Lukas Aichinger
Mit Lukas Aichinger stellen wir euch dieses Mal einen »Drummer des Monats« vor, der nicht nur hinter dem Schlagzeug für Furore sorgt, sondern sich auch bereits einen Namen als Komponist und Arrangeur gemacht hat. Seine Beteiligung an Bands wie znap, Intra oder Aufmessers Schneide spiegeln seine große musikalische Bandbreite ebenso wider, wie seine Arbeit als Bandleader des Sextetts AHL6. Im Interview erzählt er uns über seinen musikalischen Werdegang, kompositorische Prozesse und Genrevielfältigkeit.
von Maximilian Zeller
Wann hast du mit dem Schlagzeugspielen begonnen und wie bist du ursprünglich zum Instrument gekommen?
Bei mir war das eine klassische Musikschul-Karriere. Ich bin von meinen Eltern für die musikalische Früherziehung angemeldet worden, da war ich etwa fünf Jahre alt. Nach zwei Jahren musste ich mir dort ein Instrument aussuchen, dabei hat mich das Schlagzeug einfach am meisten beeindruckt. Anschließend hatte ich zwei Jahre lang Kleine Trommel-Unterricht, nach denen ich aber kurz davor war, wieder aufzuhören. Mit neun Jahren wechselte ich dann aber zu einem anderen Schlagzeuglehrer, bei dem ich gleich am Set spielen durfte und zu dieser Zeit hab ich auch mein erstes eigenes Schlagzeug bekommen. Von da an hat es mir mehr Spaß gemacht. Die wirklich große Motivation mit dem Schlagzeugspiel weiter zu machen ist erst so mit 14 oder 15 Jahren gekommen.
Wie war dein anschließender Ausbildungsweg?
Zunächst war ich eben recht lange an der Musikschule bei uns im Ort [Bad Ischl]. Parallel dazu habe ich das »drummer’s focus«, eine private Schlagzeugschule in Salzburg, besucht. Danach habe ich Jazz-Schlagzeug mit Kompositionsschwerpunkt an der Anton Bruckner Uni in Linz studiert und bin jetzt am Jam Music Lab in Wien und mach dort noch meinen Master in Improvisation.
Haben sich durch diese unterschiedlichen Studienausrichtungen auch neue oder andere Perspektiven auf dein Schlagzeugspiel ergeben?
Ja, definitiv. Als ich zunächst mit dem Kompositionsschwerpunkt begonnen habe, war mir das so aber gar nicht bewusst. Mich hat einfach das Spielen mit Tönen und das Basteln an musikalischen Ideen interessiert. Christoph Cech [Professor an der Anton Bruckner Universität] war da sehr wohlwollend und unterstützend. Es wurde einem sehr viel Freiraum gelassen, um auszuloten, was man selber machen will. Dass sich das auf mein Schlagzeugspiel ausgewirkt hat, wurde mir dann besonders während den Arbeiten am AHL6-Album bewusst. Dabei ging ich eher selten von einem konkreten Drum-Groove aus, sondern habe mir die Schlagzeug-Parts meist erst am Ende überlegt. Dadurch ändert sich die Perspektive als Schlagzeuger*in schon sehr grundlegend – man weiß ja, was man komponiert hat und wie man gewisse Dinge unterstreichen will. Genauso hat man konkrete Stimmungen und Klangbilder im Hinterkopf.
Thinker try to dance war eines unserer Alben des Jahres 2020. Für mich sticht es vor allem durch seine stilistische Diversität und den homogenen und organischen Band-Sound heraus. War es schwierig, diese Band-Dynamik im Studio umzusetzen?
Ich glaube eigentlich nicht. Wir sind mit einem sehr engen Zeitplan ins Studio gegangen und haben davor auch nicht wirklich viel gespielt. Also überprobt waren wir sicher nicht. Das hatte aber auch einen gewissen Reiz: Im Studio haben wir die Kompositionen erst richtig gut kennengelernt. Das ist im Vergleich zu anderen Bands, bei denen man vor einer Aufnahme schon viele Konzerte gespielt hat, definitiv anders gewesen und das war schon sehr spannend. Jeder wollte sein Bestes geben und dabei sind eben auch neue Sachen entstanden. Der Großteil wurde mit der gesamten Band Live aufgenommen. Natürlich wurde anschließend einiges geschnitten und gestückelt, aber der Großteil wurde gemeinsam eingespielt.
Das Album zeichnet sich auch sehr durch seine distinktiven Sounds aus, besonders fällt mir das bei der Gitarre und der Trompete auf. Wieviel Input kommt dabei von dir an die einzelnen Instrumentalisten? Hast du da ganz konkrete klangliche Vorstellungen oder bestimmte Effektgeräte bereits vorab im Kopf?
In dem Fall hab ich mich, noch bevor ich zu komponieren begann, mit Markus [Schneider, Gitarre] und Thomas [Liesinger, Trompete] getroffen und mir vorspielen lassen, was sie mit ihren Effekt-Geräten so alles machen können. Das nahm ich auch auf und im Laufe des Kompositionsprozesses hab ich schon bei gewissen Parts genaue Vorgaben gemacht, also welche Effekte bzw. Sounds ich mir dabei vorgestellt habe. Das habe ich dann auch so in die Partituren geschrieben. Natürlich waren zum Teil freie Passagen dabei, bei denen sich die Musiker – auch klanglich – selbst eingebracht haben. Aber prinzipiell gab’s für alle Stimmen eine Partitur.
Schaut man sich die Bands und Projekte an, bei denen du beteiligt bist, erkennt man ziemlich schnell eine relativ große musikalische Bandbreite. Ist dir das ein persönliches Anliegen, dass du da so breitgefächert aufgestellt bist oder hat sich das eher von selbst ergeben?
Eigentlich trifft beides zu. Einerseits interessieren mich viele verschiedene Sachen, andererseits haben sich natürlich einige Projekte einfach ergeben. Es gab aber durchaus auch Anfragen, die ich abgelehnt habe. Prinzipiell sage ich schon gerne zu, solange mir ein Aspekt der Musik gefällt. Aber wenn mich beispielsweise wer für ein Metal-Album anfragt, ist klar, dass sich das spieltechnisch nicht ausgeht.
Gibt es irgendein Genre, in dem du dich am wohlsten fühlst bzw. wo du am meisten Spaß hast, darin zu spielen?
Ich find das ist ziemlich schwierig zu beantworten. Es gibt ja in jedem Genre wiederum unterschiedliche Ausformungen. Mir macht natürlich Jazz Spaß, aber eben auch nicht jede Art von Jazz. Genauso finde ich Rock- oder Pop-Groove-Sachen super, aber auch da kommt es darauf an, wie es interpretiert wird. Das hängt für mich immer von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel wie sehr man sich selbst in die Musik einbringen kann und ob einen das persönlich anspricht. Auch das soziale Umfeld innerhalb einer Band ist wichtig und natürlich spielen ebenso ökonomische Überlegungen immer eine gewisse Rolle.
Hast du – gerade was diese stilistische Vielfalt betrifft – irgendwelche musikalischen Vorbilder?
Es gibt schon einige Schlagzeuger*innen, die Vorbilder für mich sind. Kenny Wollesen finde ich etwa sehr cool, der auch immer wieder mit den unterschiedlichsten Projekten auftritt und sich in den verschiedensten Genres bewegt. Ein anderes Beispiel wäre Vinnie Colaiuta, der als Studioschlagzeuger auf unzähligen Alben gespielt hat und in allen stilistischen Richtungen ablieferte. Aber ich finde auch Schlagzeuger*innen interessant, die total konsequent sind und auf einer Linie bleiben, wie beispielsweise Christian Lillinger. Der ist natürlich schon sehr vielseitig, aber es geht trotzdem in gewisser Weiße in eine sehr konkrete Richtung. Das ist bei mir bis jetzt zwar nicht so der Fall, aber ich finde es definitiv sehr spannend.
Beim Video, dass du für uns in der Beatboxx aufgenommen hast spielst du einen Ausschnitt aus dem Stück „Lukas’ Pausenbrot“ von znap. Warum hast du genau diesen Groove ausgewählt?
Wie wir das aufgenommen haben, bekam ich kurz zuvor die Rough-Mixes vom znap-Album und das war die Musik, in der ich am meisten drinnen war. Und der Groove gefällt mir einfach sehr gut. Er ist nicht sonderlich schwer zu spielen, aber vor allem in Kombination mit der Bass-Line ergeben sich sehr interessante, ineinandergreifende Pattern.
Mit znap habt ihr vor kurzem euer neues Album Boa Boa veröffentlicht. Hier scheint für mich Improvisation eine etwas größere Rolle zu spielen als beispielsweise bei AHL6. Wie entstehen in dieser Besetzung die Stücke? Erarbeitet ihr diese gemeinsam?
Auf der kompositorischen Ebene passiert bei beiden prinzipiell recht Ähnliches. Bei znap ist es nur so, dass alle Mitglieder für die Band schreiben. Ich würde auch nicht unbedingt sagen, dass es per se mehr Raum für Improvisationen gibt. Aufgrund der Besetzung ist einfach mehr Raum da, den man sich nehmen kann. Dadurch, dass es ein Trio ohne Harmonie-Instrument ist, kann sich jeder relativ weit rauslehnen – gerade das ist das Spannende bei der Besetzung.
Bei znap fällt mir auf, dass die Stücke einerseits stark jazz-idiomatisch geprägt sind, gleichzeitig aber auch oft damit brechen und plötzlich in ganz andere Richtungen gehen. Wie wichtig ist für euch dieses Ausloten und Überwinden von stilistischen Grenzen?
Auf der einen Seite wollen wir natürlich kein Album machen, bei dem jeder Song auf einer AABA-Form basiert. Das wäre uns, aber vermutlich auch den Zuhörer*innen, einfach zu fad – gerade bei einem Trio ohne Harmonie-Instrument. Andererseits hören wir alle nicht nur Jazz, sondern viele andere Sachen. Wir sehen die Band auch eher als eine „Working-Band“: Prinzipiell wird jeder eingebrachte Vorschlag angespielt und diskutiert. Natürlich kommen aber am Ende nicht alle Nummern ins Programm.
Hast du irgendwelche Präferenzen was dein Schlagzeug-Equipment betrifft? Also beispielsweise Vintage-Drums, spezielle Becken oder Ähnliches?
Prinzipiell orientiere ich mich eher an der jeweiligen Musik bzw. am Sound, der am Ende rauskommen soll. Also ich spiele bei den unterschiedlichen Projekten auch unterschiedliche Sets und Becken. Vintage-Drums verwende ich schon hin und wieder, oft ist mir da die Ansprache aber zu schwammig. Manchmal passt jedoch gerade das sehr gut. Ich habe beispielsweise eine 20’’ Bass-Drum von einem alten Sonor-Set, die verwende ich schon ziemlich oft. Die hat einen sehr interessanten Sub-Bass, den ich bei einem modernen Set so noch nie rausbekommen habe. Ansonsten arbeite ich auch sehr viel mit unterschiedlichen Stimmungen, gerade damit kann man ja aus einem Set sehr diverse Sounds rausholen.
Hat sich letztes Jahr mit den ganzen Lockdowns und den nichtvorhandenen Auftrittsmöglichkeiten dein musikalischer Fokus verändert? Also arbeitest du vermehrt an eigenen Kompositionen oder stand das Schlagzeugspielen eher im Vordergrund?
Grundsätzlich wurde es vor allem schwieriger, seine Motivation aufrecht zu erhalten. Besonders wenn es keine Konzerte gibt, für die man probt. Seit letztem Winter war ich häufiger im Studio und hab mich auf die jeweiligen Aufnahme-Sessions vorbereitet. In letzter Zeit habe ich auch wieder mehr komponiert und Ideen gesammelt, das passiert aber gerade noch nicht wirklich gezielt. Auch das Schreiben an meiner Masterarbeit nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Die nächsten Monate möchte ich aber wieder vermehrt in eine Übe-Routine reinkommen und mich Dingen widmen, die mich persönlich interessieren und nicht zwingend projektbezogen sind.
Vielen Dank für das Interview!
Titelfoto: Johanna Bugkel
Foto: Andreas Gnigler