Von Ekstase bis stiller Versenkung – »Kairos« von Werckmeister

Wenn es dämmert, dann dunkelt es. Doch in „Kairos“, dem Debüt Album der Wiener Band Werckmeister wohnt ein Brand.
Von Philipp Spiegl

Eröffnet wird mit „Weltenbau“ – tiefe Klavierakkorde, atmosphärische Klänge à la Einstürzende Neubauten und die charakteristischen Vocals von Frontmann David Howald lassen den Opener wachsen und entfalten den Sound, den „Kairos“ auszeichnet: Schwer und mit viel Pathos, die Glut ist gesät.

Werckmeister haben am Laut sein Blut geleckt und legen mit „Circus Maximus“ direkt ein Highlight des Albums nach. Die treibenden industial Synth Sounds, die ziehenden Drums und die dynamischen Vocals bieten viel Unterhaltung, man will den Song gleich noch mal hören, um sich darin verlieren zu können. Darauf folgt das etwas schnulzige „Die Eloquenz des Untergangs“. Textlich etwas hit & miss, musikalisch etwas zu brav, spielt der Song so vor sich hin.

„Tyrannus“ beschreibt die Band als gesellschaftskritischen Rundumschlag. Dieser beginnt als Ballade und endet mit post-rockigen Gitarren. Spannung baut das Intro von „Ekg“ auf und auch diese Nummer entpuppt sich für mich als Album Highlight. Der live Sound funktioniert und wirkt sehr dynamisch, besonders die Drums sind hier durchwegs spannend und passen perfekt zu der Atmosphäre. „Nektar“ ist melancholisch schön, birgt Hoffnung und klingt bisher ungewohnt optimistisch – eine Mischung, die man z.B. von Get Well Soon kennt.

Beim Hören von „Wand der Wünsche“ war ich etwas hin- und hergerissen. Textzeilen wie „Ich glaub an das, was mich zerstört“ bleiben einem im Gedächtnis, treffen die Hörerschaft. Der Chorus wird dann sehr metaphorisch und pathetisch, vielleicht etwas zu viel. Jedoch bietet uns Werckmeister ein weiteres musikalisches Highlight – nach dem Refrain stürzt sich eine großartige Soundwelle auf den Song und überrascht durch die Gewalt und Lautstärke, mit welcher sie auftritt. Solche Elemente hätte ich mir auf dem gesamten Album gewünscht. Werckmeister lehnen sich aus dem Fenster und wie es sich gelohnt hat!

Das Wiegenlied „Lilith über der Stadt“ bringt textliche Abwechslung, denn wir bekommen eine Geschichte erzählt. Die 3:31 Minuten fühlen sich ehrlich gesagt doppelt so lang an, hier etwas kürzer und dafür dynamischer aufzufahren hätte sich gelohnt, gerade deshalb, weil mit „mein Mörder“ noch ein langsames Stück folgt. „Mein Mörder“ überzeugt inhaltlich, ist aber sehr nasal gesungen. Auf Dauer fühlt es sich eintönig an, ich suche die atmosphärischen Klänge, die Dynamik. Werckmeister verlassen sich auf den Text und auf ein solides Instrumental – ein Doppelboden den die Band nicht brauchen würde. Mein Lieblingssong der Platte ist „Die Träufler“. Deutschpunk trifft auf englischen Post Punk. Große Drums, klirrende Gitarren, alles wird lauter, versinkt tiefer im Lärm und Lautstärke. Werckmeister befreien sich, zeigen mit dem Finger, das Feuer ist endgültig entfacht und es lodert wild.
Umso mehr überrascht „Die Unendlichkeit“. Verzerrte Akkorde werden durch akustische Gitarren und Streicher ausgetauscht und das Ganze erinnert etwas an das unplugged Album der Toten Hosen. Ein melancholischer Rückblick, ein klarer Moment: „lange war ich blind, doch nun kann ich sehen…“.

Übrig bleibt Schutt, Asche und „Ex Machina“. Der Closer beginnt leise und verlässt uns nur wenig lauter. Werckmeister sind bereit, neu anzufangen, denn sie haben sich von allem geschieden und getrennt. Insgesamt überzeugt „Kairos“, es beschreibt Umbruch, einen offenen Zustand, doch vor allem zeigt es Potenzial.

Foto: (c) Florian Köppl
Artwork: (c) Hannes Röther