allein. Da streunen im zentralen Stück Steuermann Akkordeon, Querflöte und Glockenspiel über perkussiven Untergrund, um dem finalen Crescendo mit Chor den Weg zu ebnen. Auf Mit Dir Möcht Ich Baden Gehen kommen Folkflöten wohlgesetzt zum Einsatz, Saxophon und Trompete geben Backenkrampf die gemäße Färbung. In ihrer musikanten Einfachheit, der trotzdem eine ungeahnte Intensität innewohnt, sind Viech mit den ähnlich gepolten Burgenländern Garish auf Augenhöhe, als Vortragende der eigentlichen Trancemusik in Wahrheit alternativlos.

Einfach vortrefflich
Schon ein überfliegender Blick auf die Trackliste reicht aus, um das zweite entscheidende Charakteristikum der Viechmusik zu entdecken. Traumtänzer Hirnwichser Rainbowbutt, Hau Dem Zirkus Den Hut Drauf oder Lass Die Rücksicht Los sind nur die neugierig machenden Headliner für eine ganze Reihe vortrefflicher Sprachgirlanden absurdistanischer Herkunft, mit denen Viech seine Songs drapiert.

Besondere Beachtung verdient bei der Textentwicklung die Arbeitsweise des Duos. Sie ist so etwas wie die New Media-Version der alten Lennon/McCartney-Partnerschaft, bei der Ideenschnipsel einander an den Kopf geworfen wurden, bis daraus ein bündig-originelles Ganzes entstand. Nur dass die zwei Beatles sich dabei gegenübersaßen. Klinger/Plut erledigen das per SMS oder Email. Diese Art von Call and Response verunmöglicht nicht nur jede eindeutige Zuordenbarkeit der Autorenschaft, sondern hat eine spezielle Unvorhersehbarkeit in der textlichen Ausgestaltung zur Folge. Irrwitzige Verse wie Ich föhn dir deine Tränen weg/Das Meer kann’s besser brauchen (auf Mit Dir Möcht Ich Baden Gehen) oder Schreib deine Augen auf Papier/Mal den Mist jetzt an die Wand (auf Laufgans) erwecken den Anschein, als ob sich die beiden Songwriter über die Stoßrichtung ihrer Reime oft selbst nicht im Klaren sind; als ob sie sich mit jeder neu angefügten Zeile selbst überraschen würden.

Viech bestellt das noch brachliegende Feld des „Piratenpop“ (Eigendefinition) auf brillante Weise und erntet den verdienten Erfolg. Denn, so wertvoll wie ein kleines Steak, mundet es einfach saumäßig.

Das Album Viech:
VÖ: 15.03.2013 /erschienen bei Sevenahalf Records, Hoanzl, Broken Silence

Das Video Steuermann gibt es hier zu sehen.

Viech im Internet:
www.viech.org
www.facebook.com/viech.musik

Foto: Lena Prehal