Safe & Sound – health awareness in der Musikbranche

von Philipp Spiegl

Beim letzten Redaktionsmeeting haben wir beschlossen, dass wir uns gerne für ein Thema starkmachen möchten, welches in der Musikwelt oft zu kurz kommt – die Gesundheit.
Unsere neue Kolumne „Safe & Sound“ beschäftigt sich mit der körperlichen & mentalen Gesundheit von Musiker*innen. Dafür haben wir Personen aus dem Gesundheitssystem und Musizierende befragt.

In diesem ersten Teil der Serie befragte ich eine Musikerin, und eine Logopädin . Ich wollte herausfinden, wie es zu gesundheitlichen Problemen kommt, wie man sie verhindern kann, und was man tun soll, wenn Schmerzen zum täglichen Begleiter werden. In den weiterführenden Artikeln über die körperliche Gesundheit von Musiker*innen werde ich dann genauer auf gewisse Problemstellungen eingehen.

Sabina Hasanova ist eine Konzertpianistin und hat Solo und mit ihrem „Trio Klavis“ weltweite Erfolge gefeiert. Sie hat einen einzigartigen Einblick in die Welt der Berufsmusik und hat uns im Gespräch einen kleinen Einblick gewährt.
Backbeat: Gibt es in deinem Umfeld viele Musiker*innen die von Krankheiten oder sonstigen Problemen betroffen sind, die sie durch das Musik machen erlangt haben?
Sabina: Es ist in der Tat ein häufiges Problem, bei dem fast alle Musiker*innen, die ich kenne, eine Geschichte erzählen können. Das beginnt bei Abnützungen oder Deformierungen wie man es aus Handwerksberufen kennt und endet bei Problematiken, die Karriere beendend sein können. Von abdominalen Problemen bis zum Ausbleiben der Periode habe ich schon alles mitbekommen.

Backbeat: Was sind die Ursachen für diese Probleme?
Sabina: Vor allem passiert es, wenn man die falsche Technik entwickelt, weil man nie eine gelernt hat. Am Anfang der Ausbildung steht die richtige Haltung bzw. Positionierung der verwendeten Muskeln im Vordergrund, denn das Ziel ist, einen guten gesunden Klang zu finden/lernen. Oftmals werden die indirekt beanspruchten Körperteile vernachlässigt. Man hört lange nicht auf den Körper, sondern nur auf das Instrument.

Backbeat: Wenn man nun in die Situation kommt, in der man ärztliche oder therapeutische Hilfe benötigt, hast du das Gefühl, dass man als Musiker*in ernst genommen wird bzw. sind diese begleitenden Probleme bei dem medizinischen Personal bekannt?
Sabina: Ich persönlich wende mich nur an Ärzt*innen oder Therapeut*innen, die mir von anderen Musiker*innen empfohlen wurden. Wenn ich Ärzt*innen aufsuche, deren Beziehungen zu Musiker*innen, mir unbekannt ist, stoße ich auf die verschiedensten Reaktionen. Oft fühle ich mich unbehaglich, denn wenn ein wichtiger Teil meiner täglichen, körperlichen Routine ignoriert wird, dann fühle ich mich nicht ernst genommen. Aber es gibt zum Glück in jeder Stadt gewisse Ärzt*innen oder Therapeut*innen, die nicht nur wissen, wie man Musiker*innen und Musiker behandelt, sondern auch, wie man mit ihnen spricht.

Backbeat: Sind Arztbesuche oft mit der Angst verbunden, dass man aufhören muss?
Sabina: Ja, immer. Größere Eingriffe wie Operationen sind immer ein großes Risiko. Es ist wichtig, sich mehrere Meinungen einzuholen. Eine gewisse Panik begleitet einem, nach meiner Erfahrung nach, immer.

Backbeat: Was muss sich deiner Meinung nach ändern? Was sollten Musiker*innen beachten?
Sabina: Mein Wunsch ist, dass es in der Ausbildung weniger ignoriert wird, dass Musik machen eine ganz-körperliche Tätigkeit ist. Man arbeitet mit seinem Körper, daher wünsche ich mir, das Sport und andere körperliche Tätigkeiten wie Yoga in das Musikerleben integriert werden. Profi Sportler*innen trainieren nicht nur die eine Sportart, die sie ausüben, sondern unterstützen ihren Körper durch eine tägliche Fitnessroutine.
Musiker*innen sollten sich von dem diesem klassischen Bild des blassen Musikers, der die Sonne schon lange nicht mehr gesehen hat, mit gekrümmten Rücken geht, eine Brille trägt , hinter sich lassen, wenn man bedenkt, dass diese Person seine Karriere auf seinen körperlichen Fähigkeiten erbaut.

Backbeat: Danke Sabina!


Der Vergleich zum Profisport blieb bei mir hängen. Professionelle Sportklubs werden oft von verschiedensten Therapeut*innen betreut. Ernährung und Fitness stehen auf dem täglichen Trainings- und Lehrprogramm. Es wird ein Sicherheitsnetz geschaffen, welches auch für die mentale Gesundheit der Spieler*innen wichtig ist. Musiker*innen sind auf sich gestellt und körperliche Gesundheit wird oft nur im Profibereich zum Thema. Das Risiko ist oft groß und treffen kann es den ganzen Körper. Sänger*innen sind davon genauso betroffen wie Instrumentalist*innen. Dazu führte ich ein Interview mit Emma Hollenstein, einer Logopädin.

Backbeat: Haben Sie erlebt, dass Musiker*innen und Musiker einen höheren Bedarf an therapeutischer Unterstützung benötigen?
Emma: Absolut. Also nicht nur Musiker*innen und mehr spezifisch Sänger*innen, sondern alle sogenannten „Berufssprecher*innen“ – also jene Menschen, die ihre Stimme im Alltag vermehrt einsetzten. Sänger*innen jedoch am meisten.

Backbeat: Was sind die Ursachen für diese Probleme?
Emma: Um die Musikwelt einzusteigen, muss man heutzutage kein Profi mehr sein, daher dauert es oft lange bis diese Personen beginnen zu lernen, wie man richtig singt. Oft wird die Stimme falsch benützt, die Stimme nicht aufwärmt oder zu wenig Pausen macht.

Backbeat: Was für Symptome werden da beobachtet?
Emma: Oft werden die Sänger*innen nach dem Singen heißer, oft beginnt es aber damit, dass sie nicht mehr leise singen können oder bestimmte Stimmlagen nicht mehr erreicht werden können. Diese Stimmstörungen entwickeln sich oft langsam und nehmen schleichend zu.

Backbeat: Sind Stimmprobleme gut heil- bzw. therapierbar? Und kommen viele erst, wenn es schon zu spät ist?
Emma: Man muss zwischen funktionalen Störungen (falsche Benutzung) und organischen Schäden (Kehlkopfentzündung, Bronchitis etc.) unterscheiden. Die Ersteren verursachen oft die letzteren. Funktionale Störungen sind meistens gut therapierbar – dies setzt allerdings Disziplin und Ausdauer mit den Übungen, welche die Therapeut*innen verschreibt, voraus.

Backbeat: Sollte eine Therapie bzw. eine gute Stimmhygiene mit Sport und anderen Therapieformen Hand in Hand gehen?
Emma: Im Idealfall wird Logopädie von Physiotherapie begleitet oder auch Ergotherapie. Ein guter erster Schritt ist auf jeden Fall eine logopädische Diagnose erstellen zu lassen und dann dazu zu nehmen, was hilfreich sein kann.
Sport kann helfen, das Körpergefühl zu steigern und einem dabei helfen sich besser zu spüren – Das kommt dann einem auch in der Logopädie zugute. Zu viel Sport oder auch der falsche Sport kann aber auch schädlich sein.

Backbeat: Danke Emma!


In den Gesprächen mit Sabina Hasanova & Emma Hollenstein wurde erwähnt, dass die richtige Benutzung des Instruments und vor allem auch die richtige Haltung eine große Rolle spielen.

 


Achtsamkeit, Körperwahrnehmung, Training, Sport. Das sind alles Begriffe, die man nicht sofort mit Musik machen in Verbindung setzt. Auch als Hobbymusiker habe ich das Spielen eines Instruments nie als körperliche Tätigkeit angesehen. Richtiges Halten und richtige Haltung werden auch in den all bekannten Youtube tutorials kaum angesprochen. Eine gewisse Haltung oder Spielweise umzulernen, benötigt viel Zeit und Geduld und kommt mit dem Risiko, gewisse Techniken neu – bzw. anders lernen zu müssen. Therapien muss man sich leisten können und für Sport und Fitness bleibt im Alltag meist keine Zeit. Die Körperwahrnehmung wurde in allen  Interviews angesprochen und hinterlässt bei mir auch einen nachhaltigen Eindruck. Man sollte nicht nur auf sein Instrument, sondern auch auf sich selber hören.