Christian Grobauer
Das Motto „Weniger ist mehr“ schreiben sich viele SchlagzeugerInnen auf die Fahne. Christian Grobauer, unter anderem Schlagzeuger bei Schmieds Puls, treibt diesen Grundsatz jedoch auf die Spitze. Warum er keine Fills und Toms benötigt, die Musik, die er macht, gerade deswegen aufgeht und wie er seine vielfältigen Snaresounds Live und im Studio gestaltet, hat er uns in einem Interview erzählt.
Christian fängt an frei zu erzählen. Wir kommen darauf zu sprechen, dass er sich in den letzten Jahren sehr stark für Sound interessiert hat.
Was ist für dich bei Sound das Wichtige und Spannende?
Der Snare-Sound. Sobald es eine Stimme in dem Song gibt, ist natürlich das Wichtigste wie diese klingt und wie sie im Arrangement funktioniert. Danach kommt gleich der Klang der Snare. In den letzten Jahren ist das mein Steckenpferd geworden. Ich nehme mich außerdem so oft wie möglich auf und experimentiere viel mit verschiedenen Mikrofonen, Positionen, Pre-Amps, Kompressoren, Effekten, usw - eben mit der ganzen Signalkette vom gespielten Schlag bis zur fertigen Platte.
Woher weißt du, was der richtige Snare-Sound ist?
Er muss zur gesamten Soundästhetik passen. Um diesen zu finden probiere ich schon bevor wir ins Studio gehen viel aus und im Studio verändert sich der Klang dann oft nochmals, zum Beispiel weil der Raum ein anderer ist. Der richtige Snare-Sound gibt der Nummer eine bestimmte Richtung und lässt sich mit den anderen Instrumenten gut mischen. Er darf im Vergleich zu den anderen Klängen in der Mitte des Frequenzspektrums nicht zu sehr in den Vordergrund kommen, aber auch nicht zu sehr verschwinden. Dadurch passiert es manchmal, dass der Snare-Sound in der Strophe funktioniert, im Refrain aber nicht. Deswegen verwende ich oft in unterschiedlichen Teilen desselben Songs unterschiedliche Snares oder bearbeite dann im Mix die Snare in verschiedenen Teilen des Songs unterschiedlich. Den Idealsound, den ich mir als Ziel vorstelle, werde ich aber nie erreichen. Wenn ich mir das Endergebnis anhöre, bin ich immer ein bisschen enttäuscht. Aber das ist gut, weil ich dadurch den Antrieb bekomme, weiter herumzubasteln.
Hast du ein Beispiel vom aktuellen Schmieds Puls Album, wo du dir denkst, das hättet ihr besser machen können?
(lacht) Sicher, ich kann sie dir nach der Reihe ansagen. Run hätte ich zum Beispiel mit einer anderen Snare aufgenommen. In der Vorproduktion und beim Aufnehmen hat alles noch gepasst, erst beim Mischen und Mastern sind Probleme aufgetreten. Für mich hat es dann so geklungen, als würde sich jemand schnäuzen. Das konnte nicht so bleiben, sonst hätte ich mir den Song nie wieder anhören können. Wir haben dann versucht, die Snaredrum durch herumbasteln gut klingen zu lassen. Sobald aber die Snare gepasst hat, haben uns die Becken in den Overheads nicht mehr gefallen. Schlussendlich haben wir es aber noch gut genug hinbekommen.
In dem Song „Prague“ auf dem ersten Album von Schmieds Puls ist die Snare im Vergleich zu den anderen Songs sehr tot. Wie habt ihr das gemacht?
Das ist eine 10’’ Snaredrum, auf der eine kleingeschnittene Vinyl-Schallplatte liegt. Ich habe das einmal in einem Video von Benny Greb gesehen und ausprobiert. Alles was man auf das Fell einer Trommel legt, verändert die Grundfrequenz. Man kann zum Beispiel auch A4-Blätter (mit jedem Blatt wird die Snare in etwa um einen Halbton tiefer) oder ein umgedrehtes altes Fell dafür verwenden.
Wie setzt du die verschiedenen Sounds von den Alben dann live um?
Ich spiele live seit einiger Zeit mit zwei Snaredrums. Die eine ist sehr tief und sehr trocken. Mit dieser decke ich alle Songs ab, die grob gesagt einen ähnlichen Sound zu Prague oder auch The Plan haben. Die andere hat einen ganz lockeren Snareteppich und ist eher hoch gestimmt. Auf dieser spiele ich auch die Rimshots. Eine Zeit lang hatte ich sogar drei Snares mit, aber das ist mir dann zu unpraktisch gewesen. Kleine Kompromisse sind für mich schon in Ordnung. Damit diese Musik live funktioniert, ist es sowieso viel wichtiger, auf Raum und Bühne zu reagieren, als die perfekte Snare für jeden Song mitzuhaben.
Wie passt du den Sound oder das Spielen an den Raum an?
Der Raum gibt vor, wie laut ich spielen kann und wie laut ich die einzelnen Teile des Drumsets gewichten muss. Es gibt zum Beispiel Räume, die eine lautere Snaredrum aber dafür keine Hi-Hat vertragen. Anfangs war es oft sehr schwierig die Hi-Hat nur ein Drittel so laut zu spielen, wie ich es normalerweise tue. Aber in den letzten Jahren habe ich da einiges gelernt. Oft könnte ich lauter spielen, aber das will ich gar nicht. Es gibt eine Lautstärke, ab der das Schlagzeug nicht mehr gut kling und die ist schnell erreicht. Gerade bei ganz tief gestimmten Snaredrums würde man einiges an Balance und Attack verlieren. Normalerweise spielt man sowieso immer das Schlagzeug mikrophoniert. Da macht es gar keinen Sinn besonders laut zu spielen.
Du spielst live und im Studio keine Toms. Wie kam es dazu?
Weil sie nicht notwendig waren, weder für die Grooves noch für die Fills. Das war keine bewusste Entscheidung, sondern hat sich auf dem ersten Album so ergeben. Ich habe das dann auch bei anderen Projekten übernommen. Manchmal habe ich sie schon vermisst, aber es gab immer andere Lösungen. Ich habe das dann auch als Challenge verstanden, Fills ohne Toms zu spielen. Allerdings gibt es auf der neuen Schmieds Puls Platte bei zwei Songs erstmals ein Floor-Tom, zu dogmatisch darf man diese Dinge auch nicht sehen. Für mich ist die Snare eben ein wesentlich interessanterer und vor allem unglaublich wandelbarer Sound. Deshalb bleiben die Toms meistens zu Hause.
Weil du von Fills sprichst: du spielst ja kaum Fills.
Ja, das stimmt. Für ein Fill, egal wie groß oder klein, muss es immer einen Grund geben. Und wenn es den nicht gibt, dann ist da eben kein Fill. Es gibt wahrscheinlich nichts, was mich bei SchlagzugerInnen mehr stört, als wenn jemand zu viel spielt. Wenn die Strophe sechzehn Takte Beat braucht, dann ist das einfach so. Außerdem finde ich, egal wie klein ein Fill ist, selbst wenn es nur eine Hi-Hat-Öffnung ist, unterbricht es den Fluss des Beats. Die Schlagzeuger, die ich immer cool fand, zum Beispiel Jeff Porcaro, Steve Jordan oder Steve Ferrone spielen oft auch kein einziges Fill im ganzen Song. Ein weiteres Beispiel wäre Vinnie Corlaiuta, der in dem Song „Fields of Gold“ nur einen Groove durchgehend spielt. Jedes Fill wäre dabei idiotisch. Natürlich kann eine Nummer das auch brauchen, ein „jetzt-packen-wir-alles-aus-Fill“. Ich bediene mich auch oft anderer Mittel um ein neues Level an Intensität zu erreichen. Wenn ich die Hi-Hat in der Strophe weglasse oder nicht durchgängig spiele, gibt es bereits eine Steigerung, sobald ich beginne die Hi-Hat durchgängig zu spielen. Bei dem Song Run habe ich das zum Beispiel gemacht. Ich nehme also etwas weg, damit es später wieder dazukommen kann. Anstatt eines Fills tausche ich auch gerne eine Snaredrum auf der Vier durch einen Bassdrum-Schlag aus oder lasse den Schlag komplett weg. Das ist ein super Schmäh! Dadurch atmet der Rhythmus kurz durch und alle wissen, jetzt passiert etwas. Mich faszinieren diese vermeintlich simplen Dinge, weil sie nur dann gut sind, wenn sie auch gut gespielt werden und gut klingen.
Hast du noch etwas, was du gerne loswerden möchtest?
Zum Schluss habe ich noch ein Zitat, das mir sehr gut gefällt und sehr viel aussagt: „Pausen können niemals schlecht klingen“. Arnold Schönberg
Interview: Mira Achter
Foto 1: Paul Needham
Foto 2: Franz Schaden