Aurora Hackl Timón
Surface! heißt das aufregende, neue Album des Grunge/Indie-Rock Duos Petra und der Wolf. Die Drummerin der Formation, Aurora Hackl Timón, hat uns all unsere Fragen beantwortet – ein Interview über die besondere Rolle des Schlagzeugs in dem Duo, den Mut zum Ende ihrer Social Media Aktivitäten und die Kritik am neoliberalen System auf ihrem Album.
von Mira Achter
Vor kurzem habt ihr euer zweites Album veröffentlicht. Wie ist der Entstehungsprozess für euer neues Album "Surface!" abgelaufen?
Petra und der Wolf gibt es ja schon seit fast zwölf Jahren. Wir haben als Duo begonnen, waren zwischenzeitlich ein Trio mit einer zusätzlichen Bassistin und vor vier Jahren sind wir wieder zum Duo geworden. Zu diesem Zeitpunkt sind die ersten neuen Songs für das aktuelle Album entstanden, bei denen der Bass nicht mehr mitgedacht wurde. Wir entwickeln alle Songs gemeinsam im Proberaum, wobei es davor schon oft ein Riff oder einen Rhythmus gibt. Die Lyrics habe beim letzten Album vor allem ich geschrieben, bei dem jetzigen Album Petra, aber wir besprechen alle Texte gemeinsam. Für die Produktion haben wir uns bei diesem Album sehr viel Zeit gelassen. Wir hatten einen sehr hohen Anspruch, weil wir gesagt haben, wir müssen beide zu 100% mit allem zufrieden sein. Deswegen hat das jetzt viele Jahre gedauert, aber wir sind sehr glücklich mit den Songs. Wir haben uns, so wie auch schon beim letzten Album, Leute in den Proberaum eingeladen, ihnen die Songs in ihrer aktuellen Fassung vorgespielt und uns Feedback geholt. Das finde ich sehr spannend und viel wert, weil ich mich immer schon betriebsblind fühle. Die meisten Themen, die dann aufkommen, sind Dinge, die wir schon gespürt haben. Aufgenommen haben wir in Linz in den Goon Studios. Das war relativ entspannt, weil wir uns eine Woche Zeit genommen haben und gut vorbereitet waren. Aber ich erinnere mich auch, Petra ist total krank geworden und ich höre auf jeder Gesangsaufnahme ihre verschnupfte Nase.
Die eigenen Songs sind ja oft etwas sehr Persönliches. War das nicht schwierig, Personen in den Songwriting-Prozess zu lassen? Und wie war es mit Feedback und Kritik umzugehen?
Wir haben das beim letzten Album auch gemacht und ich habe im Vergleich erkannt, dass ich damals viel schlechter damit umgehen konnte. Aufgrund unserer Entwicklung als Band war das jetzt überhaupt kein Problem mehr. Wir holen zwar sehr unterschiedliche Personen in den Proberaum, aber es sind hauptsächlich Leute, die wir gut kennen und denen wir vertrauen. Als Band und als Minikollektiv können wir uns dann immer noch bewusst dagegen entscheiden, einen Vorschlag anzunehmen oder einzubauen.
Was sind für euch die wesentlichen Unterschiede zwischen dem vorherigen und dem aktuellen Album?
Ich denke, wir haben bei unserem aktuellen Album alles viel mehr auf den Punkt gebracht. Früher haben wir in jeden Song sämtliche Emotionen reingepackt. Die Songs waren Live immer Reisen vom Tal auf den Berg und wieder runter. Das war zum Spielen herausfordernd und spannend, aber auch anstrengend. Jetzt ist alles komprimierter.
Ich habe versucht die Themen auf "Surface!" auszumachen und habe den Eindruck, es finden viele verschiedene Dinge Platz in den Lyrics. Gibt’s ein Thema, das das Album zusammenschnürt?
Es geht um viele unterschiedliche Dinge, aber insgesamt gibt es für uns schon ein Überthema. Es geht viel um eine Kritik an dem Leistungsdruck, dem Selbstoptimierungswahn und dem neoliberalen System. Das zeigt sich auch in dem Albumtitel „Surface!“. Das kann Oberfläche oder Auftauchen bedeuten. Wir sehen den Titel aber auch als „aus einer Oberflächlichkeit raus auftauchen“. Das zeigt sich etwa darin, dass wir uns nach 10 Jahren Leidensgeschichte von Social Media verabschiedet haben. Künstler*innen oder Musiker*innen stehen dadurch unter Druck sich im Netz ständig selbst inszenieren zu müssen.
Warum habt ihr euch noch nicht früher von Social Media verabschiedet?
Wir haben immer gedacht, wir müssen das machen. Und ich habe mich auch noch nicht ganz von dem Gedanken verabschiedet, dass es eigentlich besser wäre, die Social Media Kanäle zu bedienen. Wir haben es bisher noch nicht gewagt. Aber jetzt haben wir akzeptiert wer wir sind. Wir fühlen uns als Band den 90ern soundmäßig sehr nahe und damals hat das ja noch anders funktioniert. Bands haben auch ohne Social Media Öffentlichkeit und ein Publikum bekommen. Heute ist es nur noch unter größter Anstrengung möglich, diesen Weg zu gehen. Da wir jetzt unrecords und Siluh Records als Plattformen haben, war es einfacher diese Entscheidung zu treffen.
Wie verstehst du bei euch die Rolle des Schlagzeugs? Schließlich muss oder kann das bei einem Duo vielleicht anders sein als bei größeren Formationen.
Ja, genau das finde ich ist das Spannende und Herausfordernde daran. Ich würde sagen, das Schlagzeug ist bei uns mehr als ein reines Rhythmusinstrument. Petra und ich haben beide viel Platz mit unseren Instrumenten und kommen einander nicht in die Quere. Als wir vom Trio zum Duo gewechselt haben, mussten wir beide unser Spielen anpassen. Ich habe damals zum Beispiel begonnen tomlastiger zu spielen. Ich habe das Gefühl, ich kann sehr viel in die Breite denken mit meinem Spiel in diesem Duo. Und ich finde, das macht mein Schlagzeugspiel auch aus. Das könnte aber auch als Schwäche gesehen werden - ich tue mir zum Beispiel schwer Bassdrum, Hi-Hat und Snare in einem 0815 Rhythmus über Minuten durchzuspielen. Es ist schon eine coole Fähigkeit grooven zu können. Aber es ist nicht das, was mich fordert oder womit ich glücklich bin. Für mich ist auch das Schlagzeugstimmen ein Feld, das mich sehr interessiert. Mir macht es total Spaß, mir vorzustellen, welche Stimmung am besten zu einem Beat passt.
Wenn wir schon beim Schlagzeugstimmen sind - man hört am Album, dass das Schlagzeug und besonders die Snare von Song zu Song unterschiedlich klingt. Habt ihr daran viel herumgetüftelt und überlegt?
Jein, also ich habe die Toms geringfügig an die Stimmung der Songs angepasst. Die Snare haben wir tatsächlich umgestimmt und auch mal ausgetauscht. Ich habe versucht Abwechslung rein zu bringen und zugleich alles so zu stimmen, dass es insgesamt zusammenpasst. Im Studio ist es dann zu spontanen Entscheidungen gekommen. Zum Beispiel bei dem Song „Stories on Sale“ klingt die Snare stark nach den 80ern. Da hatte ich eigentlich eine ganz andere Klangvorstellung. Ich wollte eine sehr moderne, knackige Snare und da hat der Studiotechniker vorgeschlagen in eine andere Richtung zu gehen. Es irritiert mich immer noch, wenn ich mir die Aufnahme anhöre, aber ich finde der Sound passt super zu dem Song.
In eurem Pressetext schreibt ihr bezogen auf strukturelle Benachteiligung in der Musiklandschaft „Petra und der Wolf spielen diese (Arsch)Karte als Privileg aus, die Musik in den Vordergrund zu stellen“. Wie kann man dieses Privileg verstehen?
Als queere Person passt man in sehr viele Bilder nicht rein. Man spürt Diskriminierung und ist mit Vorurteilen konfrontiert. Als Frauen* auf der Bühne erfüllen wir bestimmte Rollenerwartungen nicht, wenn wir E-Gitarre oder Schlagzeug spielen. Gerade weil wir diese vorgefertigten Vorstellungen nicht erfüllen, macht mich das frei. Wenn wir uns auf die Bühne setzen, brechen wir sowieso mit Erwartungen.
Foto 1: Dieter Kovacic
Foto 2: Hannah Mayr